Ein acht Meter breiter Grandweg könnte für die geplante Kita am Harburger Rathausplatz zur unüberwindbaren Hürde werden.

Harburg. Wenn stimmt, was das Statistische Bundesamt kürzlich mitteilte, dann fehlen landauf, landab etwa 220 000 Kita-Plätze, um dem ab 1. August 2013 geltenden Rechtsanspruch für alle unter Dreijährigen zu genügen. In Hamburg dürfte die Lage noch dramatischer sein, weil dieser Rechtsanspruch in der Hansestadt bereits seit diesem Jahr gilt. Ob die entsprechenden Plätze tatsächlich zur Verfügung stehen, ist aber offenbar nicht geprüft worden. Laut Sozialbehörde gibt es im Stadtbezirk Harburg "keine Problemanzeigen bezüglich der Vermittlung von Kitaplätzen". Dabei bestätigten dem Abendblatt bei Stichproben mehrere Kitas lange Wartelisten. Und die Suche über einschlägig bekannte Online-Plattformen blieb mehr als dürftig.

"Die Aussage der Sozialbehörde widerspricht allen Erfahrungen", sagt Britta Herrmann, die als Kita-Vertreterin dem Harburger Jugendhilfeausschuss angehört. Als Leiterin des Kindergartens Unizwerge hat sie ganz konkreten Einblick in die Situation - und die ist dramatisch. Im Sommer kommenden Jahres werden lediglich acht der 60 Plätze frei. Dafür liegen ihr bereits jetzt 34 Krippenanmeldungen (0 bis 3 Jahre) und 16 für den Elementarbereich (4 bis 6 Jahre) vor. "Die Warteliste wächst täglich. Bei mir rufen sogar Schwangere an, um sich bereits jetzt registrieren zu lassen. Ich könnte sofort eine vierte und fünfte Gruppe aufmachen, wenn es denn entsprechende Räumlichkeiten gebe", berichtet Britta Herrmann.

Diese Zahlen findet sie auch deshalb dramatisch, weil ab Sommer 2013 der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ja auch noch auf die unter Zweijährigen ausgedehnt werde. Von einer annähernd realistischen Bedarfsplanung sei Hamburg aber weit entfernt. "Das könnte sich zu einem GAU entwickeln. Spätestens dann, wenn die ersten Eltern ihren Rechtsanspruch vor Gericht einklagen", so Herrmann.

Eine aktuelle Recherche auf der Online-Plattform der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten, die in Harburg 20 von insgesamt 92 Kitas betreibt, ergab, dass derzeit nur drei - eine in Sinstorf, zwei in Neugraben-Fischbek - freie Krippenstellen gemeldet haben. Verlässliche Zahlen zu erhalten ist äußerst schwierig. Zum einen, weil es aufgrund zahlreicher Träger keine zentrale Börse für freie Plätze an Kindertagesstätten gibt. Zum anderen, weil es gängige Praxis ist, dass sich Eltern bei mehreren Kitas auf die Warteliste setzen lassen, um so die Chance auf einen Platz zu erhöhen.

Laut Statistischem Bundesamt lag die Betreuungsquote der unter Dreijährigen im März dieses Jahres bundesweit bei gerade 27,6 Prozent. Um dem neuen Rechtsanspruch ab August 2013 zu genügen, müsste die Zahl der Betreuungsplätze innerhalb eines Jahres um fast 40 Prozent steigen. Harburgs Betreuungsquote liegt aktuell bei 27,7 Prozent - und damit am Ende aller Hamburger Stadtbezirke. Da stimmt es nur bedingt optimistisch, dass laut Sozialbehörde aktuell nur vier Träger Bauprojekte zur Schaffung neuer Plätze planen.

Wie schwierig es ist, ein neues Kitaprojekt auf den Weg zu bringen, musste dieser Tage Reimund Lohrenz erfahren. Der 60 Jahre alte Elektroingenieur aus Boitzenburg will sich beruflich verändern und mit einer Kindertagesstätte selbstständig machen. "Biene Maja" soll der Kindergarten heißen, in dem neben Deutsch auch Spanisch gesprochen werden soll.

Nach intensiver Suche fand Lohrenz ein passendes Objekt direkt am Harburger Rathausplatz. Das ehemalige Büro der Kanzlei Schlarmann von Geyso bietet 735 Quadratmeter für je drei Krippen- und Elementargruppen. Platz genug für 100 Kinder. Überdies gibt es einen Außenbereich mit rund 270 Quadratmeter. Der wird zwar auch von der Kita in der Rathauspassage genutzt, doch Lohrenz hat sich mit der Leitung dort längst hinsichtlich einer gemeinsamen Nutzung geeinigt.

"Innerhalb von nur zwei Wochen hatten wir 15 Anfragen. Dabei haben wir nur Handzettel verteilt und eine Annonce in einem Anzeigenblatt geschaltet", sagt Lohrenz, "das beweist mir, dass der Bedarf riesig ist." Überdies lägen ihm auch schon zahlreiche Bewerbungen von Sozialpädagogen vor. Zwölf bräuchte er bei sechs Gruppen. "Das wäre sicher die geringste Hürde", sagt der Boitzenburger.

Dennoch scheinen seine Pläne nun in Gefahr. Wie die Kita-Aufsicht der Sozialbehörde wissen ließ, entspreche die Außenspielfläche nicht den Bestimmungen. Nicht nur, dass mindestens sechs Quadratmeter pro Kind vorgehalten werden müssen, der Außenbereich muss auch direkt an das Kitagebäude angrenzen. Das ist im konkreten Fall aber nicht gegeben, weil der Spielplatz am Rathausplatz von einem etwa acht Meter breiten Grandweg umgeben ist.

"Im innerstädtischen Bereich dürfte es schwer sein, solche geforderten Grünflächen zu finden. Wie trotzdem genügend Kindergartenplätze geschaffen werden sollen, ist mir schleierhaft", so Lohrenz zum Abendblatt. Jetzt hofft er auf eine Ausnahmeerlaubnis seitens es Landesjugendamtes.