Direkt neben sanierten Häusern verfallen andere erhaltenswerte Gebäude in der Altstadt. Förderbudget liegt bei 60.000 Euro.

Winsen. In der Winsener Innenstadt und auch in den Ortsteilen gibt es zahlreiche Häuser, die unter Denkmalschutz stehen und seit Jahrhunderten das Stadtbild prägen. Sie zu erhalten ist aufwendig und vor allem teuer, an immer mehr Ecken ist Vernachlässigung und Verfall zu beobachten. Das will die Stadt jetzt stoppen: Der städtische Fördertopf soll auf 60 000 Euro pro Jahr aufgestockt werden - eine Verdreifachung des diesjährigen Etats - und die Winsener sollen gründlicher über die Schätze in ihrer Stadt und deren historischen Wert aufgeklärt werden.

Die mittelalterliche Grundstruktur der Altstadt sei zwar in vielen Bereichen noch gut erkennbar, betont Alfred Schudy, Leiter der Bauaufsicht. Doch vor allem Sanierungen Anfang der 70er-Jahre hätten Spuren hinterlassen. Damals mussten viele historische Häuser Neubauten weichen. Dennoch sind viele Gebäudeensembles aus städtebaulicher Sicht erhaltenswert, so Schudy. "Sie sind Zeugnisse des Zusammenlebens von Menschen über die Jahrhunderte betrachtet und sind heute ein Ort der Identität, ein Ort der Heimat." In den vergangenen Jahren sei jedoch immer mehr erhaltenswerte Bausubstanz verwahrlost oder abgebrochen worden.

Deshalb will die Stadt nun gegensteuern und hat neue Förderrichtlinien erarbeitet, über die die Mitglieder des Rats heute Abend entscheiden. Mit dem erhöhten Budget will die Stadt Eigentümer, die denkmalgeschützte oder erhaltenswerte Gebäude sanieren, stärker unterstützen. Sanktionen sind nicht geplant, im Rathaus setzt man auf Freiwilligkeit. Neben finanziellen Anreizen könnten laut Schudy zum Beispiel Plaketten für besonders gelungene Altstadtsanierungen vergeben werden. Darüber hinaus soll die Geschichte und die Geschichten um die historische Bausubstanz besser öffentlich bekannt gemacht werden.

Schließlich sind schon bei einem kleinen Stadtrundgang zahlreiche Fassaden - ob gut, schlecht oder gar nicht saniert - zu entdecken, die von vergangenen Jahrhunderten zeugen. Martin Wiese von der Bauaufsicht kennt sie alle, einige Eigentümer hat er bei der Sanierung beraten. Sein jüngstes Projekt: das markante Giebelhaus aus dem Jahr 1891 an der Ecke Luhestraße/Deichstraße. Lange saß hinter den roten Backsteinen das Team eines Reisebüros, in diesem Sommer quartierte sich vorübergehend ein Filmteam ein. Seit Kurzem hängt in dem großen Bogenfenster das Schild eines Versicherungsmaklers, dem das Haus auch gehört. Wiese hat ihn dazu gebracht, trotz Mehrkosten von etwa 1000 Euro pro Fenster teilweise hölzerne Sprossenfenster einzubauen, sogenannte Quetschfalz-Fenster, deren Flügel ineinander schließen. "Die sind ziemlich nah am Original", sagt Wiese. "Solche Sanierungen sind förderungswürdig." Auch der Eingangsbereich wurde erneuert, er hebt sich jetzt weiß und grau von Mauerwerk ab. In unmittelbarer Nähe steht das Blaufärberhaus, ein Vorzeige-Fachwerkhaus aus dem Jahr 1585, das der Eigentümer runderneuert hat. "Das ist sehr gelungen", sagt Wiese mit Blick auf die aufwendige Fassadenbemalung. An der Seitenwand zeigen sich Sparversuche bei Bau des Hauses: Im hinteren, von der Straße damals nicht sichtbaren Teil, wurden die Steine kostengünstiger hochkant verbaut.

Was auch aus historisch interessanten Häusern werden kann, zeigt sich wenige Schritte weiter an der Luhestraße 19. Jahrelang stand das kleine Wohnhaus leer, es drang Feuchtigkeit durchs Dach, schließlich wurde das baufällige Häuschen, das mittlerweile mit Holzstreben stabilisiert und notdürftig mit Plastikplanen abgedeckt ist, aus dem Denkmalschutz entlassen. Doch jetzt gibt es einen Lichtblick: Ein Winsener Unternehmer wolle das Haus vielleicht kaufen, sagt Wiese. "Aus Liebhaberei."

Weiter geht es zu einem rötlichen Wohnhaus an der Luhestraße 35. Auch hier wurden Holzfenster eingebaut, der farbige Putz kaschiert das ehemals marode Mauerwerk. Wiese hat die Eigentümer vor vier Jahren beraten. "Hier hätte ich gern Geld gegeben." Auch das 227 Jahre alte Amtsschreiberhaus an der Straße Kehrwieder, in dem heute mehrere Mietwohnungen eingerichtet sind, wird von seiner Besitzerin gut in Schuss gehalten. Wiese: "Das wäre ein Fall für unsere Förderung."