Antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte ist bei Nachbarn kaum bekannt, Insider auf der ganzen Welt schätzen sie.

Holm-Seppensen. In Seppensen, gleich hinter den Schienen der Heidebahn, gibt es ein Haus, das sogar für seine direkten Nachbarn lange Zeit ein großes Rätsel war. Hohe Bäume umsäumen die Einfahrt, von der Straße aus ist nahezu nichts zu erkennen. Wer nicht weiß, dass sich hier, im Ortsteil Holm-Seppensen der Stadt Buchholz, ein deutschlandweit einmaliger Ort für politisch Verfolgte etabliert hat, würde auch heute glatt vorbeifahren. "Heideruh" heißt dieser Ort. Auf den Schildern, die nur an wenigen Stellen auf das Gebäude hinweisen, ist zwar der vorsichtige Zusatz "Erholungsheim" zu finden, aber was für ein besonderes Erholungsheim soll das schon sein, denkt man unweigerlich.

Ein Besuch bei Geschäftsführerin Bea Trampenau und ihrem Team macht schnell klar, wie daneben man mit dieser Einschätzung liegt. Seit 2010 hat ein Forscherkollektiv in Zusammenarbeit mit dem Studiengang Museumskunde der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin die Geschichte der Heideruh erkundet. Das Ziel steht klar vor Augen: "Wir wollen als offizieller Gedenkort des politischen Widerstands in Deutschland anerkannt werden", sagt Bea Trampenau. Die Lage an der Heidebahn, die zu Zeiten der Nationalsozialisten Verbindungsstrecke zwischen den Konzentrationslagern Neuengamme und Bergen-Belsen war, soll dabei eine wichtige Rolle spielen.

Vor drei Jahren hat die 51-Jährige ihr Amt als Geschäftsführerin angetreten und seitdem kontinuierlich daran gearbeitet, das in den 1920er-Jahren erbaute Haus aus seiner jahrzehntelangen, selbst gewählten Isolation zu lösen. Gerade weil Heideruh politisch Verfolgten eine Heimat bot und bietet, sollte es eher versteckt bleiben. Die Menschen sollten dort sicher sein, auch vor möglichen Übergriffen aus der rechten Szene. Doch weil die Betroffenen immer älter und weniger wurden, hatte sich dieser Zweck mit der Zeit überholt. Der rund 250 Mitglieder zählende Trägerverein, dessen Mitglieder zu einem Viertel älter als 90 Jahre alt sind, musste neue Wege gehen - und fand sie.

Die Arbeit der Forschungsgruppe um Professor Oliver Rump, selbst Holm-Seppenser, ist nun ein wichtiger Schritt in die Öffentlichkeit, ein weiterer ist der Holocaustgedenktag der Stadt Buchholz am Sonntag, 27. Januar. Erstmals wird ihn in diesem Jahr die antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh, so die vollständige Bezeichnung des Hauses, ausrichten. Um 11.30 Uhr soll die Ausstellung der Forschungsergebnisse in der Stadtbücherei an der Kirchenstraße eröffnet werden, im Anschluss ist ein Tag der offenen Tür in der Einrichtung geplant.

Wofür aber steht nun Heideruh überhaupt? In erster Linie ist es ein Ort des Rückzugs. Ende der 20er- und Anfang der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war es ein "Widerstandsnest" für Antifaschisten, später bot es unter anderem Kindern von chilenischen, argentinischen und bolivianischen Verfolgten eine Unterkunft auf Zeit und fungierte als Erholungsheim für ehemalige Widerstandskämpfer oder Kommunisten. "Die Verfolgten konnten hier einfach mal aufatmen", sagt Bea Trampenau, die selbst einen Vater hat, der von den Nationalsozialisten Anfang der 30er-Jahre als Kommunist festgenommen und erst von den Alliierten aus dem KZ Wolfenbüttel befreit wurde. In Deutschland habe es noch einige andere Erholungsorte dieser Art gegeben, fügt sie hinzu. Nur Heideruh habe es aber geschafft, sich bis heute zu halten.

Hohe Priorität hat für die Geschäftsführerin nun, den Missstand zu beheben, dass die Erholungsstätte zwar bei Antifaschisten weltweit bekannt ist, aber nicht bei den Einheimischen in Holm-Seppensen und im Landkreis Harburg. Sie hat die "Harburger Kaffeerunde gegen Rechts" ins Leben gerufen, sich bei ihren Nachbarn vorgestellt und sie in die Arbeit mit eingebunden - "Eine Frau hat mir erzählt, dass sie immer gerätselt hat, wer wir überhaupt sind" - und das Haus für internationale Workcamps geöffnet. Im vergangenen Jahr haben Jugendliche von der Friedens- und Freiwilligenorganisation Service Civil International (SCI) einen Generationenspielplatz und Barfuß-Pfad angelegt. Das Gerücht, das Haus wäre ein seltsames Kommunisten- und Alte-Männer-Heim soll endlich widerlegt werden. "So öffentlich wie jetzt war Heideruh noch nie", sagt sie.

Biografiekurse, Zeitzeugenbefragung und Geschichtswerkstätten sollen dem Ort nun einen stärkeren Seminarcharakter geben. Gleichwohl betont Bea Trampenau, dass Heideruh mit seinen sechs Mitarbeitern nach wie vor ein Vollpensionsbetrieb mit 40 Betten ist. Die Gäste können in Zimmern nächtigen, von denen einige noch den speziellen "Heideruh-Charme" haben, wie sie die 60er-Jahre-Ausstattung nett umschreibt.

Gäste können an Raclette-Abenden ebenso teilnehmen wie an Kutschfahrten mit Bratäpfel-Essen und einer Wanderung zum Brunsberg, nur bei Nazi-Sprüchen versteht die Geschäftsführerin keinen Spaß. "Da würde ich von meinem Hausrecht Gebrauch machen." Jeden Gast weist sie deshalb zu Anfang darauf hin, dass Heideruh in erster Linie eine antifaschistische Stätte ist.