Bürger fürchten, an Entwicklung des Stadtteils nach 2013 nicht beteiligt zu werden. Andy Grote: “Bürgerbeteiligung meinen wir ernst.“

Wilhelmsburg. Man hätte über die Art und Dichte der Neubebauung diskutieren können, über die Verdrängungsgefahr für die alteingesessene Bevölkerung oder über die Frage, was passiert, wenn im kommenden Jahr der Zollzaun am Spreehafen komplett fällt. Man hätte. Doch stattdessen ging es bei der Auftaktveranstaltung der Stadtwerkstatt "Zukunftsbild Elbinseln 2013+" für Wilhelmsburg und die Veddel nahezu ausschließlich um den Verdacht vieler Bürger, das Bezirksamt Mitte wolle mit der Zukunftswerkstatt eine "Beteiligungsshow" durchziehen, bei der die Einwohner nur dem Schein nach gehört werden, aber in Wahrheit ohne Einfluss blieben.

Am Ende des dreieinhalbstündigen Abends im Bürgerhaus Wilhelmsburg stand lediglich das Ergebnis, dass am Freitag und Sonnabend, 7. und 8. Dezember, der erste Teil der Planungswerkstatt beginnt, in dem es um konkrete Ideen, Interessen und Perspektiven geht. Im Vorfeld soll in einer Extra-Arbeitsgruppe beraten werden, wie das Verfahren der Bürgerbeteiligung generell aussehen kann, welchen Einfluss die Ergebnisse der Stadtwerkstatt auf die politischen Entscheidungen tatsächlich haben und welche Akteure aus Behörden und Vereinen an den Beratungen beteiligt werden. Der raue Ton, in dem im Bürgerhaus miteinander gesprochen wurde, lässt erahnen, dass es ein steiniger Weg werden könnte.

Dabei hatte der Abend zunächst ganz sachlich begonnen. In ihren Eröffnungsreden hatten Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter, Mittes Bezirksamtsleiter Andy Grote und Uli Hellweg, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung (IBA), in das Thema hineingeführt. Was passiert in Wilhelmsburg und auf der Veddel nach dem Ende der IBA und der zweiten Großveranstaltung, der Internationalen Gartenschau (igs)? Wie können die Stadtteile das Positive, das daraus entstanden ist, für sich langfristig nutzen? Was wollen die Bürger? Auf all diese Fragen solle in der Stadtwerkstatt eine Antwort gefunden werden, sagte Andy Grote und fügte hinzu: "Bürgerbeteiligung meinen wir ernst."

Jörn Walter wies darauf hin, dass Wilhelmsburg mit einer Stimme sprechen müsse, wenn es weiterhin Fördergeld bekommen wolle. "Sondermittel wird es nach 2013 nicht mehr geben." Im Stadtteil gebe es große Chancen, und das Thema Wohnungsbau stehe ganz oben auf der Liste. Dass aber beispielsweise auch die kulturelle Kraft der Elbinsel weiter gestärkt werden müsse, war ein anderer Aspekt, den Uli Hellweg zur Sprache brachte.

Bettina Kiehn vom Bürgerhaus griff die thematischen Steilvorlagen ihrer Vorredner aber nicht auf, sondern feuerte eine Salve an Vorwürfen und an Forderungen in den Saal, auf die sie tosenden Beifall vom Publikum erhielt. "Wir wollen die Entwicklung selbst in die Hand nehmen", wiederholte sie mehrmals, und - nein - es reiche nicht zu fragen, wo noch neue Wohnungen gebaut werden könnten.

Die Bildungsoffensive, die Wilhelmsburg in den vergangenen Jahren erfahren habe, sei das einzige Projekt, das von allen getragen werde. "Mit einem regionalen Bildungsbüro müssen Sie jetzt nachlegen", forderte Kiehn. Die Wilhelmsburger erwarteten eine "Bürgerbeteiligung 2.0", was unter anderem eine Stärkung der Selbstorganisation und eine Transparenzverpflichtung seitens des Bezirksamts bedeute. "Was wurde warum umgesetzt und was warum verworfen? Das wollen wir wissen", sagte die Frau vom Bürgerhaus. Und: "Zeigen Sie, dass das hier keine niedliche Akzeptanzbeschaffungsmaßnahme ist."

Nach dieser flammenden Rede brach Unruhe im Saal aus. Ein Plakat mit der Aufschrift "Selbstbestimmung statt Beteiligungsshow" wurde aufgehängt, Bürger meldeten sich zu Wort, die ebenfalls ihre Unzufriedenheit mit der Politik äußerten. Jörn Walter und Andy Grote hatten Mühe, die Wogen zu glätten. Man sei bei den Verfahrensfragen ziemlich offen, und bisher habe er es nicht so wahrgenommen, dass man mit den Bürgern nicht auf Augenhöhe miteinander rede, sagte etwa der Hamburger Oberbaudirektor.

Bezirksamtsleiter Grote zeigte Verständnis für das Misstrauen vieler Bürger, die sich fragten, was das jetzt schon wieder für eine Beteiligung sein solle. Der Bezirk sei aber auf jeden Fall bereit, eine echte Anhörung zuzulassen. "Es kann doch nur so sein, dass wir alles sammeln, zusammenführen und hören." Am Ende müsse es aber einen Konsens geben, denn das Gemeinwohl ergebe sich nicht aus der Summe der Einzelinteressen. Letztlich sei Politik auch verantwortlich.

Ob sie die Zweifel im Publikum mit ihren Aussagen zerstreuen konnten, blieb offen. In die Listen für die vorbereitende Arbeitsgruppe trugen sich jedenfalls zahlreiche Bürger ein. Ganz nach dem Motto: Egal, was uns versprochen wird, wir passen lieber selbst auf, dass die Stadtwerkstatt genau so läuft, wie wir es uns vorstellen.