Felix Junge wurde vor mehr als fünf Jahren bei einem Grillunfall schwer verletzt. Erst jetzt erhält er Schmerzensgeld, von dem ihm kaum etwas bleibt.

Rosengarten. Immer wenn Felix Junge am Domizil der Freiwilligen Feuerwehr Tötensen vorbei kommt, beschleicht ihn das gleiche mulmige Gefühl. An einem warmen Sommertag im Juni 2007 hätte er hier fast sein Leben verloren. Bei einem Grillunfall wurde der damals 16-Jährige schwer verletzt. Fast ein Drittel seiner Hautoberfläche wies Verbrennungen zweiten und dritten Grades auf. Lang und quälend war aber nicht nur sein Kampf beim Überwinden der körperlichen Verletzungen. Auch die juristische Aufarbeitung des Falls geriet zu einem Marathonlauf. Erst der Bundesgerichtshof setzte dem Verfahren kurz vor dem Jahreswechsel ein Ende. Er sprach Felix Junge ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro plus 8000 Euro Zinsen zu. Dass ihm davon tatsächlich nur 18.000 Euro bleiben, steht auf einem anderen Blatt.

"Ich bin froh, dass dieser ganze Albtraum endlich vorbei ist", sagte Felix dem Abendblatt. Fünfeinhalb Jahre seien seit dem Unfall immerhin vergangen: "Dass sich ein abschließendes Urteil so lange hinzog, hat mächtig an den Nerven gezerrt. Die Ungewissheit über den Ausgang hat mir in vielen Nächten den Schlaf geraubt."

Was am Ende höchstrichterlich in Karlsruhe verkündet wurde, hinterlässt bei dem 21-Jährigen indes Unverständnis und Enttäuschung. Anwalts- und Gerichtskosten haben inzwischen fast 35.000 Euro verschlungen. Hinzu kommen noch diverse Rechnungen für die Nachbehandlungen seiner zahlreichen Narben, die die insolvente Krankenkasse City BKK nicht mehr beglichen hat. "Für mich war immer klar, dass ich meinen Eltern, die stets zu mir gestanden haben, dieses Geld schulde. Und dass ich es ihnen zurückzahle, so schnell ich kann."

Das hat Felix sofort getan, als die Versicherung R+V das Schmerzensgeld nach einem langen Rechtsstreit endlich überwies. Geblieben sind ihm ganze 18.000 Euro. "Wie das am Ende nach so langem Kampf gelaufen ist, lässt mich am Rechtsstaat zweifeln. Das Ergebnis steht in keinem Verhältnis zu allem, was passiert ist", sagt Felix Junge.

Nach dem Grillunfall hatte er mehrere Tage in akuter Lebensgefahr geschwebt. Die aufwendige Therapie seiner großflächigen Verbrennungen geriet zu einem Martyrium. Felix musste sich mehreren Operationen unterziehen. Dabei wurde unter anderem sein linker Oberschenkel vom Knie aufwärts geschält, um frische Haut für notwendige Transplantationen zu gewinnen. "Ich hatte oft wahnsinnige Schmerzen, jede Bewegung war ein Horror."

14 Tage lag Felix auf der Intensivstation und verlor in dieser Zeit 30 Pfund seines Körpergewichts, wog bei einer Größe von 1,81 Metern nur noch 57 Kilogramm. Nach 57 Tagen wurde er entlassen, musste aber noch anderthalb Jahre lang 24 Stunden am Tag eine Kompressionsjacke tragen, egal, ob es draußen bitterkalt oder sehr warm war.

Doch nicht nur der schmerzhafte Genesungsprozess hat Felix enorm belastet. Auch die juristische Aufarbeitung des Unfalls gestaltete sich überaus kompliziert. Weil ausgerechnet der Ortsbrandmeister Karsten Egler Verursacher war und sich das Drama auch noch bei einer dienstlichen Maßnahme des Polizeikommissariats Seevetal/Hittfeld auf dem Gelände der Freiwilligen Feuerwehr Tötensen ereignete, verklagte Felix' Anwalt Jürgen Hennemann zunächst die Gemeinde Rosengarten - auf Zahlung eines Schmerzensgelds von 100.000 Euro. Der Vorstoß erwies sich als Sackgasse: Das Landgericht Stade entlastete die Gemeinde, das Urteil wurde nach einer Berufung vom OLG Celle später bestätigt.

Zuvor hatte Egler den Unfall zwar sofort der Haftpflichtversicherung gemeldet, die R+V lehnte die Regulierung aber kategorisch ab. Eine Rechtsposition, die auch für den Versicherungsrechtsexperten Prof. Robert Koch von der Universität Hamburg unverständlich ist. "Das war unklug, allein schon aus Imagegründen", sagte er dem Abendblatt (siehe Interview). Auch im weiteren Verlauf des Rechtsstreits zog der Versicherer stets alle Register und zeigte sich zu keinem Zeitpunkt kompromissbereit. Jedes Urteil wurde angefochten, ein Vergleichsangebot durch das OLG Frankfurt abgelehnt. So landete der Fall schließlich beim Bundesgerichtshof. "Ich glaube, die Versicherung hat auf Zeit gespielt. Sie wollte uns mürbe machen. Wir haben aber nicht aufgegeben, auch wenn das enorm viel Zeit, Geld und Kraft gekostet hat", sagt Felix.

Seine Narben an Oberkörper und Armen sind inzwischen den Umständen entsprechend gut verheilt. Noch immer spannen und jucken sie, vor allem bei Wetterumschwüngen oder wenn Felix ins Schwitzen kommt. Doch das nimmt der leidenschaftliche Fußballer des SV Bendestorf in Kauf.

Vor kurzem hat der junge Mann seine Lehre zum Einzelhandelskaufmann erfolgreich abgeschlossen und sein Ausbildungsbetrieb, Edeka-Filialist Herbert Meyer, hat ihn sofort unbefristet übernommen. In diesem Jahr will Felix mit seiner Freundin Janina Bohm, 20, eine eigene Wohnung beziehen. Etwas Startkapital hat er jetzt dafür. "Es ist schön, wieder unbelastet nach vorn schauen und Pläne für die Zukunft schmieden zu können, befreit von alten Schulden und Problemen", sagt Felix Junge. Man kann ihm den frischen Optimismus ansehen. Und irgendwann wird vielleicht auch das mulmige Gefühl beim Passieren der Feuerwache Tötensen weichen.