1600 Modelle, Eintrag im Guinness Buch der Rekorde: Mehr kann Ex-Postbote Werner Meinecke kaum erreichen. Zeit für eine neue Mission.

Harburg. Werner Meinecke steht in seinem Keller, um ihn herum stehen Kartons, Schränke und Vitrinen. Das Radio ist eingeschaltet. Schlagermusik. Vielleicht wirkt dieser Keller etwas unaufgeräumt . Hier sind einige Kartons aufgerissen, dort liegen Zettel auf dem Boden verstreut. Es ist der Raum, der Werner Meneckes größten Schatz in sich birgt. Alles, was der 62-Jährige so zusammengetragen hat.

Meinecke ist Sammler. Er sammelt historische Andenken und Fotos aus Harburg. Und er sammelt Trabi-Modelle. Dafür hat er sogar einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde - für den Menschen, der weltweit die meisten Gegenstände mit Trabi-Bezug besitzt. Rund 1600 Modelle der DDR-Rennpappe stehen im Souterrain seines Hauses - in verschiedenen Varianten, Farben und Materialien. Modelle aus Holz, aus Keramik und Plastik besitzt Werner Meinecke, außerdem natürlich Trabis in Polizei-Lackierung. Und: Modelle chinesischer Trabi-Imitate. Auch Bier mit Trabi-Etikett auf den Flaschen fehlt nicht in seiner Sammlung.

"Als die Mauer fiel, war ich von Emotionen überwältigt", sagt Meinecke. "Das war ein so wichtiger und historischer Augenblick." Und da der Trabant das inoffizielle Symbol der DDR gewesen sei, sei in ihm die Lust am Trabi-Sammeln gewachsen.

Doch irgendwann sei er an einen Punkt gelangt, an dem es keine Trabis mehr für ihn gab. Er habe alles besessen, das auch nur die geringste Verbindung mit den Autos hatte - nicht zuletzt seinen Guinness-Buch-Eintrag. So etwas schmerzt das echte Sammlerherz natürlich. "Wenn man eine Sammlung mehr oder weniger komplettiert hat, fängt man an, etwas Neues zu sammeln", meint Meinecke.

So entstand seine Sammlung von "Harburgensien". Schon in den 70er-Jahren hatte der Harburger gern fotografiert. "Damals war das Fotografieren natürlich noch viel komplizierter als heute", erinnert sich Meinecke an die Zeit teurer Farbfilme, auf denen bestenfalls 36 Fotos Platz fanden.

Bis in die 80er-Jahre hinein hatte er circa 100 schöne Fotos aus seinem Stadtteil gesammelt. Doch ihm fiel auf, dass sich viele Szenerien, die er auf Negativ gebannt hatte, wandelten. "In Harburg hat sich ja unglaublich viel verändert. Viele schöne Flecken sind verschwunden. Man hätte die historischen Gebäude Harburgs besser schützen müssen", meint Werner Meinecke. Und fügt mit einem verbitterten Unterton hinzu: "Nach dem Krieg hat man in Harburg wohl mehr abgerissen, als im Krieg zerstört wurde."

So sammelt Werner Meinecke nun nicht bloß Fotos und Andenken aus Harburg und setzt sie zu einem großen Puzzle Harburger Geschichte zusammen. Mit seinen mehreren Tausend Puzzleteilen verfolgt er auch eine Mission: Er kämpft gegen das Vergessen. "Ich möchte der Nachwelt etwas hinterlassen und den Verlust schöner Bilder verhindern", sagt er. Durch Gegenüberstellung alter und neuer Bilder von ein und demselben Ort möchte er vor allem jungen Leuten die Historie Harburgs näherbringen - beispielsweise auf dem Harburger Weihnachtsmarkt, auf dem er jetzt schon sechsmal einen Stand hatte.

In seiner Sammlung findet sich unter anderem eine Milchkanne vom Ellernhoff, einem Milchbetrieb, der 1922 gegründet wurde und bis 2005 Bestand hatte. Auf der Milchkanne stehe sogar "Vorzugsmilch Harburg an der Elbe", erzählt Werner Meinecke begeistert. Sie stamme also noch aus der Ära vor 1937, als Harburg noch eine eigenständige Großstadt war.

Ein Lieblingsfoto habe er nicht in seiner Sammlung. "Alles an Harburg ist auf seine Weise sehenswert." Auf seinen Visitenkarten und der Startseite seiner Homepage prangt jedoch ein Foto der alten Harburger Post, in der nun die Harburg Arcaden Platz gefunden haben, während des Abrisses. Laut Meinecke symbolisiert gerade diese Fotografie genau das, was er mit seinen Bildern zeigen will. "Das Postamt kennen die meisten Harburger noch, selbst die jüngeren. Und auch die Arcaden sind ein Gebäude, das viele Menschen oft passieren. Insofern zeigt sich hier die Veränderung Harburgs ganz besonders deutlich."

Werner Meinecke appelliert insbesondere an die älteren Harburger, ihm die Möglichkeit zu geben, in ihren Bildersammlungen zu stöbern. "Ich kann verstehen, wenn viele davor Hemmungen haben. Doch wo liegen die Bilder jetzt? Im Keller. Was geschieht mit den Bildern nach dem Tod? Sie kommen weg", sagt er. Heutzutage gebe es zusätzlich die Möglichkeit der Digitalisierung. Auch Fotobücher würde er gern für Harburger erstellen, die ihm Einblick in ihre Erinnerungsstücke gewähren.

"Ich selbst stehe bei diesem Projekt gar nicht im Mittelpunkt. Es ist nicht wichtig, dass ich es tue, aber es ist wichtig, dass jemand es tut", sagt Meinecke. Deshalb habe er sich bereits um einen Nachfolger gekümmert, der die Sammlung einmal übernehmen soll. Vorher kann sich Meinecke jedoch noch einmal ganz seiner Leidenschaft widmen. Seit Anfang September ist der Postzusteller im Vorruhestand. "Es wird wohl eher ein Unruhestand. Ich habe bereits viel vor." So würde Meinecke gern mit Schulen kooperieren, Vorträge halten, in Altenwohnanlagen mit den Bewohnern über Harburg sprechen und einen Ausstellungsanhänger konstruieren.

Die Sammlung Werner Meineckes steckt also noch in der Entwicklung. Gegen Entwicklung hat Meinecke keine Abneigung, auch in Harburg nicht. "Würde der Mensch nichts abreißen, würde er heute noch in Höhlen leben", sagt er. Doch das, was vor dem Abriss war, könne durch kleine Andenken als Erinnerung weiterleben.

Wer einen Teil der Sammlung Meineckes digital betrachten oder mit dem Harburger Sammler Kontakt aufnehmen möchte, kann dies unter der Internetadresse www.harburgwelt.de tun