Der Pastor-Bode-Weg führt von Lüneburg nach Wilsede - eine Annäherung in drei Etappen. Heute: Zu Fuß vom alten Kloster nach Salzhausen.

Lüneburg/Salzhausen. Auf Lüneburgs höchstgelegener Parkbank hat es sich an diesem Morgen eine junge Frau bequem gemacht. Sie döst entspannt vor sich hin und bekommt nicht mit, dass ein Stück weiter am Aussichtspunkt auf dem Kalkberg ein Mann einem Pärchen erklärt, dass der Stadtname vermutlich von dem karolingischen Begriff "Hluini", deutsch für "Zuflucht", stammt. Für eine Flucht gibt es heute keinen Grund, vielmehr soll eine Annäherung versucht werden, eine Annäherung an einen Menschen, der die Region geprägt hat wie kaum ein Zweiter - den Heidepastor Bode.

1860 wurde Wilhelm Bode geboren, die Familie lebte im Michaeliskloster am Fuß des Kalkbergs. Deshalb beginnt dort am alten Kloster auch der Pastor-Bode-Weg, der über 44 Kilometer nach Wilsede führt und zur Begegnung mit Bode in drei Etappen auffordert. 2009 wurde die Strecke als Themenwanderweg des Naturparks Lüneburger Heide eingeweiht. Der Weg soll an das Wirken Bodes in der Nordheide erinnern - und an eine Wanderung, die der damals 16-Jährige zu Ostern 1877 unternommen haben soll.

Diese Wanderung, auf die ihn sein Vater mitnahm, der auch Wilhelm hieß und als Seminaroberlehrer in Lüneburg ein bekannter Mann war, soll die lebenslange Liebe Bodes zur Lüneburger Heide ausgelöst haben. So steht es in der Bode-Biografie von 1928, die Walter Brauns verfasst hat und die in einer Neuauflage nach wie vor erhältlich ist. Zwei einsame Wanderer seien damals auf der alten Landstraße, aber auch auf schmalen Pfaden von Lüneburg über Salzhausen und Egestorf ins Herz der Heide gegangen, schreibt Brauns. Den genauen Streckenverlauf nennt er nicht, andere Quellen über die legendäre Wanderung der beiden Bodes gibt es nicht. Und selbst der Biograf räumt im Vorwort zu seinem Buch ein, dass nicht jede Begebenheit belegt sei.

So ist der neue Weg nicht unbedingt genau der, den die Bodes damals nahmen. Am Michaeliskloster weist ein grüner Wegweiser mit einem kleinen Dach aus Holz nach Westen: 21,5 Kilometer sind es demnach bis zum heutigen Etappenziel in Salzhausen. Auf dem weiteren Verlauf der Strecke sollen gelbe Pfeile den Weg weisen, doch das klappt nicht immer so ganz. Nach einem kurzen Abstecher auf den Kalkberg, der eigentlich nicht zum Pastor-Bode-Weg dazugehört, aber ein Muss ist, wenn der Wanderer schon einmal hier ist, verliert sich schon an der ersten größeren Straße die Markierung. Die Orientierung zum Glück nicht, und so lässt sich anhand der mitgeführten Karte die einzuschlagende Richtung rekonstruieren.

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Bald geht es unter hohen, Schatten spendenden Bäumen und an Kleingärten vorbei auf einem Weg aus Sand und Kies in Richtung Westen. Die Freude, nun im Grünen angekommen zu sein, ist nur von kurzer Dauer. Kleingärtner sind fleißige Menschen, da wird gebuddelt, angestrichen, und einer hat, kreischend laut und weithin zu hören, die Schleifmaschine eingeschaltet. Dann weichen die Kleingärten Neubaugebieten an beiden Seiten des Weges - die Bodes hätten an dieser Stelle ihre Heimatstadt längst hinter sich gelassen.

Die erste Stunde vergeht wie im Flug, angesichts der städtischen Eindrücke und des Abstechers auf den Kalkberg. Und endlich wird auch die Umgebung richtig idyllisch: Alte Buchen und Eichen säumen den Weg ebenso wie Kartoffeläcker, Korn- und Maisfelder. Jetzt wird es schön, jetzt macht das Herz einen Sprung, und mitten im Nirgendwo steht der nächste Wegweiser. Nach links zweigt ein Weg ab in Richtung Heiligenthal und Amelinghausen, nach rechts führt der Pastor-Bode-Weg weiter durch ein Waldstück zwischen Reppenstedt und Kirchgellersen. Gelegentlich kommen Frauchen und Herrchen mit Hunden des Weges, eine Amsel begleitet den Wanderer ein Stück, plötzlich sind zwei Rehe nur wenige Meter voraus.

Da der Weg prinzipiell an den Ortschaften vorbei führt, ist eine Einkehr nicht vorgesehen. So ist der Wanderer gut beraten, neben der unverzichtbaren Wanderkarte ausreichend Verpflegung und Getränke im Rucksack dabeizuhaben. Doch leider mangelt es an geeigneten Plätzchen für eine gemütliche Rast. Fast zwei Stunden nach dem Start endlich eine Bank am Rande eines Feldes, doch ohne Tisch, so ist dies kein idealer Ort für eine stärkende Mahlzeit.

Zwischendurch wird der Pastor-Bode-Weg immer mal wieder zum Urwaldpfad, hohes Gras und Brennnesseln wuchern in den Weg hinein. Wohl denen, die nicht gar zu optimistisch waren - Shorts oder Rock wären hier fehl am Platz. Ob nicht der Einsatz einer kommunalen Mähmaschine gelegentlich möglich wäre? Die Wanderer würden es danken. Zwischen Wald und Feldern führt der Weg weiter nach Westen, der Heide entgegen, von der hier nichts zu sehen und nicht einmal zu ahnen ist. Die Füße beginnen zu schmerzen. Wie mag es den Bodes ergangen sein, vor 135 Jahren? Hatte man damals bequemeres Schuhwerk, oder waren die Menschen lange Fußmärsche einfach gewöhnt?

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Hufspuren auf dem weichen Sandweg verraten, dass der Wanderer sich nun dem Reitsportzentrum Luhmühlen nähert. Heute sind hier keine Profis, nur zwei junge Reiterinnen preschen mit ihren Pferden durch das kühlende Nass des Wassergrabens. An Wasser darf auch der Wanderer sich erfreuen: Ein Stück weit geht es am Brünbach, dann an der Luhe entlang.

Doch je näher das Ziel kommt, umso mehr scheint der Weg endlos, ohne Fußweg verläuft er zwischen Luhmühlen und Salzhausen direkt auf der Fahrbahn einer gut frequentierten Straße. Die Kirche von Salzhausen ist schon seit einer halben Stunde im Blickfeld, doch sie scheint nicht näher zu kommen. Endlich ist es geschafft. Ob sie wissen, auf wessen Spuren sie hier unterwegs sind? Das hätte ich gern andere Wanderer gefragt, bloß: Es gibt keine, an diesem schönen Sommertag ist hier niemand unterwegs.

Was hat das erste Teilstück gebracht? Schöne weite Blicke über Stadt und Land, viel gesunde Bewegung, schmerzende Füße und die Vorfreude auf die zweite Etappe auf den Spuren des Heidepastors Wilhelm Bode.