Stadtteilschulen und Gymnasien in Harburg werben offensiv um die Gunst neuer Schüler. Der Trend geht offenbar zur Stadtteilschule.

Harburg. Stadtteilschule oder Gymnasium - vor dieser Frage stehen in diesen Wochen 1460 Harburger Viertklässler und deren Eltern. In der ersten Februarwoche müssen sie sich entscheiden, welche weiterführende Schule die richtige ist. Hilfestellung gibt es an den kommenden drei Wochenenden reichlich, wenn sechs Gymnasien und sieben Stadtteilschulen ihre Pforten öffnen, um sich und ihre Profile offensiv zu präsentieren.

Dabei zeichnet sich schon jetzt ein interessanter Trend ab. Gab es noch vor einigen Jahren einen regelrechten Run der Grundschüler auf die Gymnasien, erfreuen sich jetzt die Stadtteilschulen zunehmender Beliebtheit. Laut Thorsten Altenburg-Hack von der Regionalen Schulaufsicht verzeichneten die Stadtteilschulen bereits fürs aktuelle Schuljahr mit 53 Prozent aller gewechselten Fünftklässler einen größeren Zulauf als die Gymnasien - Tendenz steigend.

Stephanie Dekker, Abteilungsleiterin für die Klassen 5 bis 7 an der Lessing-Stadtteilschule hat schon beim "Marktplatz" der weiterführenden Schulen Ende vergangenen Jahres festgestellt, dass Stadtteilschulen erstmals nicht mehr als zweite Wahl wahrgenommen würden: "Es gibt jetzt deutlich weniger Vorbehalte bei den Eltern."

Holger Böhm, der für die SPD in der Harburger Bezirksversammlung sitzt, wundert das nicht. Sicher hätte es bei der Einführung im August 2010, als die Stadtteilschulen die Haupt-, Real- und Gesamtschulen ersetzten, viele Vorbehalte gegeben: "Natürlich gab und gibt es hier und da gewisse Anlaufschwierigkeiten. In Wahrheit aber sind die Stadtteilschulen weit besser als ihr Ruf."

Böhm muss es wissen, ist er als Vater zweier (Stadtteilschul-)Kinder und Elternvertreter an der Stadtteilschule Fischbek/Falkenberg doch "ganz nah" dran. "Die Stadtteilschulen bieten mehr, als mancher wahrhaben will", sagt Böhm. So habe sich die Schule seiner Kinder Nele, 13, und Florian, 16, mit ihrer Orientierung auf Leistungssport ein erfolgreiches Profil gegeben. Doch auch das Musikprofil mit dem überaus erfolgreichen Chorprojekt "BlueVoice" hätte der Schule bereits viele neue Kinder beschert.

An der Lessing-Stadtteilschule gibt es seit zwei Jahren zum Beispiel das Wahlpflichtfach Glück. Entwickelt hat es Lehrerin Peggy Knopf. Es geht um Rollenspiele, Gefühle und gegenseitiges Vertrauen, zum Konzept gehören aber auch Diskussionen zu Themen wie Respekt, Dankbarkeit und Freundschaft sowie ganz praktische Anti-Aggressionsübungen zur Gewaltprävention.

Für Schulleiter Rudolf Kauer ein wichtiger Baustein beim Schwerpunkt soziales Lernen, hat er doch ein "erhebliches Sozialisierungsdefizit" bei vielen Schülern ausgemacht. Doch auch am Unterrichtssystem selbst wurde intensiv geschraubt. So haben 90-Minuten-Blöcke die Unterrichtsstunden von 45 Minuten Länge abgelöst. "Zudem werden pro Tag nicht mehr als drei Fächer unterrichtet, damit sich die Schüler besser auf die Lerninhalte konzentrieren können", sagt Kauer.

Doch es gibt noch einen weiteren Aspekt, der den Stadtteilschulen viel Aufwind beschert hat: Dort können die Schüler nicht nur den Ersten und den Mittleren Allgemeinbildenden Schulabschluss erwerben, sondern auch das Abitur. Und zwar nach 13 und nicht wie an Gymnasien schon nach zwölf Jahren.

"Der Kampf um die Oberstufe ist ja ganz bewusst geführt worden und ein enormer Gewinn für die Stadtteilschulen", sagt Holger Böhm. Dass die Schüler dort ohne eine zu frühe Festlegung auf einen bestimmten Abschluss ohne Druck lernen und sich entwickeln könnten, sei in jedem Fall ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Wie auch die Tatsache, dass es nun de facto die Möglichkeit gebe, die gesamte Schulzeit an einer Schule zu absolvieren; an der Stadtteilschule Fischbek/Falkenberg gibt es auch eine Grundschulabteilung. So überrascht es nicht, dass der Böhmsche Familienrat bei Neles Schulwechsel seinerzeit einstimmig für die Stadtteilschule votierte.