Der 42-jährige Christian Berndt tritt sein neues Amt in Winsen an. Privat guckt der vierfache Vater gerne Science-Fiction-Filme.

Winsen. Emotional geht für Pastor Christian Berndt zur Zeit alles Schlag auf Schlag. Vergangenen Sonntag hat ihn seine Gemeinde in Faßberg im Norden des Landkreises Celle verabschiedet. An diesem Sonnabend reist der 42-Jährige mit seinen ehemaligen Konfirmanden zum Konzentrationslager Bergen-Belsen. Und an diesem Sonntag um 15 Uhr wird er in der St. Marienkirche in Winsen in sein Amt als neuer Superintendent des Kirchenkreises Winsen eingeführt.

Der Umzug aus dem 2200-Einwohner-Dorf Müden an der Örtze in die 35.000-Einwohner-Stadt Winsen an der Luhe war für alle Mitglieder der Familie Berndt ein großer Sprung: für den neuen Superintendenten, für seine Frau Kirsten, 41, und für die Kinder Klara, 13, Liesbeth, 9, Otto, 7, und Emil, 5. Jetzt wohnen die Berndts in einem 250 Jahre alten Fachwerkhaus gleich gegenüber von St. Marien - an der Rathausstraße mitten in Winsen. "Für unsere Kinder war der Sprung vom Dorf in die Stadt schwierig", sagt Christian Berndt, "aber jetzt genießen wir dafür, dass alle Angebote an einem Ort sind und das Kino gleich um die Ecke liegt und nicht 30 Kilometer entfernt."

Familie Berndt wohnt oben auf zwei Ebenen in der Superintendentur, unten arbeitet der Pastor in seinem Büro. Seine Bücher hat Christian Berndt schon einsortiert, drei Umzugskartons stehen noch auf dem frisch abgeschliffenen Holzfußboden. Den kleinen Garten hat der Pastor mit drei Reckstangen und zwei Fußballtoren kindgerecht gemacht. Die Mädchen haben eine neue Klavierlehrerin, Kirsten Berndt hat eine Drittelstelle als Lehrerin am Gymnasium Winsen, und die Kinder spielen beim TSV Winsen Handball und Badminton, die Jungen machen auch Judo.

Als Superintendent hat Christian Berndt jetzt Personalverantwortung für 30 Pastoren und Diakone in 16 Kirchengemeinden mit rund 45.000 Mitgliedern. Vorher predigte er für 3800 Mitglieder im Kirchspiel Müden-Faßberg. "Alles, was Freud und Leid war in meiner Gemeinde, hatte mit mir zu tun", sagt Christian Berndt. "Aber auch ein Superintendent verrichtet nicht nur einen trockenen Verwaltungsjob."

Die Personalakten seiner Mitarbeiter hat sich der Superintendent noch nicht angeschaut. Er besucht seine Pastoren und Diakone und sucht das persönliche Gespräch. "Meine Mitarbeiter sprechen ganz offen über ihre Arbeits- und Lebenssituation", sagt Christian Berndt. "Sie setzen keine Fassade auf und sagen auch, wo es kneift."

Das Pastorsein sei mitunter auch ganz schön einsam, sagt der Superintendent. Es sei schwierig, ein Gegenüber zu finden für die Dinge, die einen beruflich bewegen. Früher, da saßen der Apotheker, der Doktor und der Pastor auf dem Dorf noch beim Skat in der Kneipe zusammen. "Heute sind viele Pastoren Einzelkämpfer", sagt Christan Berndt. "Sie können nicht wie Lehrer im Kollegium über ihre Schüler und den Chef seufzen."

Auch der Kirchenkreis Winsen musste im vergangenen Jahrzehnt kräftig sparen. Mehrere Pastoren haben nur eine halbe Stelle oder eine Dreiviertelstelle. Aber die Arbeit ist oft dieselbe geblieben. Christian Berndt findet deutliche Worte: "Wir dürfen diese Mitarbeiter nicht verbrennen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass sie nicht strukturell ausgenutzt werden."

Klar Stellung beziehen - das war auch schon das Ding von Christian Berndt in der Kirchengemeinde Müden-Faßberg. Der rechtsextreme Anwalt Jürgen Rieger wollte im Faßberger Ortsteil Gerdehaus ein nicht mehr betriebenes Hotel für seine Gesinnungsgenossen erwerben - der Fall machte deutschlandweit Schlagzeilen. Viele Menschen in der Region gingen auf die Straße, auch Pastor Berndt fand in den Gottesdiensten deutliche Worte und startete die Aktion "Die Heide blüht lila und nicht braun". Die lilafarbenen T-Shirts wurden Zeichen des Protests gegen hirnrissige politische Gedanken der Neonazis. An diesem Sonnabend sagt Christian Berndt seinen ehemaligen Konfirmanden im KZ Bergen-Belsen: "An dieser Stätte wird deutlich, was wird, wenn Menschen denken, ihr Leben sei mehr wert als das Leben anderer."

Termine, Termine, Termine - so lautet zurzeit das Motto des neuen Superintendenten. Da bleibt keine Zeit, mit seiner Frau Kirsten Paso Doble und Jive tanzen zu gehen. Aber wenn die Kinder im Bett sind, gönnt sich der Pastor dann und wann einen Film, sein Lieblingsgenre ist Science-Fiction: Star Wars (Krieg der Sterne) und Star Trek (Raumschiff Enterprise). Besonders ein Satz aus dem Eingangmonolog von Star Trek gefällt ihm: "to boldly go where no man has gone before" - auf Deutsch: "um mutig dorthin zu gehen, wo kein Mensch zuvor gewesen ist". Das passe auch zur Kirche, sagt der Pastor. Er wünsche sich, dass die Kirche ein sicherer Hafen sei, aber auch den Mut finde, dorthin zu gehen, wo lange kein Kirchenmensch mehr gewesen ist.

Am Freitag hat sich Christian Berndt die ersten Stichworte für seine erste Predigt als Superintendent gemacht. An diesem Sonnabend und Sonntag hat er den Text geschrieben und verfeinert. Abends hat er eine Flasche trockenen Rotweines geöffnet, eine Schallplatte der amerikanischen Jazz- und Pop-Sängerin Barbra Steisand aufgelegt und danach Musik der amerikanischen Hard-Rock- und Heavy-Metal-Band Guns N' Roses aus dem Internet geladen: November Rain, eine Rockballade. In diesem Welthit heißt es: "Don't ya think that you need someone, Everybody needs somebody." Frei auf Deutsch heißt das: Denkst Du nicht, dass du jemanden brauchst, jeder braucht jemanden.

Diese Worte mag der Superintendent. Sie verkörpern Menschlichkeit. "Ein Pastor", sagt Christian Berndt, "ist auch nur ein ganz normaler Mensch."