Das Team der Schule Maretstraße gewann bei einem Integrationswettbewerb ein Gesangscoaching mit dem Shootingstar Andreas Bourani.

Harburg. Das ist doch alles "Nur in meinem Kopf" mag sich mancher Schüler der Schule Maretstraße im Phoenix-Viertel am Montagmorgen gedacht haben. War das da eben auf dem Flur nicht Sänger Andreas Bourani? Gewissheit gab es um die Mittagszeit, als der 29 Jahre alte Shootingstar in der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula ein umjubeltes Unplugged-Konzert gab. Und das Auditorium mit seiner gefühlvollen Ballade "Nur in meinem Kopf", mit der er auf Anhieb 35 Wochen in den deutschen Charts platziert war, restlos begeisterte.

Begleitet wurde der gebürtige Augsburger von jenem Schulteam, das den Besuch des Singer-Songwriters überhaupt erst möglich gemacht hatte. Mit dem Musikvideo zu ihrem Rap-Song "Jeder ist anders, doch alle sind gleich" hatten sich die Mädchen und Jungen der Klassen vier bis sechs beim Integrationswettbewerb "Alle Kids sind VIPs" der Bertelsmann-Stiftung beworben und im vergangenen Jahr einen von elf Hauptpreisen gewonnen. Der wurde nun mit einem Gesangscoaching durch Andreas Bourani eingelöst. "Dass wir mit unserem Projekt so viel Erfolg haben würden, hätte ich nie für möglich gehalten", sagte Lehrer Marco Schönbrunner, 45, sichtlich stolz.

Dabei sei es ganz am Anfang lediglich um die Frage gegangen, was Kinder bräuchten, um ein gesundes Leben führen zu können. Doch dann habe sich Djabrou, dessen Eltern aus Togo stammen, gemeldet, und erzählt, dass er auf der Straße als "Nigger" beschimpft worden sei. Das habe ihn tief getroffen und traurig gemacht. "Die Episode war wie ein Dammbruch", sagt Schönbrunner. "Türkische Mädchen berichteten, sie dürften nach der Schule kaum noch das Haus verlassen und müssten viel Hausarbeit verrichten, während ihre Brüder draußen spielen würden." Und ein anderer Junge habe sich beschwert, dass er wegen seines Übergewichts ständig ausgelacht werde.

Für viele Jungen und Mädchen der Schule Maretstraße, von denen etwa 70 Prozent Migrationshintergrund haben, gehören solche Erfahrungen zum Alltag. "Damit aber wollten sie sich nicht mehr abfinden. Sie haben gemeinsam überlegt, wie sie ihre Wut thematisieren können. Am Ende Stand das Lied ,Jeder ist anders, doch alle sind gleich'. Das wirklich eine Teamarbeit ist, weil tatsächlich alle am Text und später auch mit Ideen an der Videoproduktion mitgewirkt haben", so Schönbrunner.

Andreas Bourani, Sohn einer deutschen Mutter und eines ägyptischen Vaters, hat in seiner Schulzeit selbst Erfahrungen mit Ausgrenzung und Diskriminierung gemacht. "Meine Hautfarbe und mein Lockenkopf haben oft Angriffsfläche für dumme Sprüche geboten, die mich sehr verletzt haben. Das hat schon viel mit mentaler Gewalt und damit seelischer Gesundheit zu tun", sagte er dem Abendblatt. Deshalb war er nicht nur vom Song, sondern auch von seiner optischen Umsetzung total begeistert: "Die Harburger Schüler haben das Thema einfach klasse umgesetzt. So ein Projekt schult die Empathie und hat ihnen eine wunderbare Gelegenheit gegeben, gemeinsam etwas zu bewegen."

Es sei einfach wichtig, so Bourani, eigene Vorurteile immer wieder zu hinterfragen und zu durchbrechen. In diesem Sinne hat sich wohl auch bei den jungen Protagonisten selbst einiges verändert. "Früher haben wir gelacht, wenn jemand anders war, wenn jemand blöde Klamotten oder eine komische Frisur hatte", sagt Jennifer Mamudova, die serbische Wurzeln hat. "Heute gucken wir erst mal, ob der andere nett ist." Die elfjährige Maryam Arraki, Tochter einer tunesischen Mutter und eines irakischen Vaters, wusste derweil zu berichten, dass sie heute in der Schule weit weniger auf ihr schwarzes Kopftuch angesprochen werde: "Es gehört nun mal zu meiner Religion. Ob ich es trage, ist meine Entscheidung. Das wird von vielen Mitschülern heute viel eher toleriert."

Das Video habe aber offenbar auch bei ihren Eltern etwas verändert. Die seien nicht nur sehr stolz auf sie gewesen. "Seitdem müssen auch meine beiden Brüder zu Hause Dinge machen, die früher nur von uns drei Schwestern erledigt wurden", sagt Maryam.

Junge Migranten verlassen die Schule bis zu dreimal häufiger als deutsche Jugendliche ohne einen Abschluss. Ihre Erwerbslosenquote ist doppelt bis dreimal so hoch als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Dass der Bildungserfolg noch immer stark mit der Herkunft verknüpft ist, nahm auch Andreas Bourani zum Anlass, sich für die Initiative "Alle Kids sind VIPs" zu engagieren. "Niemand sollte wegen der Farbe seiner Haut ein Außenseiter sein. Jeder muss die gleichen Chancen und den gleichen Zugang zu Bildung haben", sagt Bourani. Nur wer diese Möglichkeit habe, könne seine Talente entfalten. "Und nur wer seine Talente kennt, kann sich auf die Reise machen, seine Träume zu verwirklichen."

So coachte er seine Harburger Schützlinge denn mit Ernsthaftigkeit, Professionalität und großem Einfühlungsvermögen. Von den Lockerungs- und Atemübungen bis zum sauberen Artikulieren der Vokale. "Auch wenn ich lieber Fußball spiele, diese Übungsstunde mit Andreas hat riesigen Spaß gemacht", sagte Ange Akoly, 13, dessen Eltern aus Togo kommen. Andreas Bourani hat das über alle Maßen gefreut: "Musik kennt eben keine Vorurteile. Sie ist eine universelle Sprache, die jeder versteht und die direkt ins Herz geht."