Der Weg von der Wohngruppe für Behinderte im Harburg Carrée zum Parkhaus ist beschwerlich und nicht zuletzt auch gefährlich.

Harburg. Ewald Meyer aus Harburg fährt jeden Mittag mit dem Auto zum Harburg Carrée. Dort holt der 75 Jahre alte Rentner seine schwerstbehinderte Tochter Corinna ab. Die 45 Jahre alte Frau sitzt im Rollstuhl und lebt in einer Wohngruppe des Trägers Leben mit Behinderung im Carrée. Sie hat einen künstlichen Darmausgang und braucht spezielle Nahrung, die sie in ihrer Wohngruppe nicht bekommen kann. Meyer holt sie zum Mittagessen nach Hause, wo ihre Mutter für sie kocht.

In der Regel stellt der Rentner seinen Wagen im Harburg-Carrée-Parkhaus ab, erreichbar über eine kurze Stichstraße von der Wilstorfer Straße aus. "Schon das ist problematisch, weil oft die Behinderten-Parkplätze mit Autos zugeparkt sind, die keinen Behinderten-Ausweis hinter der Windschutzscheibe haben, hier also nicht parken dürfen. Auf einem normalen Parkplatz habe ich große Probleme damit, meine Tochter und ihren Rollstuhl gefahrlos ins Auto zu bugsieren", sagt Meyer. Dann fährt der Harburger mit dem Aufzug nach oben, wo seine Tochter bereits auf ihn wartet. Beide fahren mit dem Fahrstuhl wieder herunter.

Und dann beginnen Meyers Probleme richtig. Eigentlich würde er gern aus dem Fahrstuhl den Rollstuhl mit seiner Tochter direkt nach links zum Parkhaus steuern, also den direkten Weg zur Tiefgarage nehmen. Das geht nicht. Auf dem Bürgersteig zwischen Fahrstuhl und Garage sind etwa zehn Metallbügel in den Bürgersteig eingelassen. Hier können Fahrräder angeschlossen werden. Bügel und Fahrräder versperren Ewald Meyer und seiner Tochter den Weg zu seinem Auto.

Also muss Ewald Meyer seine Tochter im Rollstuhl direkt auf die kleine Stichstraße schieben, um auf die andere Seite zu kommen und von dort in die Tiefgarage zu gehen. Aber auch das ist nicht ganz einfach. "Auf der Fahrstuhl-Seite ist der Kantstein abgesenkt. Das geht, aber erstens gibt es an dieser Stelle keinen Zebrastreifen, und die Autos", so Meyer weiter, "haben ein ganz schönes Tempo drauf, wenn sie von der Wilstorfer Straße in die Garage fahren oder umgekehrt. Das ist mitunter ganz schön gefährlich". Das nächste Hindernis wartet am rettenden Bordstein auf der anderen Straßenseite auf Ewald und Corinna Meyer. Hier ist der Bordstein nicht abgesenkt. "Ich muss dann den Rollstuhl mit Corinna anheben und sie auf den Bürgersteig hieven. Das geht, gerade in meinem Alter, ziemlich auf die Knochen. Und natürlich versucht man, so schnell wie möglich wieder von der Straße weg zu kommen", sagt er. Er sehe immer wieder, wie andere Rollstuhlfahrer, die keine Hilfe hätten, eben auf der Fahrbahn in Richtung Wilstorfer Straße führen, ein gefährliches Unterfangen.

An der Kreuzung Wilstorfer Straße gibt es sogar eine Fußgänger-Ampel und der Bordstein ist auf beiden Straßenseiten abgesenkt. Aber auf der Seite, auf der Meyer mit seiner Tochter den Fahrstuhl verlässt, kommt er nicht einmal bis zur Ampel, wenn er rechts herum in Richtung Wilstorfer Straße geht. Ein Verkehrsschild und ein Mauerpfeiler versperren ihm und dem Rollstuhl den Weg.

"Es ist schon bemerkenswert, wie hier, direkt vor der Haustür einer Behinderteneinrichtung, an Rollstuhlfahrer gedacht worden ist, nämlich überhaupt nicht. Dieses Problem haben alle Rollstuhlfahrer und ihre Betreuer. Geht man auf der Straße zur Tiefgarage, hupen einen die Autofahrer an", sagt Ewald Meyer. Seine Beschwerden, so Meyer, hätten keine Wirkung gezeigt.

"Diese Situation ist nicht hinnehmbar. Das ist wirklich sehr gefährlich für Rollstuhlfahrer. Wir werden uns dafür einsetzen, dass hier möglichst schnell Abhilfe geschaffen wird. Wir müssen uns alle angewöhnen, mehr zu fordern, denn wir haben nicht umsonst die UN-Behindertenkonventionen", sagt Birgit Przybylski vom Vorstand der Behinderten Arbeitsgemeinschaft Harburg. Keine Wirkung hatten anscheinend bislang die Beschwerden der Leiterin der Tagesstätte von Leben mit Behinderung. "Die Situation ist uns bekannt, und wir führen Gespräche", sagt Stefanie Könnecke, Sprecherin des Hamburger Trägers Leben mit Behinderung.

Mitinhaber des Harburg Carrée ist die Gesellschaft Prelios, ehemals Pirelli RE. Hier beruft man sich darauf, dass es sich lediglich um einen Nebeneingang handele. Der Haupteingang befinde sich, so lautet die Antwort auf Anfrage des Abendblatts, in der Eddelbüttelstraße. Dieser Zugang sei barrierefrei. Um von der Garage zu diesem Eingang zu kommen, müsste Ewald Meyer vom Parkhaus an der Wilstorfer Straße zur Eddelbüttelstraße gehen, um dann auf der Eingangsebene zur Wohngruppe wieder zurück um den Block zu laufen. "Das ist Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator nicht zuzumuten", sagt Birgit Przybylski.