Zwei pfiffige Schwestern finanzieren ihre eigene Firma Sugar Shape komplett unkonventionell: Crowdfunding und “Business-Angel“.

Stelle. Die Geschäftsidee ist einfallsreich, die Bank gibt trotzdem keinen Kredit. Viele Gründer werden deshalb ausgebremst. Denn das Geschäft mit Start-ups gilt bei Banken als risikoreich, weil Gründer meist keine Sicherheiten und nicht ausreichend Eigenkapital vorweisen können. Zwei Schwestern aus Stelle-Fliegenberg verzichten auf Kredite und haben das Kapital für ihre Firmengründung blitzschnell im Internet bei stillen Teilhabern besorgt: In nur drei Stunden und 55 Minuten hatten sie 100 000 Euro von Kleininvestoren gesammelt. Crowdfunding nennt sich diese Finanzierungsform von Start-ups aus dem Schwarm.

Ihre Idee halten viele Geldgeber offenbar für genial: Sabrina Schönborn, 32, und Laura Gollers, 24, wollen mit ihrem Onlineshop Sugar Shape den Dessousmarkt aufmischen. Die kurvenreichen Schwestern vom Elbdeich werfen der BH-Industrie vor, die Entwicklung des weiblichen Körpers ignoriert zu haben. Ein BH der üblichen Standardgrößen würde meist drücken oder rutschen. 80 Prozent der Frauen trügen eine falsche BH-Größe, sagt Laura Gollers. Die Folge: Druckstellen und Rückenschmerzen.

Ein BH besteht aus 50 verschiedenen Einzelteilen, die so gekonnt zu einer Einheit geformt werden müssen, dass die Brüste dort bleiben, wo sie hingehören: ins Körbchen. Sogar ein eigenes Größensystem haben die Gründerinnen entwickelt. Ihre Botschaft über den Dessous-Frust der Frau vermitteln die beiden so glaubhaft, dass 170 Kleininvestoren sich darum drängelten, am erwarteten Erfolg des Unternehmens beteiligt zu sein.

+++ Kollektion von Sugar Shape - Was Frauen wollen +++

Normalerweise sucht sich das Internetunternehmen Seedmatch seine Kandidaten aus. Existenzgründer bewerben sich bei der Crowdfunding-Plattform, die als Vermittler Start-ups mit pfiffigen Ideen und Kleininvestoren zusammenbringt und dafür eine Provision kassiert. Auf Sugar Shape kam Seedmatch von allein zu, nachdem Sabrina Schönborn und Laura Gollers bei einem Wettbewerb in Hamburg mit 60 Gründern gewonnen hatten und im Internet ein Film über die Dessousrevolutionäre gelaufen war.

Innerhalb von 60 Tagen sollten 50 000 Euro Kapital generiert werden, damit das Geschäft zwischen Seedmatch und Sugar Shape zustande kommt. Als die Crowdfunding-Firma an einem Donnerstag um 16 Uhr die Möglichkeit zum Investment in den Dessous-Onlinehandel freigab, lieferten sich die Mikrokapitalgeber einen Wettlauf. Nach nicht einmal vier Stunden war die Investmentobergrenze von 100 000 Euro bereits erreicht. Mehr erlaube leider der Gesetzgeber nicht, erklärt Sabrina Schönborn, weil dieser davon ausgehe, dass ein Start-up bei zu vielen Kleininvestoren nicht mehr seinen Informationspflichten nachkommen könne.

Vor ihrem Computer sitzend, wollten die beiden Schwestern eigentlich mit Sekt auf den ersten Investor anstoßen. Stattdessen wurden sie von Geldgebern geradezu überrannt. "Wir konnten minütlich sehen, wie das Kapital anwächst", erinnert sich Laura Gollers. "es war überwältigend."

Wer sind die Geldgeber aus der Internet-Community? Nach Angaben von Seedmatch sind die Investoren in die Start-ups der Plattform im Durchschnitt 37 Jahre alt. Sie investieren im Durchschnitt 577 Euro. Seedmatch habe ein Jahr nach seiner Gründung insgesamt mehr als 1,6 Millionen Euro investiertes Kapital gesammelt und 17 Start-ups erfolgreich finanziert.

Ins Geschäft reinreden können die Mikroinvestoren den beiden Schwestern nicht. "Man kann keine Vision aufbauen, wenn fremde Personen versuchen, ihre Ideen durchzudrücken", sagt Sabrina Schönborn, die Wirtschaftspsychologie studiert und für Burda und Tchibo gearbeitet hat. Die 170 Geldgeber seien stille Teilhaber, erklärt die Geschäftsführerin, die sich ihren Gewinn auszahlen lassen können, sollte der Wert des Unternehmens steigen. Seedmatch taxiert den Wert des Dessousunternehmens auf mehr als 1,5 Millionen Euro. Geduld sollten Kleininvestoren mitbringen: Gewinn sieht der Businessplan im ersten Jahr nicht vor.

Zwar behalten die beiden Firmengründerinnen das letzte Wort. Sabrina Schönborn und Laura Gollers setzen aber auf die Schwarmintelligenz und lassen die Käuferinnen per Online-Voting und Kommentaren bei Facebook und im firmeneigenen Blog mitentscheiden, welches Design und Modell sie produzieren lassen.

Als Alternative zur klassischen Bankfinanzierung haben Existenzgründer zudem die Möglichkeit, sogenannte "Business-Angel" für sich zu gewinnen. Das sind meist ehemalige Unternehmer, die Zeit und Geld sowie den Ehrgeiz haben, jungen Unternehmen zum Höhenflug zu verhelfen. In der Regel, sagt Sabrina Schönborn, brächten "Business-Angel" Beträge in der Höhe von 20 000 bis 50 000 Euro mit.

Gleich zwei solcher Engel mit Geld unterstützen das Start-up Sugar Shape: Unternehmerpersönlichkeiten aus dem Raum Lüneburg. Mäzene mit Geld und Know-how seien gar nicht einmal selten, sagt Sabrina Schönborn. Gründer könnten sie über die verschiedenen Netzwerke der Start-up-Szene gezielt treffen.