Auch im Hamburger Süden fordern Mediziner höhere Honorare. Kritik gibt es dabei auch am Verteilsystem innerhalb der Fachrichtungen.

Winsen/Stade/Lüneburg. Ein Ärztestreik wird immer wahrscheinlicher. Nachdem die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Honorarverhandlungen mit den Vertretern der Krankenkassen am Montag überraschend abgebrochen hatte, wollen die freien Ärzteverbände ihre Mitglieder nun über Warnstreiks und Praxisschließungen abstimmen lassen. Das könnte bedeuten, dass auch in Hamburg und in den Landkreisen Harburg, Stade und Lüneburg Patienten bereits Ende September bei der Terminvergabe mit längeren Wartezeiten rechnen oder auf Krankenhäuser ausweichen müssen.

"Im Moment habe ich aber noch die Hoffnung, dass es eine Einigung gibt", sagt Allgemeinmediziner Rüdiger Quandt aus Meckelfeld in der Gemeinde Seevetal. Dennoch kündigt er an, dass er bei einem Streik oder anderen Aktionen mitmachen würde - sofern es tatsächlich dazu kommen sollte. Der Mediziner, der zudem Vorsitzender des Bezirksverbands Lüneburg des niedersächsischen Hausärzteverbandes ist, bezeichnet das Honorar schon jetzt als sehr knapp. Die Kassenärztliche Vereinigung müsse für all ihre Mitglieder einen Kompromiss bei der Honorarverteilung finden. Wenn mehr Geld im Topf sei, sei dieser Kompromiss natürlich einfacher zu erfüllen, als wenn es weniger Geld zum Verteilen gebe.

+++ "Ein Streik wäre nicht besonders sinnvoll" +++

Quandt bezieht sich damit auf die Forderung der Ärzte nach einem Honoraranstieg in Höhe von 3,5 Milliarden Euro, was die Kassen als ein unbezahlbares Plus von 20 000 Euro pro Arzt und Jahr bezeichnet hatten. Bisher war für die rund 150 000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten eine Honorarerhöhung um lediglich 270 Millionen Euro oder 0,9 Prozent im Gespräch. Diese Summe entspräche pro Arzt einem Plus von 1800 Euro, was die Mediziner als zu niedrig empfinden.

"Beim jetzigen Verteilsystem ist es ja so, dass der fleißige und beliebte Arzt bestraft wird", sagt Quandt. Ab einer bestimmten Zahl von Patienten, die in Niedersachsen bei 1530 pro Quartal liegt, wird die Vergütung abgestaffelt. Heißt übersetzt, die Behandlung wird dann sozusagen zu einem Verlustgeschäft. Gerade in ländlichen Regionen würden viele Ärzte aber weit mehr als 1530 Patienten behandeln. "Wir weisen niemanden ab", sagt Quandt, der in seiner Praxis pro Quartal auf mehr als 1600 Patienten kommt.

Hinzu kommt ein weiteres Problem der ländlichen Ärzteschaft, und das ist die Nachwuchssuche. So lag beispielsweise im Landkreis Harburg im Jahr 2011 die Auslastung der medizinischen Versorgung bei 86 Prozent. Eigentlich hätten dort 30 Hausärzte mehr arbeiten müssen, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten. In Zukunft könnte sich die Situation noch einmal verschärfen, wenn Ärzte ihre Praxis aufgeben oder in den Ruhestand gehen, aber sich kein Nachfolger findet.

Um das Problem anzugehen, hat der Landkreis Harburg deshalb vor etwa einem Jahr die Initiative "Stadtlandpraxis" gestartet. Sie soll die Attraktivität des Arztberufs in den Vordergrund stellen und junge Ärzte, darunter vor allem Frauen, in die Region locken. Vor dem Hintergrund der aktuellen Honorar-Streitigkeiten stellt Kinderarzt Peter Weyer aus Winsen den Sinn dieser Kampagne infrage. Der Landkreis könne werben, so viel er wolle. "Aber es kommt doch nur einer her und lässt sich hier nieder, wenn die Bedingungen stimmen", sagt er. Auch Weyer würde mitstreiken, wenn es dazu kommen sollte.

Volker von der Damerau-Dambrowski ist da etwas anderer Meinung. Der Allgemeinmediziner aus Stade und zweite stellvertretende Vorsitzende des niedersächsischen Hausärzteverbands lehnt den Streik als Mittel ab, weil er den Patienten nicht schaden will. Er stuft das aktuelle Angebot der Krankenkassen zwar ebenfalls als zu niedrig ein, dennoch glaubt er, dass ein Anstieg des Honorars das Problem nicht lösen würde. Das läge vielmehr bei den Ungerechtigkeiten innerhalb der Ärzteschaft. Hausärzte, Kinderärzte, Augenärzte und andere weniger technische Fachgruppen hätten bei den Honoraren immer die rote Laterne.

"Es gibt das äußere Problem mit den Krankenkassen und das innere Problem, das die Verteilung der Honorare durch die Kassenärztliche Vereinigung betrifft", sagt er. Um letzteres zu lösen, wäre es aus seiner Sicht beispielsweise sinnvoll, wenn die Hausärzte an der Kassenärztlichen Vereinigung vorbei direkte Boni bekämen, damit diese Berufsrichtung für junge Medizinstudenten attraktiver werde. Außerdem müsste die Honorar-Staffelung je nach Patientenzahl pro Quartal abgeschafft werden. "Ärzte müssen sorgloser arbeiten können", sagt er. Ansonsten, da ist er sich sicher, werde es zu einer dramatischen Verschlechterung der Situation kommen.