Stadt wirbt sogar im Ausland für Aktion „Giebel im Licht”. Die Marketing GmbH sucht Wege, Hauseigentümer zum Mitmachen zu animieren.

Lüneburg . Das Konzept gibt es seit Jahrzehnten. Und doch ist es für viele nicht mehr selbstverständlich: Die Weihnachtsbeleuchtung an den Lüneburger Fassaden, in dieser Form einzigartig in Norddeutschland, weist immer mehr Lücken auf. Die städtischen Marketingleute appellieren daher an Geschäftsleute und Hausbesitzer, sich im nächsten Jahr wieder an der freiwilligen Aktion zu beteiligen. Das Problem: Viele Eigentümer wohnen nicht in Lüneburg, ihre Adressen sind den Werbern unbekannt.

Mit der Verheißung "Giebel im Licht" wirbt die schöne Hansestadt mit ihren 1300 Denkmälern für ihre Adventsbeleuchtung und den Weihnachtsmarkt auf dem Rathausplatz, nicht nur in Norddeutschland, auch in England und Dänemark. Ziel des Konzepts ist eine einheitliche, schlichte Beleuchtung der Innenstadtgiebel mit Glühbirnenleisten an den Fenstern. Doch längst nicht alle Fassaden lösen das Versprechen ein.

Wie es prächtig funktionieren kann, ist auf dem Marktplatz rund um den Weihnachtsmarkt vor der barocken Fassade des Rathauses zu bewundern: Patrizierhäuser und Neubauten aus dem vergangenen Jahrhundert verschmelzen in Dämmerung und Dunkelheit zu einer einheitlich romantischen Umrandung der Buden.

Die Sparkasse Lüneburg, Eigentümerin einiger Häuser am Markt, hat sogar ein im Umbau befindliches Gebäude ausleuchten und dafür neue Stromleitungen legen lassen. "Der Aufwand war immens", sagte ein Sprecher dem Abendblatt. "Doch damit das Gebäude gemeinsam mit den anderen einen optischen Rahmen für den Weihnachtsmarkt bilden kann, haben wir gern unseren Beitrag geleistet." Ihren Beitrag zum Lichtkonzept aber scheuen immer mehr Kaufleute.

Nicht Dirk Michael Habor, Buchhändler in dritter Generation. Er hat schon als Jugendlicher Tannenzweige zwischen die Leuchtleisten am Familiengeschäft gesteckt und will auf das Konzept keinesfalls verzichten. "Die Giebel im Licht sind etwas Einmaliges und wirklich Besonderes", sagt er. "Allerdings nur in ihrer Gesamtheit." Der Aufsichtsratsvorsitzende der städtischen Marketing GmbH spricht daher auch selbst Nachbarn an, deren Fenster dunkel bleiben. "Doch bei Filialisten ist das nicht immer ganz leicht. Dabei kommt es auch ihnen zugute."

Nicht nur Filialisten sind ein Problem, sondern auch Hausbesitzer, sagt Stefan Wabnitz, Inhaber zweier Wein-Geschäfte in der Innenstadt. Er selbst hat an seinem Weinkontor in der Fußgängerzone jedoch auch keine Lichterleisten angebracht. Aus "Zeitgründen", weil sein altes System nicht mehr funktioniere. Gleichzeitig sieht der zweite Vorsitzende der Lüneburger Kaufleute ein "generelles Problem": Es stehen Investitionen an. Bei allen, deren Glühbirnen nach und nach kaputt gehen. Von der Marketing GmbH fordert Wabnitz daher Unterstützung für die Geschäftsleute, zum Beispiel einen zentralen Einkauf mit anschließender finanzieller Beteiligung. "Ein Arbeitskreis wäre wohl das Einfachste. Die Chance, dass das alte System mit Glühbirnen nicht mehr funktioniert, sollte man nutzen. Der große Wurf ist noch nicht gekommen, muss uns aber gelingen." Dass das Konzept an den Kosten scheitern könnte, lässt Konrad Gelinsky nicht gelten. Der Seniorchef eines seit 110 Jahren bestehenden Taschengeschäfts sagt: "Das sind Kleckerbeträge im Vergleich dazu, was in den Läden und Schaufenstern an Energie verpulvert wird."

Dass sich ganze Häuserfluchten nicht beteiligten und der Aufruf der Marketing GmbH an ihnen abgeprallt ist, nennt der Geschäftsmann eine "Sauerei". Gelinsky vermutet Faulheit und Gleichgültigkeit als Gründe. "Das ist sehr bitter. Von der nötigen Solidarität merkt man nichts. Vor 40 Jahren hat sich noch jedes Haus beteiligt. Da gab es keine Zahnlücken wie heute." Aber damals wohnten auch noch die Ladeninhaber über ihren Geschäften.

Heute wissen bei vielen Häusern nicht mal die Nachbarn, wem sie gehören. An einem Kataster arbeitet daher mit Hochdruck die Marketinggesellschaft gemeinsam mit der Leuphana Universität Lüneburg. Studenten sollen Daten erheben und damit zukünftige Appelle vereinfachen.

Denn Lüneburgs Marketingchef Stefan Pruschwitz will an der Freiwilligkeit (noch) nicht rütteln. "Giebel im Licht wird weniger, das stimmt. Wir setzen jedoch weiterhin auf unsere Aufrufe und danken denen, die mitmachen." In Richtung der schwarzen Schafen sagt er: "Die hohen Mietpreise sind nur zu erzielen, wenn es dem Handel gut geht."

Um erleuchtete und dunkle Fassaden zu erfassen, fotografiert der Citymanager in diesen Wochen jedes Haus. Erst dann können die Werber überhaupt ausrechnen, was eine dezentral organisierte Beleuchtung kosten würde. Schon jetzt weiß Pruschwitz aber, dass die Marketinggesellschaft das nicht bezahlen kann: "Ich schätze 150 000 bis 200 000 Euro jährlich ohne Anfangsinvestition. Und das ist für uns nicht leistbar."

Auch das Rathaus setzt darauf, dass im nächsten Jahr wieder mehr Geschäfte mitmachen - auch wenn die Verwaltung kaum eine Handhabe hat. "Wir können niemanden zwingen", sagt Sprecher Daniel Steinmeier. "Wir achten jedoch darauf, dass bei der Weihnachtsbeleuchtung kein Wildwuchs entsteht à la Disneyland."

Die Gestaltungssatzung der Stadt, die die Größe jeder Markise und jedes Blumenkübels vor den Läden regelt, regelt auch die Adventsbeleuchtung. Und wer sein Geschäft weihnachtlich schmücken will, muss sich mit den Denkmalschützern einig werden. Die wiederum weisen die Geschäftsleute auf das Konzept "Giebel im Licht" hin. Aber wie gesagt: Es ist freiwillig.