Die 30-jährige Janina ist Straßenmusikantin in einer Fußgängerzone in Harburg und damit so erfolgreich, dass sie sogar davon leben kann.

Harburg. Wer Janina ansieht, blickt in das Gesicht einer schmalen, scheinbar zerbrechlichen Frau. Hört man ihr mit geschlossenen Augen zu, wird dieser Eindruck verfälscht. Tief, hoch, ruhig, laut, voluminös und flüsternd, ihre Stimme verbindet alle Elemente und formt sie zu Melodien, Klängen und Silben. Singen, das ist für die Harburgerin Erholung und Beruf zugleich. Sie schafft es, die unterschiedlichsten Leute zu berühren. Auf der Straße, denn dort verdient sie ihren Lebensunterhalt.

Wenn sie in Harburg in einer Fußgängerzone steht, wird sie häufig auf ihren Gesang angesprochen. "Was ich gar nicht mag ist, wenn die Leute kommen und sagen, ich als Person sei so toll." Sie selbst empfindet Musik als etwas, das sich durch sie ausdrückt und dem ihre Stimme Klang verleiht. Wieso sie es bisher noch nicht geschafft hat, bekannter zu werden, kann sie nicht genau sagen. "Am Anfang habe ich nur ein bisschen vor mich hin gespielt. Dass ich irgendwann auf der Straße vor Leuten Musik mache, hätte ich nie gedacht."

+++ So ist die Vorschrift +++

An dem Hamburger Singer-Songwriter-Slam, der jeden Monat im Schanzenviertel veranstaltet wird, hat sie schon mehrmals teilgenommen und ihn gewonnen. Immer wieder wird sie von Passanten gebeten, auf Partys oder Festen aufzutreten. Diese Angebote nimmt sie gern an, und auch Kontakte zu Musikern aus anderen Städten wie Berlin hat sie bereits geknüpft. Zwei Probleme fallen ihr schließlich doch noch ein. "Ich bin sehr schüchtern. Und ich kann leider kaum Englisch." Da sie trotzdem gern in dieser Sprache Lieder schreibt, nutzt Janina das Internet und übersetzt viele ihrer Songs Wort für Wort.

Eine Rolle spielt auch die Angst. Angst davor, verbogen zu werden von Produzenten, Managern oder sogar dem Publikum selbst. "Ich mache diese Musik für mich, nicht vorrangig für das Geld", sagt die junge Frau. Vor sieben Jahren begann die heute 30-Jährige, verstärkt Musik zu machen. Bald darauf lernte sie, sich selbst mit der Gitarre und dem Klavier zu begleiten. Auf einem großen Festival spielt sie inzwischen ebenso gern wie auf einer Privatparty.

Wie sie von der Straßenmusik leben kann? "Das klappt meistens wunderbar", sagt Janina. Sie arbeitet ein- bis zweimal die Woche, in der Stunde verdient sie etwa 50 Euro. Das reicht, um ein WG-Zimmer in Eimsbüttel und einen nicht unansehnlichen Proberaum in Altona zu finanzieren. Gespielt wird nicht nach Zeitplan - wenn das Ersparte aufgebraucht ist, packt Janina ihre Gitarre, das Mikrofon und den Verstärker und fährt beispielsweise nach Kiel. "Dort funktioniert die Straßenmusik sehr gut." Warum das so ist, kann sie leicht erklären. "Es gibt in Kiel keine Einschränkungen für mich. Ich darf überall spielen, auch mit Verstärker. Die Leute reagieren eher auf mich, wenn der an ist", sagt die Künstlerin.

In Hamburg sei das wesentlich komplizierter. Wenn ihr die Polizei kein Verbot erteile, seien es Konkurrenten, die ihr Revier verteidigen. "Auch Ladenbesitzer oder Anwohner beschweren sich oft schon, wenn ich noch aufbaue", erzählt Janina. Nicht nur ihre durchdringende Stimme, auch die Lieder selbst seien ausschlaggebend für ihren Erfolg. Janina verdient ihr Geld ausschließlich mit Coversongs. Eigene Musik sei einfach zu leise und ruhig, darauf würden kaum Leute aufmerksam. "Eigentlich spiele ich viel lieber meine Musik. Aber wenn das nicht gut ankommt, mache ich Cover. Dazu muss ich mich eben immer etwas überreden", erzählt sie.

Die Frage nach einer Ausbildung lässt sie zögern. Das sei alles etwas kompliziert. "Meinen Schulabschluss habe ich leider bis heute nicht geschafft", sagt sie etwas resigniert. "Das ist aber okay, ich wusste immer, dass es auch einen anderen Weg gibt, gut zu leben." Oft musste sie mit sich ringen, um in der Schule durchzuhalten.

"Ich hatte Spaß im Leben, und es gab viele Dinge, die mich davon abgehalten haben, in die Schule zu gehen." Wie es sicherlich vielen Eltern ginge, war auch ihre Mutter anfänglich nicht begeistert über den unkonventionellen Werdegang ihres Kindes. "Aber als sie mich in meinem Zimmer proben hörte, hat sie gemerkt, dass ich Talent habe", erinnert sich Janina. "Danach hat sie mich viel mehr unterstützt." Obwohl ihr mit der Straßenmusik nichts fehle, sei es manchmal schade, keinen "richtigen" Beruf lernen zu können. Am liebsten hätte Janina Musikpädagogik studiert, doch das war ohne Schulabschluss nicht möglich.

Wie die nähere Zukunft aussieht, weiß Janina schon in etwa. 2013 will sie an dem bekannten Melodica Festival für Sänger teilnehmen. Seit 2007 dient es dazu, Künstlern neue Kontakte zu vermitteln, sie zu fördern und Talente hervorzuheben. Dass sie weiterhin von Musik leben möchte, steht außer Frage. "Wenn die Leute nach einem Auftritt zu mir kommen und zum Beispiel sagen 'Danke, deine Musik hat mich berührt', dann bin ich wirklich glücklich."