Rainer Maria Weiss, Chef des Archäologischen Museums, spricht mit dem Abendblatt über neue Ziele und Aufgaben. Er setzt auf Familien.

Harburg . Nach fünf Jahren in der Stiftung Historische Museen Hamburg ist das Archäologische Museum Hamburg seit Jahresanfang wieder selbstständig. Das Abendblatt sprach mit Museumsdirektor Rainer Maria Weiss über die Chancen der neu gewonnenen Freiheit, das neue Image, die neue Marketingstrategie, und warum das Museum jetzt einen Musikpreis vergibt.

Hamburger Abendblatt:

Die Museen innerhalb der Stiftung sind viel damit beschäftigt, Geld einzusparen und Mangel zu verwalten. Die Selbstständigkeit verspricht wieder mehr Möglichkeiten für die inhaltliche Arbeit. Haben Sie deshalb am Wochenende zur Party eingeladen?

Prof. Rainer Maria Weiss:

In den letzten Jahren haben wir innerhalb der Stiftung nicht viel Freude daran gehabt. Wir haben gehofft, dass unser Museum in die Selbstständigkeit entlassen wird - und jetzt ist es soweit. Die Feier ist daher in erster Linie ein Dankeschön an die Politik. Nicht wir, sondern die Harburger Bezirksversammlung hat die Selbstständigkeit beantragt. Dieser Antrag war mit einem enormen Aufwand verbunden. Mehr als ein Jahr hat der Entscheidungsprozess von der Antragstellung bis zur Entscheidung gedauert.

Die Sonderausstellungen "Eiszeit in Hamburg" und "Lego Zeitreise" stellen das Spielerisch-Pädagogische in den Vordergrund - weniger wissenschaftliche Erkenntnisse. Soll es so weitergehen?

Prof. Weiss:

Wir hatten bei beiden Ausstellungen durchaus mit vielen Besuchern gerechnet. Überraschend ist nur, dass der Erfolg so enorm groß ist. Beide Sonderausstellungen passen perfekt in das Profil des Archäologischen Museums: Wir haben die Zielgruppe Familien mit Kindern ins Auge gefasst. Ich bin davon überzeugt, dass sich unser Profil langsam herumgesprochen hat. Außerdem beobachten wir gerade bei "Lego", dass wir ein bisher eher museumsfernes Publikum erreichen. Wir erleben in unserer Ausstellung, dass sich Eltern zur Mahlzeit im Kreis auf den Boden setzen und belegte Brote aus ihren Rucksäcken auspacken. Ich denke, dass auch unsere Marketingstrategie Erfolge zeigt. Wir nennen uns bewusst nicht mehr Helms-Museum, sondern Archäologisches Museum Hamburg. Das ist auch international verständlich. Unser Publikum aus Deutschland kommt mittlerweile aus einem Einzugsradius von 350 Kilometern zu uns. Mit unserer neuen Corporate Identity erreichen wir Menschen, die als Tagesgäste und Touristen in Hamburg sind.

Was kommt nach Lego?

Prof. Weiss:

Uns erreichen Angebote für Ausstellungen mit Playmobil-Figuren oder Miniaturen. Aber so soll es nicht ständig weitergehen. Das Problem für eine weitere Sonderausstellung in diesem Jahr ist, dass das Geld mit einem Jahr Vorlauf im Jahr 2012 hätte beantragt werden müssen. Damals aber waren wir noch in der Stiftung Historische Museen, und das Archäologische Museum ist bei der Förderung aus dem Ausstellungsfonds leer ausgegangen. Zurzeit haben wir viele Überlegungen für eine nächste Sonderausstellung. Mich würde die Gastausstellung "Fundsache Luther" reizen, sie zeigt archäologische Entdeckungen im Geburtshaus Martin Luthers

Die Leitung der Stadtgeschichte ist zurzeit vakant. Soll die Stelle überhaupt noch besetzt werden?

Prof. Weiss:

Die Ausschreibungsfrist endet am 20. Februar. Täglich gehen bei uns Bewerbungen aus ganz Deutschland ein. Bis Mai wollen wir die Stelle wieder neu besetzt haben. Die Leitung der Stadtgeschichte ist für mich eine wichtige Personalie.

Wollen Sie wie ursprünglich mal vorgesehen eine Dauerausstellung zur Harburger Stadtgeschichte überhaupt noch realisieren? Oder setzen Sie jetzt darauf, Raum für attraktive Sonderausstellungen zu schaffen?

Prof. Weiss:

Wir werden mit dem neuen Leiter oder der neuen Leiterin der Stadtgeschichte über die Neugestaltung der Stadtgeschichte sprechen. Das Museum lebt von den Sonderausstellungsflächen. Damit sorgen wir in ganz Hamburg und bundesweit für Aufsehen. Wir können daher unsere Sonderausstellungsflächen nicht Preis geben für eine Dauerausstellung, die nur ein begrenztes Publikumspotenzial hat. Wir müssen also eine andere attraktive Lösung finden.

Das Museum vergibt in diesem Jahr erstmals einen Musikpreis. Ist das auch Ausdruck der neuen Freiheit?

Prof. Weiss:

Ja, wir können jetzt so agieren, wie wir es für richtig halten. Bisher hatte der Verein "Musik im Gespräch" seit dem Jahr 2006 den mit 1000 Euro dotierten Musikpreis Harburg vergeben. Mit der Auflösung des Vereins im vergangenen Jahr wäre diese Tradition gestorben. Ich meine, das wäre ein Jammer. Das Museum versteht sich auch als Netzwerker in Sachen Kultur im Süden Hamburgs. Deshalb haben wir die Trägerschaft für den Musikpreis übernommen.

Mögen Sie gern Currywurst? Oder wie kam der Imbiss Bruzzelhütte bei der Selbstständigkeitsfeier ins Museum?

Prof. Weiss:

Die Bruzzelhütte genießt Kultstatus in Harburg. Genau diesen Kult-Charme wollten wir bei unserer Feier haben. Deshalb haben wir den Cateringauftrag vergeben. Die Currywurst sendet auch genau die richtige Botschaft aus: Wir müssen haushalten und sind nicht verschwenderisch. Wir wollten bewusst nicht mit Hummer oder Flusskrebs prassen.