“Magic Nanny“: Die Kleine Jorker Bühne muss erstmals nach 32 Jahren Weihnachtsstück absagen

Jork/Berlin/Hamburg. Wenn die Weihnachtsstücke der Kleinen Jorker Bühne aufgeführt werden, ist die Altländer Festhalle in Jork erfüllt von Kinderlachen, atemberaubender Spannung, Jubel und Applaus. Mädchen und Jungen mit von Aufregung geröteten Wangen und glänzenden Augen sind sowohl auf der Bühne als Akteure, als auch als Zuschauer ganz im Bann des Theaterspiels. Grundschüler und Kindergartenkinder freuen sich jedes Jahr auf dieses ganz besondere Theater-Glanzlicht von Kindern für Kinder. Doch in diesem Jahr wird es nach 32 Jahren erstmals keine Weihnachtsaufführung geben.

Die "Disney Enterprises", ein Konzern, der in Hamburg mit dem "König der Löwen" residiert, verbietet über seine Anwälte der weltweit agierenden Wirtschaftskanzlei "Bird & Bird" dem Jorker Laienensemble, das einstudierte Stück "Magic Nanny" aufzuführen, "weil sie damit Disneys geistige Eigentumsrechte verletzt sieht". Zu nahe liege die deutsche Theaterfassung, die aus dem Berliner Verlag "RazzoPENuto" stammt, an "Mary Poppins", teilte Bird & Bird-Anwalt Richard Dissmann dem Jorker Regisseur des Stückes, Florian Rohloff, und der Kleinen Jorker Bühne Ende September mit.

Bis zum 12. Oktober, 15 Uhr hatte der 90 Mitglieder zählende Jorker Theaterverein noch auf eine Ausnahmegenehmigung für seine sechs Aufführungen gehofft, so der Vereinsvorsitzende Erik Ahrens. "Nach Ablauf der Frist war klar, dass es in diesem Jahr keine Weihnachtsaufführungen geben wird", sagt Ahrens. "Zu unserem großen Bedauern stehen wir zum ersten Mal in unserer Vereinsgeschichte vor einer solchen, schweren Entscheidung.

Doch rechtliche Gründe zwingen uns, die Aufführungen von Magic Nanny abzusagen, da wir unerwartet mit einer Rechtsunsicherheit konfrontiert wurden, die leider die Frage offen lässt, ob der Verlag, von dem wir die Aufführungsrechte erworben haben, diese Rechte auch tatsächlich an uns hätte weitergeben dürfen." Um drohenden Schaden von der Bühne fernzuhalten und die Zuschauer rechtzeitig zu informieren, habe der Vereinsvorstand nun so entschieden, sagt Ahrens.

Im Verein gab es tränenreiche Enttäuschung bei dem jungen Ensemble, alles Kinder zwischen acht und 14 Jahren, die mit Fleiß und Hingabe seit Februar an dem Stück mit Regisseur Florian Rohloff probten, ungläubiges Entsetzen beim Regisseur, der sich seit Jahren diese Inszenierung wünschte und Fassungslosigkeit bei allen Beteiligten, die vor und hinter den Kulissen mitwirken, damit jedes Detail der Aufführung perfekt klappt. Groß ist auch die Bestürzung der Mitarbeiter des Berliner Verlages RazzoPENuto, der dem Club der Autoren für Kindertheater und Kindermusical vorsteht. "Selbst wenn wir einen Fehler gemacht haben sollten, hofften wir bis zuletzt, dass sich Bird & Bird-Anwälte noch einmal mit uns an den Verhandlungstisch setzen, um die sechs Jorker Aufführungen zu genehmigen", sagt Verlagssprecher Fabian Bauer. Gerade bei Kindern ist Magic Nanny sehr beliebt. Doch es gebe bei dem Stück, das seit etwa anderthalb Jahren auf Laienbühnen in Deutschland aufgeführt wird, rechtliche Unklarheiten. Ob diese im Zusammenhang mit dem im Sommer 2012 verschärften Urheberrechtsgesetz zu sehen sind, ist aus der Begründung des Aufführungsverbotes seitens Bird & Bird nicht erkennbar. Als das Stück im Februar dieses Jahres an den Jorker Theaterverein vergeben wurde, schienen diese Rechtsunsicherheiten nicht vorhersehbar. Auch seitens des Verlages RazzoPENuto, der für junge Theaterautoren eine Plattform schaffen will, war mit der deutschen Theaterversion keinesfalls eine Urheberrechtsverletzung beabsichtigt. Hendrikje van den Walden ist als Verlagsmitarbeiterin und Mutter fassungslos, dass ein Weltkonzern Kindern verbietet, für Kinder zu spielen. Bis alle Details juristisch geprüft sind, können Monate vergehen und es bleibt ein Kampf zwischen David und Goliath, so van den Walden.

Die Jorker haben indessen den Blick nach vorn gerichtet. Wir arbeiten nun an der Umsetzung des Frühjahrsstücks und haben die Absicht, eine Bühnenfassung von "Tintenherz" nach dem Roman von Cornelia Funke auf die Bretter zu bringen. "Wegen der Aufführungsrechte werden wir erst Anfang nächster Woche beim Verlag für Kindertheater in Hamburg anfragen, sind aber optimistisch, dass wir sie bekommen", sagt Erik Ahrens.