Wie viel energetische Sanierung erlaubt der Denkmalschutz? Diese Frage beschäftigt in Lüneburg das Verwaltungsgericht.

Lüneburg. Eigentlich müsste der Gesetzgeber jubeln über das, was Gerd Backs vorhat: Energie sparen. Der Lüneburger Geschäftsmann möchte Fenster, durch die es zieht, austauschen gegen solche, die dem neusten Stand der Dämmtechnik entsprechen. Doch bei der Stadtverwaltung kommt Backs' Plan gar nicht gut an, mehr noch: Die Verantwortlichen im Bauamt laufen Sturm dagegen. Denn das Haus, um das es geht, stadtbildprägend direkt an der Ecke Am Markt/Große Bäckerstraße gelegen, steht unter Denkmalschutz.

Damit wird eine ganz normale energetische Sanierung, wie sie Zigtausende von Immobilienbesitzern zurzeit vornehmen lassen, plötzlich zu einem ziemlich großen Problem. Energie sparen und Substanz erhalten, Umweltschutz und Denkmalschutz - das passt offenbar nicht immer auf Anhieb zusammen. "Das ist schon ein Spannungsverhältnis", sagt Lars Menz, Sprecher der Architektenkammer Niedersachsen. Deren rund 10.000 Mitglieder würden immer häufiger mit diesem Problem konfrontiert.

In den seltensten Fällen landen die Vorgänge vor Gericht. Gerd Backs aber hat dagegen geklagt, dass ihm die Stadtverwaltung verwehrt, was er für sinnvoll hält. Und die Reaktion der Stadtverwaltung darauf lässt vermuten, dass der Hauseigentümer auch in Lüneburg kein Einzelfall ist. Wolfgang Sorger, Leiter des Rechtsamts, wird am Ende eines Ortstermins einen vom Verwaltungsrichter Thomas Pump angeregten Vergleich ablehnen. Begründung: "Wir haben in allen Bereichen der Innenstadt Leute, die Probleme mit Fenstern machen. Da kann ich jetzt nicht nachgeben."

Aber zunächst möchte Richter Pump sich die strittigen Fenster mal aus nächster Nähe ansehen. 24 an der Zahl sind es in den oberen Geschossen des 1895 erbauten Rotklinker-Giebelhauses, außen grün und innen weiß lackiert. Der Lack blättert ab. Die Holzprofile der Rahmen sind ungewöhnlich schlank, das dünne Fensterglas wirkt wellig. Es sind Fenster, die Lüneburgs Denkmalschützerin Doreen Braun ins Schwärmen geraten lassen. "Sie sind schon nach innen zu öffnen. Solche Fenster sind typisch für die Bauzeit, sie sind ganz selten."

Für Braun ist es deshalb undenkbar, dass Gerd Backs diese Fenster einfach rausreißen und durch neue mit Isolierverglasung ersetzen ließe. Denn beim Denkmalschutz, erklärt sie, gehe es nicht nur darum, dass die Optik eines Objekts unverändert bleibe. "Es geht darum, historische Substanz zu erhalten. Und diese Fenster sind nun mal Bestandteil des Baudenkmals." Außerdem, so Braun, veränderten neue Fenster, selbst grün lackiert und aus Holz, auch die Erscheinung des Gebäudes: Dicker seien ihre Profile, kleiner also die Scheiben, und eine äußere Schicht Isolierglas sehe auch ganz anders aus als eine alte Einfachverglasung.

Die Denkmalschützer empfehlen Gerd Backs ein anderes Vorgehen. Er soll die historischen Fenster restaurieren lassen, darf im Inneren dann noch weitere, von außen nicht sichtbare Fenster mit Isolierverglasung einbauen. Offenbar ein gängiges Vorgehen. Harald Kiefer, niedersächsischer Landesvorsitzender des Bundes deutscher Architekten, sagt: "Bei Denkmälern gibt es heute relativ unproblematische Möglichkeiten einer energetischen Sanierung von innen." Bei einem Denkmal, sagt er, dürfe man sich nicht auf den einfachsten baulichen Standard zurückziehen. "Und das ist gut so. Sonst ist das Denkmal gleich kaputt."

Gerd Backs, dessen Haus seit 1996 unter Denkmalschutz steht, hat diesen einfachsten - und wahrscheinlich billigsten - Standard gar nicht im Sinn gehabt. Das wären Plastikfenster gewesen, keine aus Holz nach historischem Vorbild. Dass das Lüneburger Bauamt sein Ansinnen dennoch nicht genehmigt hat, ist eine sogenannte Ermessensentscheidung der Behörde. Gerd Backs' Anwalt Thomas Reichelt sähe hier durchaus Potenzial, einen Präzedenzfall durchzuexerzieren. "Wir könnten durch alle Instanzen prüfen lassen, wie weit der Ermessensspielraum einer Behörde bei energetischen Sanierungen in denkmalgeschützten Gebäuden reicht."

Wollen sie aber nicht. Am Ende verständigen sich Gerd Backs und die Stadt auf eine "vorläufige Regelung", um das Wort Vergleich zu vermeiden, das Verfahren wird für sechs Monate ausgesetzt. In dieser Zeit wollen der Hauseigentümer und die Denkmalschützer gemeinsam eine Lösung suchen.