Die Stiftung Naturschutzpark hat im Heidedorf Wilsede einen Schulbauernhof für Kinder eingerichtet. Angebot soll erweitert werden.

Wilsede. "Darf ich noch mal?", fragt Ratko voller Begeisterung für das ungewohnte Erlebnis: Der zehnjährige Schüler aus Hamburg-Horn hat gerade die beiden mächtigen Arbeitspferde Max und Carlo über den Museumsacker in Wilsede geführt und mit der Egge den vom Pflügen aufgebrochenen Boden geglättet. Beeindruckt sind Ratko und seine Klassenkameraden von der Kraft der zwei PS und davon, wie zügig sich Max und Carlo in Bewegung setzen. Das Pflügen und Eggen ist Teil einer ganz besonderen Unterrichtswoche, die die Hamburger Kinder so schnell nicht vergessen werden.

Möglich macht das Lernen auf dem Lande die Stiftung des Vereins Naturschutzpark (VNP), die im beschaulichen Heidedorf Wilsede einen Schulbauernhof eingerichtet hat. Großstadtkinder aus sozialen Brennpunktgebieten sollen hier die beschwerliche Arbeit der alten Heidebauern selbst erleben und dadurch Zusammenhänge der Lebensmittelerzeugung verstehen. Es gebe Kinder, die glaubten, "dass Kartoffeln auf Bäumen wachsen", berichtet Dr. Heike Brenken, die bei der Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide das Projekt Schulbauernhof organisiert.

Dieses Angebot soll in den nächsten Jahren deutlich erweitert werden. Dafür sucht die VNP-Stiftung Unterstützer, die Klassen- oder Schülerpatenschaften übernehmen. 2013 sollen schon sechs Klassen zum Schulbauernhof nach Wilsede kommen, Ziel ist die Vollauslastung bis 2015. Heike Brenken: "Die Nachfrage ist groß, das entwickelt sich richtig gut." Drei Schulklassen aus Hamburg sind schon in Wilsede gewesen, die praxisnahe Wissensvermittlung nach dem Motto "Vom Acker auf den Teller" war für alle "ein tolles Erlebnis", sagt Dr. Brenken. Die Kinder "lernen mit Kopf und Herz" Landwirtschaft, Naturschutz und Hauswirtschaft kennen, sie beschäftigen sich mit Dreschflegeln statt mit Computerspielen, sie flechten Zäune aus Weidenzweigen, arbeiten auf dem Getreidefeld, backen Kuchen mit selbst gemahlenem Mehl und erfahren nebenbei, dass vieles gemeinsam im Team besser geht.

"Kinder und Jugendliche können hier unendlich viel lernen, was für ihr gesamtes Leben wichtig ist", erläutert VNP-Geschäftsführer Mathias Zimmermann. Bezahlt wird der Aufenthalt von der Alfred-Toepfer-Stiftung, die Stipendien für Schulen aus Brennpunktgebieten vergibt, wo Klassenreisen aus finanziellen Gründen sonst nicht möglich wären. Für viele Kinder ist die Fahrt nach Wilsede sogar die erste Reise in ihrem Leben. Klassenlehrerin Silke Grote von der Brennpunktschule "Beim Pachthof" in Hamburg-Horn sagt, dass das Angebot bei den Kindern "sehr gut ankommt". Das wird auch deutlich, wenn es an die Arbeit auf dem Feld geht.

"Wer möchte als Erster?" fragt Gerd-Peter Dierßen, und alle Kinder recken sofort die Finger in die Höhe. Dierßen ist Landwirt, er betreut die Rinder und Pferde, die der VNP zur Landschaftspflege einsetzt, und er beherrscht die alten Techniken wie das Pflügen und Eggen mit Pferdekraft. Der Umgang mit Tieren sei besonders wichtig und etwas ganz Neues für die Kinder, erläutert Dr. Heike Brenken. "Hier haben wir echte Schweine, Schafe und Ziegen, die Kinder kennen Tiere sonst nur aus dem Zoo." Und der Erfolg der eigenen Arbeit - das Gefühl, "selbst etwas geschafft" zu haben - stärke die Kinder.

In Kleingruppen wird gelernt, jeweils ein Erwachsener - Förster, Schäfer, Korbflechterin, Imkerin, Landwirt - erläutert als Experte die einzelnen Arbeitsschritte. Während Ratko, Maxi, Ravneet und Parniya auf dem Feld arbeiten, haben Yeliz, Pascal und Sabrina schon das Mittagessen vorbereitet. Ofenkartoffeln, Brotaufstriche aus Tomaten und Zwiebeln und frisch gebackenen Apfelkuchen gibt es heute zur Stärkung.

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