Das Hamburger Abendblatt und der ADAC Hansa testen die Park-and-ride-Anlagen in der Region. HeuteTeil: der S-Bahnhof Neugraben.

Neugraben. So etwas hat Carsten Willms, 42, noch nie erlebt. Der stellvertretende Leiter der Abteilung Technik und Verkehr des ADAC Hansa kennt die Park-and-ride-Anlagen in der Metropolregion Hamburg aus dem Effeff - 350 Anlagen hat er in den vergangenen zehn Jahren in Norddeutschland getestet. An diesem Vormittag steht er in der Einfahrt des P+R-Hauses in Neugraben und ist sprachlos: Die elektronische Anzeige zeigt für das untere Parkdeck 119 freie Plätze an. "Ein schlechter Witz", sagt der ADAC-Mann. "Hier sind nur 30 Plätze frei."

Noch verwirrender ist die Anzeige für die Parkdecks 3 und 4: Hier sollen 90 und 62 Plätze frei sein. Dabei sind es drei und null. "Diese Anzeigen sind eine Zumutung für den Autofahrer", sagt Carsten Willms. "Er verlässt sich auf die Daten, fährt auf das Deck und ist tierisch frustriert, wenn er keinen Parkplatz bekommt. Das ist wirklich sehr mangelhaft. Da fühlt sich der Autofahrer veräppelt."

An diesem Tag testet der Experte des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) das Park-and-ride-Haus am S-Bahnhof Neugraben. Er hat einen Katalog von Fragen abzuarbeiten: Wie ausgelastet ist die Anlage? Wie sicher ist sie? Wie steht es um die Videoüberwachung und die Beleuchtung? Ist die Anlage benutzerfreundlich? Ist der Parkplatz geeignet für Rollstuhlfahrer? Und wie steht es mit dem Service rund um den Bahnhof?

Eine Park-and-ride-Anlage kann maximal 100 Punkte und damit die Schulnote "sehr gut" erreichen. Dieser Test wird leider, und dies betrübt Carsten Willms, alles andere als "sehr gut" für das P+R-Haus Neugraben ausfallen. Der ADAC-Prüfer wird am Ende des Tages ein schlappes "ausreichend" für die Anlage vergeben.

Einen zweiten Mangel im Eingangsbereich entdeckt Carsten Willms wenige Minuten nach dem ersten Negativbefund: Der ADAC-Mann inspiziert eine rote SOS-Notrufsäule. "Das ist eigentlich eine sehr schöne Einrichtung, die für Vertrauen sorgt", sagt der Prüfer. Aber seine Freude wird getrübt: Auf der Säule klebt ein Aufkleber mit der Aufschrift "außer Betrieb".

Carsten Willms lässt sich nicht beirren: Er drückt auf einen silberfarbenen Knopf, der rot umrandet ist. Eine männliche Stimme meldet sich, nicht einfach zu verstehen: Wie sich herausstellt ein Mitarbeiter der Hamburger Hochbahn-Wache am Hühnerposten in Hammerbrook. Im Notfall, so der freundliche Hochbahn-Mitarbeiter, würde er den Notruf wählen. Der ADAC-Tester dankt für die Information.

Danach eine zweite kleine Überraschung: Es tutet aus dem Lautsprecher. Nach einigen Minuten kommt Carsten Willms hinter den Dreh, wie eine nächste Verbindung zur Hochbahn-Wache wiederhergestellt werden könnte: Man muss auf einen kleinen silbernen Knopf in Gürtelhöhe drücken - ein Knopf ohne jegliche Beschriftung. "Der Aufkleber auf der Säule gibt eine fette Abwertung", sagt der Prüfer, "und auch mit der Bedienung der SOS-Säule bin ich sehr unzufrieden."

Der ADAC-Mann schreitet alle vier Parkebenen ab. Das P+R-Haus ist fast komplett ausgelastet. Die Autos haben die Kennzeichen HH, WL, STD und wenige auch ROW - Rotenburg/Wümme. Die Parkhauswände sind betongrau, verziert mit verschiedenfarbigen Linien in den Parkhausebenen. "Das ist nur ein Zweckbau, der etwa zehn Millionen Euro gekostet hat", sagt Carsten Willms. "Man könnte das Parkhaus mit mehr Farbe und Licht auch netter gestalten, aber dann müsste der Staat etwas mehr Geld in die Hand nehmen."

Das Licht. Auch so ein Thema für den ADAC-Experten. Und er ist wieder unzufrieden. "Das Park-and-ride-Haus Neugraben ist eindeutig zu dunkel. Am Auto muss ein Wert von 50 Lux erreicht werden - unsere Ingenieure messen hier nachts nicht mal die Hälfte. Und auch in der Fahrgasse liegt der Wert unter 50 Prozent."

Mit der Videoüberwachung ist Carsten Willms ganz zufrieden. "Die Kameras müssen sichtbar sein - das schreckt Täter ab und vermittelt den Parkern mehr Sicherheit." Doch der ADAC-Mann diagnostiziert auch "tote Winkel" im Parkhaus. Und im Treppenhaus fehlen ihm dann die Worte: Hier gibt es nur im Erdgeschoss Kameras. Mit dem Ergebnis: Zwei Zentimeter dicke Sicherheitsfenster in den Türen sind eingetreten - dicke Glaszacken stecken noch im Fensterrahmen. "Das ist verdammt gefährlich", sagt der Prüfer, "dieser Missstand ist uns schon seit mehr als einem Jahr bekannt."

Es stinkt stark nach Urin in diesem Treppenhaus, Graffitischmierereien bedecken die Türen. Und dann ist da noch ein ganz großes Problem: Rollstuhlfahrer müssen rund 400 Meter zum Bahnsteig rollen und dabei rund 15 Prozent Steigung absolvieren. Wer am Bahnsteig in Richtung Stade mit der S-Bahn fahren will, muss noch 300 Meter weiter zum Fahrstuhl fahren. "Das ist schon ein kleiner Marathon", sagt Carsten Willms.

Noch schlimmer: Rollstuhlfahrer mit Elektrogefährt können den Parkplatz gar nicht verlassen, weil der Ausgang nur 94 Zentimeter breit ist.

Carsten Willms' Fazit lautet denn auch: "Es ist gutes Potenzial für das Parkhaus Neugraben vorhanden: Leider gibt es noch viele Mängel, so dass der ADAC leider nur die Note 'ausreichend' vergeben kann."

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