Mehr “Servicezeit“ beim Sozialen Dienstleistungszentrum des Bezirksamtes Harburg geht zulasten der Antragsbearbeitung.

Harburg. Den Umzug des Sozialen Dienstleistungszentrums (SDZ) vom Harburger Ring ins schicke, neue Rathausforum an der Knoopstraße vor einigen Wochen nutzte das Bezirksamt zugleich, um die Arbeit seiner Fachbereiche mit intensivem Bürgerkontakt neu zu strukturieren. "Mehr Servicezeit" heißt die Devise. Die Öffnungszeiten wurden verlängert, die "Kunden" haben jetzt deutlich öfter Gelegenheit, ihre Anliegen vorzutragen und notwendige Anträge zu besprechen. Aber kommen die Mitarbeiter auch noch dazu, diese Anträge in einem akzeptablen Zeitrahmen zu bearbeiten?

Am 21. Juli beantragte Familie Teichert aus Heimfeld bei der Kita-Stelle des Jugendamtes einen Kita-Gutschein für ihre zweijährige Tochter Helene. Nach Auskunft des Bezirksamtes beträgt die Bearbeitungsfrist drei bis sechs Wochen. "Nur in Ausnahmefällen kann es auch mal länger dauern", so Amtssprecherin Beatrice Göhring.

Im Fall der Teicherts verstrichen gleich neun Wochen. Das brachte die junge Familie mit drei kleinen Kindern in arge Bedrängnis. "Irgendwann drohte die Kita in Hausbruch uns damit, fortan den vollen Beitragssatz abzubuchen", berichtet Vater Tim Teichert. Statt 160 Euro mit Gutschein wären das ganz konkret 900 Euro gewesen. Eine finanzielle Belastung, die die Teicherts kaum hätten schultern können.

Auf Abendblatt-Nachfrage bestätigte das Bezirksamt, im Spätsommer hätte es eine regelrechte Antragsflut gegeben. Kaum überraschend: Seit 1. August gilt in Hamburg - ein Jahr früher als bundesweit - die Kitaplatz-Garantie für alle Kinder ab vollendetem zweiten Lebensjahr. Somit war absehbar, dass deutlich mehr Gutschein-Anträge gestellt werden würden als je zuvor. Laut Statistischem Amt Nord wurden am 1. März 2012 in ganz Hamburg 17 738 Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege betreut. Das waren bereits 1700 Kinder mehr als ein Jahr zuvor. Im Stadtbezirk Harburg stieg die Zahl innerhalb von zwölf Monaten um 140 auf 1191 Kinder.

Nach dem vorgezogenen Rechtsanspruch auf eine fünfstündige Betreuung plus Mittagessen für alle Hamburger Zweijährigen dürfte sich die Situation in den Ämtern weiter verschärfen. Die Hamburger Sozialbehörde geht davon aus, dass hamburgweit seit September mehr als 20 300 Kinder in Kitas und der Tagespflege betreut werden, wie Sprecherin Nicole Serocka mitteilte. Das wären noch einmal etwa 2600 Kinder mehr als noch im März dieses Jahres.

Ob das Bezirksamt Harburg darauf entsprechend vorbereitet war, muss bezweifelt werden. Zumal es bereits im Vorfeld massive Beschwerden von Mitarbeitern gegeben hat. Auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung vom Mai dieses Jahres bestätigte die Verwaltung eine Fülle von Überlastungsanzeigen. Die mit Abstand meisten stammten in den ersten beiden Quartalen 2012 aus dem Jugendamt: Hier waren im Berichtszeitraum gleich 42 registriert worden. Hinzu kommen noch einmal weitere 68 aus dem Vorjahr. Durchweg alle sind nach Einschätzung des Bezirksamtes "inhaltlich begründet".

Entspannung an der Antragsfront ist derweil kaum in Sicht. Und das, obwohl derzeit alle Planstellen in den entsprechenden Fachämtern besetzt seien, wie Beatrice Göhring wissen ließ. Zum einen reicht die vorgehaltene Mitarbeiterzahl dann aber generell nicht aus. Zum anderen geht das Mehr an "Servicezeit" offenkundig deutlich zulasten der Antragsbearbeitung.

Nach Abendblatt-Recherchen hatten Mitarbeiter der Kita-Stelle vor der internen "Zeitumstellung" pro Woche acht Stunden für den direkten Kundenkontakt und etwa 25 Stunden für die Bearbeitung von Anträgen. Jetzt hat sich dieses Verhältnis ins Gegenteil verkehrt. "Heute können die Bürger ihre Anträge an 26 Stunden pro Woche im Sozialen Dienstleistungszentrum abgeben und besprechen", sagt Bezirksamtssprecherin Beatrice Göhring. Über die aktuelle Bearbeitungszeit sagte sie nichts. Und auch die Frage, wie viele Kita-Gutscheine und andere Anträge aller Art aktuell ihrer Bearbeitung harren, blieb unbeantwortet.

Dafür hat sie aber einen heißen Tipp parat. Kita-Gutscheine könnten bereits drei Monate bevor man sie braucht, beantragt werden. "Es auf den letzten Drücker zu machen, bürgt immer die Gefahr, dass es zu Verzögerungen kommt." Gäbe es den Gutschein aber doch mal zu spät, hätten weder Kita noch die Eltern einen Nachteil.