Das Hamburger Abendblatt und der ADAC Hansa testen die Park-and-ride-Anlagen in der Region. Heute im elften Teil: der Bahnhof Winsen. Er bekommt vom Prüfer die Gesamtnote “ausreichend“

Winsen. Fahrradfahren ist Carsten Willms' Leben. Der stellvertretende Leiter der Abteilung Technik und Verkehr des ADAC Hansa fährt von Ostern bis Oktober täglich mit seinem Randonneur-Rennrad in die Hamburger City zur Arbeit. Macht 40 Kilometer tagein, tagaus aus auf dem Sattel. "Meine Frau sagt, ich bin entspannter, wenn ich dann von der Arbeit komme", sagt der 42-Jährige. "Radfahren ist Stressbewältigung pur und gut für meinen Körper und meinen Geist."

An diesem Vormittag testet der ADAC-Experte die Park-and-ride-Anlage am Bahnhof in Winsen an der Luhe. Und Carsten Willms ist gleich begeistert, nachdem er aus dem Metronom in der 35 000 Einwohner zählenden Kreisstadt gestiegen ist: Die Fahrradständer sind auch an diesem Testtag während der niedersächsischen Herbstferien vollständig belegt. Rund 500 Fahrräder stehen unter den Dächern, viele Radler mussten ihre Zweiräder unter freiem Himmel abstellen. Die 91 Fahrradboxen sind alle vermietet. "Das sind ja fast holländische Verhältnisse", sagt der ADAC-Mann. "Der Winsener liebt sein Fahrrad und nutzt es auch."

Der ADAC-Experte gerät ins Schwärmen: "Die Winsener Pendler, die mit dem Fahrrad zum Bahnhof fahren und dann mit dem Metronom nach 21 Minuten den Hamburger Hauptbahnhof erreichen, sind die wahren Mobilitätsgewinner. Mit dem Auto quält man sich ja auf der Autobahn 1 morgens nach Hamburg, und auf den Elbbrücken und in der Amsinckstraße herrscht während der Rushhour immer Stau. Wer mit der Bahn pendelt, spart dreierlei: Zeit, Nerven und viel Geld."

Knapp 100 Euro kostet eine Jahreskarte des Hamburger Verkehrsverbundes monatlich einen Winsener Pendler, der in die Hamburger City will. Die Fahrt von der Kreisstadt in die Hamburger Innenstadt beträgt 72 Kilometer hin und zurück. Die Analyse des ADAC-Experten: "Selbst mit einem sehr günstigen Auto, das nur 30 Cent Betriebskosten pro Kilometer kostet, komme ich nicht günstiger in das Hamburger Zentrum und zurück."

Aber wie parkt der Winsener Pendler mit dem Auto und mit dem Fahrrad am Bahnhof Winsen? Carsten Willms hat einen Katalog von Fragen abzuarbeiten: Wie ausgelastet ist die Anlage? Wie sicher ist sie? Wie steht es um die Videoüberwachung und die Beleuchtung? Ist die Anlage benutzerfreundlich? Ist der Parkplatz geeignet für Rollstuhlfahrer? Und wie steht es mit dem Service rund um den Bahnhof?

477 Parkplätze bietet die Winsener P+R-Anlage nach Angaben des Hamburger Verkehrsverbundes. Dem ADAC-Tester wird gleich klar: "Wie an fast allen Bahnhöfen in der südlichen Metropolregion Hamburg herrscht auch in Winsen absoluter Platzmangel."

Carsten Willms begeht den Parkplatz an der Straße An der Kleinbahn. Hier können theoretisch rund 220 Fahrzeuge parken. Aber wegen der Bauarbeiten für den Tunnel unter den Bahngleisen stehen viele schwere Geräte und Bauwagen auf dem Park-and-ride-Platz. "Das ist wirklich sehr misslich", befindet der ADAC-Tester, "hier können ein Viertel der Parkplätze für lange Zeit nicht benutzt werden. In Winsen herrscht ein Parkplatznotstand. Das gibt fette Abschläge in der Bewertung."

Auf der anderen Seite der Gleise liegt ein P+R-Parkplatz mit 90 Plätzen an der Schützenstraße. Und auch der Parkplatz der Stadthalle Winsen ist mit rund 170 Plätzen voll belegt. Aber das reicht bei weitem nicht aus: Die Winsener parken auch in der Straße An der Kleinbahn, auf dem Parkdeck des Lidl-Marktes und auf dem ehemaligen Busparkplatz der Landesgartenschau.

Besonders der Parkplatz An der Kleinbahn entsetzt den ADAC-Prüfer: Die Autofahrer müssen bis zu 800 Meter Fußweg vom Auto bis zum Bahnhof zurücklegen. "Viele Winsener brauchen morgens sicherlich einen recht sportlichen Schritt, um ihren Zug zu bekommen. 800 Meter sind eindeutig zu lang", sagt Carsten Willms. "Der ADAC empfiehlt einen Fußweg von maximal 400 Metern."

Und dann das Licht. Der ADAC-Mann ist nicht begeistert. "Auf allen Parkplätzen ist es nachts viel zu dunkel. Die Winsener Damen werden vor allem An der Kleinbahn in den Wintermonaten nicht gerne ihr Auto abstellen. Dunkelheit erzeugt Angst, und wer will mit so einem Gefühl pendeln?"

Carsten Willms hat erst einmal genug gesehen. Er vergibt die Gesamtnote "ausreichend" für die Winsener Park-and-ride-Plätze. Ach, und da wären ja auch noch die drei Behindertenparkplätze an der Kleinbahn, drei von insgesamt neun Parkplätzen für Behinderte: Sie sind nur 2,30 Meter breit. Schon ein konventioneller Parkplatz sollte 2,50 Meter breit sein! "Diese Parkplätze für Behinderte auszuweisen, ist ein Witz", befindet der ADAC-Experte. "Es sind auf gut Deutsch keine Behindertenparkplätze. Hier kann kein Rollstuhlfahrer aussteigen."

Das Fazit von Carsten Willms richtet sich an die Winsener Politiker: "Wenn Winsen weiter wachsen will, muss die Stadt etwas für die Mobilität ihrer Einwohner tun. Mit besseren und größeren Park-and-ride-Plätzen würden noch mehr Bürger vom Auto auf die Bahn umsteigen. Wenn die Luhestadt zukunftsfähig sein will, sollte sie am Bahnhof ein Parkhaus für Autos, Motorräder und Fahrräder bauen."

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