Eine Ausstellung erinnert daran, dass auch in Wilhelmsburg und auf der Veddel viele Menschen im Krieg starben

Die nackten Tabellen der Historiker können das Grauen, das Leid und das Ausmaß der Verwüstung kaum wiedergeben. 25. Juli: zerstörtes Objekt: Wohnspeicher Jupiter; Standort: Nordersand; Art der Zerstörung: völlig zerstört. 28. Juli: Häuserblocks Veddeler Brückenstraße, besonders betroffen: Sieldeich, Tunnelstraße, Peutestraße und Niedernfelder Straße; Feuersturm, Decken stürzen ein, Umfassungsmauern bleiben stehen. 28. Juli: Wohnblock Wilhelmsburger Straße/Passierzettel; besonders heftiger Feuersturm. 28. Juli: Wohnungen am Veddeler Marktplatz; teilweise komplett eingestürzt.

Wir schreiben das Jahr 1943, Hochsommer in Hamburg. Amerikanische und vor allem britische Fliegerverbände haben die größte deutsche Hafenstadt im Visier. "Operation Gomorrha" heißt die Luftoffensive, benannt nach einem Satz aus dem 1. Buch Mose: "Der Herr ließ Schwefel und Feuer regnen auf Sodom und Gomorrha und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner."

Beim zweiten Großangriff der Royal Air Force in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 werden 739 Bomber eingesetzt. Der Schwerpunkt der Bombenabwürfe liegt in den Stadtteilen östlich der Innenstadt. Aus den Flächenbränden entfacht sich, begünstigt durch Hitze und Trockenheit, ein Feuersturm. Die orkanartigen Winde, die am Boden auftreten, fachen die umliegenden Brände weiter an. Die Stadtteile Rothenburgsort, Hammerbrook und Borgfelde werden fast völlig zerstört, auch in Hamm, Eilbek, Hohenfelde, Barmbek und Wandsbek gibt es größere Zerstörungen. Etwa 30.000 Menschen verlieren allein bei diesem Angriff ihr Leben. Insgesamt sterben in Folge der "Operation Gomorrha" mehr als 35.000 Menschen, 125.000 werden verletzt. Es sind die bis dahin schwersten Angriffe in der Geschichte des Luftkrieges.

Dass auch die Elbinseln Ziele der alliierten Bomber während des Zweiten Weltkriegs waren, ist angesichts der unvorstellbaren Anzahl an Toten und Verletzten nördlich der Elbe lange Zeit in Vergessenheit geraten. Jetzt befasst sich eine Ausstellung im Auswanderermuseum Ballinstadt auf der Veddel mit dem Schicksal der Elbinselbewohner während des Zweiten Weltkriegs: "1943: Operation Gomorrha - das Bombardement auf den Elbinseln". Die Ausstellung läuft bis zum 31. März.

"Der Zweite Weltkrieg fand auch auf den Elbinseln seine ganz persönlichen Schicksale", sagt die Historikerin Rebekka Geitner, 28. "Auch hier wurden Familien ihres Heims beraubt, verloren all ihr Hab und Gut, und auch hier starben Menschen im Feuersturm." Insgesamt starben rund 700 Wilhelmsburger bei Luftangriffen - auf der Veddel kamen 300 Menschen ums Leben, davon 150 Kriegsgefangene.

Historiker haben jetzt die Geschehnisse auf den Elbinseln im Juli 1943 zusammengetragen. Während des ersten Angriffs in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli treffen die britischen Bomben die Hansamühle am Neuhöfer Seeschiffskanal. Die Mühle brennt in ganzer Ausdehnung, Feuerwehrleute löschen das Feuer. Viele Ölfirmen, darunter Schliemanns Ölwerke auf dem Kleinen Grasbrook, brennen nieder.

26. Juli: In der Firma Ritz & Co (Neuhofer Brückenstraße) schlagen bei einem Tagesangriff der United States Army Air Forces zwei Sprengbomben ein. Trümmer versperren den Menschen, die im Luftschutzkeller eingeschlossen sind, den Ausweg. Alle 50 Menschen sterben. "Dass es nicht, wie in vielen Bereichen der Innenstadt, zu einem großflächigen Feuersturm und verheerenden Zerstörungen kam, lag vor allem an der weniger dichten Bebauung Wilhelmsburgs", sagt die Historikerin Rebekka Geitner.

27./28. Juli: Die schlimmste Nacht der "Operation Gomorrha" mit 30.000 Toten in Hamburg. Bomber der britischen Royal Air Force zerstören viele Industriebetriebe und deren Lagerhallen. Auch Wohngebäude in Wilhelmsburg und auf der Veddel werden völlig zerstört. Besonders schlimm trifft es die Häuser am Veddeler Marktplatz - hier stürzen fast alle Häuser ein - und Am Gleise - hier wütet ein Feuersturm. Auch an der Ecke Wilhelmsburger Straße/Passierzettel tobt das Feuer.

Phosphor- und Sprengbomben zerstören den Wohnblock gegenüber der Bücherhalle an der Slomanstraße. Bewohner brechen die Türen der Bücherhalle auf, um ihre geretteten Möbel und Haushaltssachen unterzustellen.

Laut einem Lagebericht der Feuerwehr zerstört das Feuer auf der Veddel ungefähr die Hälfte der Häuser. Völlig zerstört werden die Häuser in der Tunnelstraße, Peutestraße, Niedernfelder Straße und Veddeler Brückenstraße.

Die bereits im Mai 1940 getroffene Raffinerie Rhenania-Ossag in der Werftstraße auf Steinwerder brennt fast komplett ab. Bomben treffen auch die ehemaligen Auswandererhallen auf der Veddel. In den Hallen sind Kriegsgefangene vor allem aus Frankreich, Belgien, der Sowjetunion, Polen und Serbien untergebracht.

Rund 4000 Wohnungen sind während des Zweiten Weltkriegs auf den Elbinseln zerstört worden. In den letzten beiden Kriegsjahren kam es vor allem wegen der Bedeutung der Wilhelmsburger Industrie als einem der wichtigsten Mineralstofflieferanten zu gezielten Angriffen auf einzelne Firmenstandorte. Und kurz vor Kriegsende schlugen die Alliierten noch einmal zu: Bei einem Fliegerangriff am 22. März 1945 starben alleine in Wilhelmsburg und im Hafengebiet noch einmal 150 Menschen. Für sie kam die Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 knapp sieben Wochen zu spät.

"1943: Operation Gomorrha - das Bombardement auf den Elbinseln" Auswanderermuseum Ballinstadt, Veddeler Bogen 2, bis 31. März 2013, 10 bis 16.30 Uhr.