Der Anlaufpunkt für Neuwiedenthals Jugend steht auf der “schwarzer Prioritätenliste“. Die Kinder übergaben 1000 Unterschriften.

Harburg. Das Spielhaus in Neuwiedenthal gibt es seit 1969. Der Flachbau am Rehrstieg ist täglich Anlaufpunkt für viele Kinder und Jugendliche aus der Umgegend. Hier können sie Tischtennis und Fußball spielen, Malen und Basteln, sich in Breakdance und anderen Tänzen üben oder aber auf dem benachbarten Bauspielplatz ihrem kreativen Spiel freien Lauf lassen. Fragt sich nur, wie lange noch. Nach der Senatsankündigung, die Mittel für die Offene Kinder- und Jugendarbeit um zehn Prozent kürzen zu wollen, findet sich das "SPH NWT" auf einer internen "schwarzen Prioritätenliste" des Bezirksamts Harburg mit erheblichem Einsparpotenzial auf Platz sechs.

"Dass das Spielhaus im Sommer nächsten Jahres geschlossen werden soll, ist ein Unding", sagt Nancy Peters. Deshalb verfasste die 29-Jährige einen Brandbrief, der für viel Furore sorgte. Mit seinem Bekanntwerden im Internet erhielt die zuvor schon laufende Unterschriftenaktion besorgter Eltern gegen die Schließung noch einmal mächtig Rückenwind. Bis zum Beginn dieser Woche waren bereits mehr als 1000 Signaturen zusammengekommen.

In einer spektakulären Aktion wurden die Listen am Mittwochabend dem Jugendhilfeausschuss übergeben. Die Mitglieder des Ausschusses staunten nicht schlecht, als rund 30 Kinder, Jugendliche und Elternvertreter mit Plakaten und Transparenten in den Sitzungssaal im SDZ an der Knoopstraße zogen. Der Aufmarsch rief sogar die Polizei auf den Plan. Die Aktion komme einer "nicht genehmigten Demonstration" gleich, ließen die Ordnungshüter wissen. Allerdings verzichteten sie auf weitergehende Maßnahmen, nachdem Harburgs Sozialdezernent Holger Stuhlmann mit dem Hinweis auf das Hausrecht des Bezirksamtes deeskalierend eingegriffen hatte.

Dass die Spielhaus-Abordnung hernach im Ausschuss aber nicht auch angehört wurde, ärgert die Initiatoren. "Da machen sich Eltern und Kinder auf den Weg ins Harburger Zentrum und dann dürfen sie ihre Argumente gegen die geplante Schließung nicht einmal vortragen. Das finden wir angesichts der Brisanz des Themas nicht in Ordnung", so Nancy Peters. Das Spielhaus sei inzwischen für Kinder und Jugendliche aus drei Generationen alltäglicher Anlaufpunkt gewesen: "Ich selbst und vorher auch meine Mutter sind dort groß geworden. Und ich will, dass auch mein acht Monate alter Sohn später im Spielhaus etwas erleben kann." Den Kindern werde wieder ein Stück Freiheit genommen, wenn Stadtteil-Einrichtungen wie das Spielhaus als verlässliche Ansprechpartner mit sozialer Kompetenz schließen müssten, schrieb die besorgte Mutter in ihrem Protestbrief. Und stellte unverblümt die drastische Frage: "Wollt ihr etwa, dass die Kids auf der Straße rumhängen und Scheiße bauen?"

Die Schließung hätte aber nicht nur für die Kinder, auch für die Eltern dramatische Auswirkungen. In Neuwiedenthal gebe es kaum Alternativen. "Die Schließung würde vor allem sozial schwache Familien treffen. In dem Problemstadtteil müssen oft Vater und Mutter arbeiten gehen, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Ob sie das dann noch im notwendigen Umfang tun können, ist mehr als fraglich." Dem Hinweis der Politik auf die neuen Ganztagsangebote der Schulen, mag Nancy Peters nur bedingt folgen. "Das GBS-Angebot an vielen Schulen befindet sich doch erst im Aufbau und ist noch gar nicht ausgereift", sagt sie. Überdies würden die Kapazitäten oftmals nicht ausreichen.

Am 21. September will der Jugendhilfeausschuss die Kürzungen der Rahmenzuweisungen im Bereich der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in einer Sondersitzung noch einmal eingehend beraten. Ob und wie viele Einrichtungen und Angebote tatsächlich zu retten sind, vermochte die Ausschussvorsitzende Heinke Ehlers momentan nicht zu beurteilen. "Dass der Bezirksamtsleiter das interne Papier aber vorab schon mit Pressevertretern diskutiert hat, halte ich für einen unfassbar respektlosen Umgang mit diesem Gremium", so die Grünen-Politikerin.

Laut dem Abendblatt vorliegendem Papier werden Angebote wie zum Beispiel die Nachmittagsgruppe Neuenfelde (Kosten 2012: 14 233 Euro), das mobile Projekt Eißendorf (2162 Euro) und das Sportangebot Op de Bünte (15 400 Euro) dem Rotstift gänzlich zum Opfer fallen. Ebenso wie das Spielhaus Sandbek (32 224 Euro). Im Spielhaus Neuwiedenthal, das den Träger Bezirksamt im Vorjahr 56 568 Euro kostete, sollen insgesamt 30 000 Euro eingespart werden. Ob es damit sinnvoll weitergeführt werden kann, ist mehr als fraglich.

Alle Sparvorschläge im Bereich Jugendhilfe summieren sich laut SPD-Bezirksfraktion auf 155 000 Euro. Ehlers bezweifelt, dass es dabei bleibt. Jan-Philipp Schucher, jugendpolitischer Sprecher der Harburger SPD-Fraktion, bekräftigt derweil erneut: "Wir wissen, wie wichtig Anlaufstellen, die Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit für Harburg sind. Wir setzen uns dementsprechend für ein flächendeckendes Angebot ein."