Seit 20 Jahren lebt und arbeitet der in der Slowakei geborene Maler mit schwedischen Pass viele Monate im Jahr in dem Heimfelder Hotel.

Heimfeld. Vladimir Kamendy ist ein fröhlicher Mensch. Daran kann nicht mal das Hamburger Einheitsgrau dieser Tage etwas ändern. Vielleicht liegt es auch daran, dass er gerade vom Karibik-Eiland Curaçao ins nasskalte Norddeutschland zurückgekehrt ist, noch ganz beseelt von Sonne, Meer und wohligen 28 Grad Celsius - im Schatten, versteht sich. Beschwingt schreitet der 57-Jährige durch die Gänge des Hotels Lindtner in Heimfeld, grüßt hier einen alten Bekannten, führt dort einen Small Talk mit einer eleganten Dame. Kamendy fühlt sich sichtlich ganz wie zu Hause. Das ist er schließlich auch - der "Lindenberg vom Lindtner".

So, wie der kultige Panikrocker Udo das Atlantik an der Außenalster als seinen Hauptwohnsitz angibt, residiert Kamendy in Harburgs First-Class-Herberge. Das hat dem Maler sogar eigene Visitenkarten drucken lassen. Auf denen firmiert der gebürtige Slowake mit schwedischem Pass als "Artist in Residence". Viele Monate im Jahr verbringt der Künstler hier und gehört damit gewissermaßen zum Inventar.

"Das Lindtner ist der ideale Platz für meine Bilder", sagt Kamendy und meint das auch so. Nicht nur, weil die meisten tatsächlich im "weißen Haus" an der Heimfelder Straße entstanden sind. Er liebt es einfach. Wegen seiner Architektur. Und wegen seiner "besonderen Atmosphäre", die durch viele liebevoll arrangierte Deko-Details geprägt ist. Vor allem aber wegen des einzigartigen Hofgartens mit den gepflegten alten Bäumen. Für Kamendy sind Haus und Hof steter Quell der Inspiration: "Hierhin flüchte ich mich auch, wenn es mir draußen zu turbulent und zu bunt wird."

Zum Beispiel in diesen Tagen rund um Weihnachten und den Jahreswechsel. Von Besinnlichkeit könne er in der Stadt wenig spüren. Da liege ihm das schwedische Luciafest deutlich näher. Immer bereits am 13. Dezember wird es zelebriert. Die Schweden kleiden sich dann in weiße Gewänder, entzünden viele Kerzen, verzehren traditionell Safrangebäck (Lussekatter), singen alte Lieder und wählen schließlich eine Lucia aus ihrer Mitte, die zur Krönung den Kerzenkranz auf dem Kopf trägt. "Das ist schlicht und protestantisch, das gefällt mir", sagt Kamendy.

Schweden, das war lange das Land seiner Träume. Damals, als er noch in seiner Heimat, der Slowakei, wohnte. Geboren in Bratislava, erlebte der Sohn eines Architekturprofessors und einer Fernsehjournalistin zunächst die "frische Luft des Prager Frühlings", die Ahnung von Freiheit und Demokratie. Und litt dann umso mehr, als russische Panzer die Hoffnungen seiner Landsleute niederwalzten. "Das war eine dumpfe, eine bleierne Zeit", erinnert sich Vladimir Kamendy, "auch und gerade für Künstler". Vor allem für solche wie ihn.

Der sozialistische Realismus war dem erklärten Anhänger abstrakter Malerei ein Graus. Weil er schon als Fünfjähriger lieber malte, was er wollte, und nicht das, was er sollte: "Einmal musste ich zum ersten Mai für eine Garnfabrik einen fünf Meter hohen Lenin malen. Da habe ich mir geschworen: Das machst du nie wieder." 1978 nutzte er eine Studienreise nach Schweden zur Flucht. In Kungshamn, einem kleinen Fischerdorf auf einer Halbinsel an Schwedens Südwestküste, ist er schließlich "gestrandet".

"Ich hatte damals eine große Sehnsucht nach Einsamkeit. Zum nächsten Nachbarn waren es drei Kilometer, zum Lebensmittelladen sechs Kilometer. Es gab keine Missgunst und keinen Neid, nur das Rauschen der Wellen und das Murmeln des Windes - Kungshamn war einfach der ideale Ort für mich", sagt Kamendy. Hier habe er zu sich selbst gefunden und seinen eigenen Malstil entwickelt.

Der hat ihn dann bekannt gemacht. In Berlin ebenso wie in Harburg, wo bis zu 50 seiner Werke allein das Lindtner schmücken. Aber auch in New York, wo hoch über der Third Avenue vor einigen Jahren eine Auktion nur mit seinen Bildern stattfand. Zehn namhafte Anwälte hätten das Ganze organisiert und dazu 100 Kunstliebhabe aus dem Big Apple eingeladen. "Einer der Anwälte lud mich später in sein Büro ein. Dort hat er dann den Picasso über seinem Schreibtisch abgehängt und dafür einen Kamendy aufgehängt. Das verschaffte mir schon ein gutes Gefühl", sagt Kamendy.

Seine abstrakten Bilder wirken in ihrer Komposition oft ruhig, strahlen andererseits aber viel positive Energie aus. Das mag auch daran liegen, dass so gut wie jedes Werk mehrschichtig ist. Bei der ersten Ebene kann es schon mal passieren, dass der Maestro im emotionalen Überschwang zusticht, die Leinwand aufschlitzt oder tiefe Kratzer auf der Farbschicht hinterlässt. Nicht selten werden die Bilder mehrfach übermalt, bis sie nach Jahren ihre finale Fassung finden.

"Mit den Narben, aber auch aufgeklebten, collagenhaften Elementen entsteht eine Lebendigkeit. Sie dokumentieren einen Entwicklungsprozess und die Kämpfe, die ich bei jedem Bild mit mir selbst ausfechte", erklärt Kamendy. Der sich in seiner Farb- und Formenlehre von Männern wie Paul Klee, Yves Klein, Wassily Kandinsky und Antoni Tàpies beeinflusst sieht.

Kamendys Art, sein Grundthema "Hoffnung und Licht" in den Bildern immer wieder durchscheinen zu lassen, hat Hotelchefin Heida Lindtner und deren Mann Gert Thies-Lembke vor 20 Jahren dazu bewogen, den Künstler mit der ungebändigten Mähne zum Haus- und Hofmaler zu machen. Inzwischen gibt der polyglotte Weltbürger sein Können regelmäßig im "Sommeratelier" an passionierte Freizeitmaler weiter. Die Workshops im Hotel sind sehr gefragt und zumeist schnell ausgebucht. Weil Vladimir Kamendy nicht nur viel von der Kunst des Malens versteht. Sondern diese auch anekdotenreich und fröhlich zu vermitteln weiß.