Stadtteilschule Stübenhofer Weg meldet verstärkt Bedarf an Hallenzeoiten an. Kampfsportverein Bojutsu Bushido zieht den Kürzeren.

Wilhelmsburg. Das Judo-Training beginnt für die bis zu zwölf Jahre alten Jungen und Mädchen mit einer Enttäuschung. In sieben Tagen sei die Sporthalle besetzt, verkündet Norbert Jordan. Das bedeutet: Eine Übungseinheit fällt aus. Nicht zum ersten Mal. Mit der bei der asiatischen Kampfkunst üblichen Höflichkeit meldet sich ein Mädchen aus der Gruppe und fragt: "Warum?" Er wisse es nicht, antwortet der Trainer und Vorsitzende des Vereins Bojutsu Bushido.

Der kleine Wilhelmsburger Kampfsportverein zieht in einem Konflikt um die Nutzung der Einfeldsporthalle auf dem Gelände der Stadtteilschule Stübenhofer Weg in Kirchdorf-Süd den Kürzeren. Die Schule benötigt die Turnhalle zunehmend auch am späten Nachmittag selbst. Ein Nutzungskonflikt zwischen Schulen und Sportvereinen um städtische Sporthallen ist eine Entwicklung, die sich offenbar im gesamten Bezirk Hamburg-Mitte zeigt. "Wegen der gewünschten Ausweitung des Ganztagsschulangebotes fallen Hallenzeiten weg", bestätigt eine Sprecherin des Bezirksamtes.

Aber müssen Sportvereine bei der Sportstättennutzung automatisch gegenüber den Schulen zurückstecken? Die Gemeinsame Dienstvorschrift zur "Überlassung und Benutzung von Schulsportstätten" regelt das Konkurrenzverhältnis. Demnach stellt die Freie und Hansestadt Hamburg Sportstätten staatlicher Schulen zur Verfügung, wenn dadurch schulische oder andere öffentliche Aufgaben nicht beeinträchtigt werden.

Konkret löst die Dienstvorschrift den Konflikt so: Schulen haben bis 17 Uhr bei der Nutzung den Vorrang. Nach 17 Uhr jedoch kippt die Waage zugunsten der Sportvereine. Schulsportstätten stehen grundsätzlich montags bis freitags von 17 bis 22 Uhr für außerschulische Nutzung zur Verfügung, heißt es in der Dienstvorschrift der Behörde für Bildung und Sport.

Die etwa 20 Kinder des Vereins Bojutsu Bushido trainieren dienstags und donnerstags ab 17.15 Uhr, die elf Erwachsenen jeweils um 19 Uhr. Also immer außerhalb der Vorrangzeit der Schule. Der Sportvereinsvorsitzende Norbert Jordan kann nicht verstehen, dass er bisher allein in diesem Januar an zwei Tagen das Training absagen musste. "Wir werden nicht gefragt. Die Schule diktiert uns das", sagt er.

Oft erfahre der Sportverein nur kurzfristig davon, wenn die Stadtteilschule die Turnhalle, in ihr ist auch eine Theaterbühne integriert, auch nach 17 Uhr für sich beanspruche. "Wir kommen in die Halle, und überall sind Stühle aufgebaut", nennt Norbert Jordan ein Beispiel des Nutzungskonflikts aus der jüngsten Zeit.

"Wir können den Hausmeister nicht um sechs Uhr morgens aus dem Bett holen und ihn die Bestuhlung für eine Theateraufführung aufbauen lassen", erklärt Schulleiter Kay Stöck. Deshalb müsse das schon einen Tag vorher geschehen. Der Schulleiter der Stadtteilschule fühle sich nicht wohl dabei, mit Sportvereinen in Konkurrenz um die Hallenzeiten treten zu müssen. Aber was solle er tun? "Wir haben den Anspruch den Eltern, ihre Kinder bis 18 Uhr zu betreuen", sagt Kay Stöck. Der Ausbau des Ganztagsschulbetriebs sei von der Gesellschaft gewollt. "Wir haben 600 Schüler im Ganztagsschulbetrieb", sagt Kay Stöck. Da müsse abgewägt werden.

Den Vorwurf des Sportvereins Bojutsu Bushido, die Schule nehme ihm willkürlich Hallenzeiten weg, lässt der Schulleiter nicht auf sich sitzen. Er habe Verständnis für den Sportverein. "Wir zeigen uns entgegenkommend", sagt Kay Stöck.

In seiner mehr als 20 Jahre langen Geschichte hat der Wilhelmsburger Kampfsportverein, heute ein reiner Judo-Verein, immer wieder seine Trainingsstätte wechseln müssen. Der Wilhelmsburger Verein hatte sogar vorübergehend Asyl in Harburg gefunden. Der Harburger TB gab ihm Platz zum Trainieren. "Wir haben uns die Trainingszeiten erobert", sagt Norbert Jordan. Vereinsmitglieder hätten die Sporthallen in Wilhelmsburg aufgesucht und anschließend dem Bezirksamt vorgerechnet, wann und wo welche Hallen ungenutzt seien.

Trainer im Verein Bojutsu Bushido erhalten nicht einmal eine Aufwandsentschädigung. Der kleine Verein mit 31 Mitgliedern hat nach eigenen Angaben ein Monatsbudget von 126 Euro. Damit zahlt er die Beiträge zum Hamburger Judoverband und dem Hamburger Sportbund. "Wir haben nicht das Geld und die Lobby", sagt Norbert Jordan. Aus seiner Sicht ein Grund dafür, dass dem Verein Trainingszeiten genommen werden.

Der frühere Bundesliga-Judoka Norbert Jordan, Spitzname: "Bonzai Schwergewicht", sieht sich nicht nur als Übungsleiter, sondern auch als Erzieher in Kirchdorf-Süd, einem Quartier, das nicht den besten Ruf genießt. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Sozialarbeit, die nichts kostet, nichts wert sein soll", sagt der 57-Jährige.

Wer sei eigentlich der Hausherr der Sporthalle Stübenhofer Weg, fragt Norbert Jordan. Gehöre die Halle einem Schulleiter oder der Stadt? Die Dienstvorschrift der Hamburger Behörde für Bildung und Sport beantwortet das recht eindeutig. Dort heißt es: "Die Entscheidung über die Überlassung und Benutzung von Schulsportstätten sowie über Ausnahmeregelungen treffen die Bezirksämter."