Abendblatt-Reporter Andreas Schmidt nahm sich die Zeit und fuhr mit dem Tretboot über die Außenmühle

Es gibt Orte, die mich magisch anziehen. Wenn ich dort bin, bleibt die Zeit stehen. Dann geht mein Herz auf. Ich atme tief ein und spüre, dass ich Mensch bin.

Der Außenmühlenteich in Harburg ist so ein Ort. Die Außenmühle hat olivgrünes Wasser. Sie ist umgeben von Buchen und Erlen. Auf ihr schwimmen Enten und Haubentaucher, in ihr tummeln sich Hechte und Karpfen. Manchmal fliegen Eisvögel übers Wasser. Die Außenmühle ist ein Schatz für das teilweise geschundene Harburg. Die "kleine Außenalster" ist Balsam für Mensch und Tier.

Ich bin schon oft um die Außenmühle gewandert. Mal allein, mal mit Frau, Kindern und Entlebucher Sennenhund. Die schönsten Runden habe ich mit meinem Großvater gemacht, ganz langsam schob er seinen Gehwagen voran. Wir haben über Gott und die Welt geredet. Vor drei Jahren ist er in Wilstorf im "Haus am Frankenberg" gestorben, nach einem letzten Spaziergang um seine Außenmühle. Mein Großvater war glücklich an der Außenmühle.

An diesem Tag möchte ich die Außenmühle auf dem Wasser erkunden. Die Sonne scheint, kein Lüftchen weht. Ich leihe mir ein Tretboot im Bootshaus zur Außenmühle. Ich bin ganz allein auf dem Teich. Das Boot läuft wie geschmiert, ich spüre kaum, dass ich trete.

Der Blick vom Wasser aus eröffnet neue Perspektiven. Man sieht mehr, spürt mehr, riecht mehr, hört mehr. Ich sehe drei Lachmöwen und eine Blässgans auf einem Ponton sitzen, friedlich nebeneinander. Ich sehe, wie der Haubentaucher taucht, wieder und wieder. Ich höre Kinderlachen von einem Spielplatz am Uferrand. Die Außenmühle riecht nach frischem Bergbachwasser.

Ich fahre am Schwimmbad Midsommerland vorbei. Mütter und Kinder liegen auf dem Rasen in der Sonne. Ein Mann trinkt eine Cola. Drei Nackedeis liegen auf Sonnenstühlen.

Nach einem Kilometer Tretens ist Schicht im Schacht auf der Außenmühle. Rote Bojen zeigen an: Hier bitte nicht weiter! Ich könnte natürlich weiterfahren, denn es ist keine Schnur zu sehen. Aber Herr Fast, der Bootsvermieter, ein Hüne von Mann, hat mir gesagt, nur bis dahin, dahinter ist ein Schutzgebiet für die Vögel.

Die Vögel lasse ich besser in Ruhe. Es ist der perfekte Tag. Ein Lied kommt mir in den Sinn: Der Euro-Song der Toten Hosen "An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit, an Tagen wie diesen haben wir noch ewig Zeit, wünsch ich mir Unendlichkeit." Ich mag das Lied. Campino, der Sänger der Toten Hosen singt es mit viel Gefühl. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich das Lied höre.

Campino bringt meine Gefühle auf der Außenmühle auf den Punkt: Ich habe jetzt ewig Zeit. Zeit für die Außenmühle. Für die Unendlichkeit im Tretboot. 10 Euro kostet dieser Schatz.

Ich fahre die Außenmühle noch ein paar Mal rauf und runter und lasse mich treiben. Herrlich. Am Ufer steht ein Reiher auf einem Baumstamm. Er ist die Ruhe selbst und lässt den Tretbootfahrer Tretbootfahrer sein.

Manchmal würde ich auch gerne ein Reiher sein. Oh Mann, was würde ich alles sehen und erleben! Ich würde im Gehölz schlafen, mir tagsüber ein paar schöne Fische schnappen und im Frühjahr eine schöne Reiherfrau. Das Beste am Reiherleben wäre das Leben in der Luft. Ich würde über Harburg fliegen, höher als der Schornstein der Phoenix-Werke. Ich würde die Süderelbe überfliegen und in Wilhelmsburg eine Runde drehen. Im Tideauenwald Heuckenlock würde ich den Seeadler grüßen. Vielleicht würden wir Freunde werden und zum Michel fliegen. Aber hier unten ist es ja auch wunderschön. Auf der Außenmühle, wo nur der Moment zählt. Und kein Ende in Sicht.