Laurens Spethmann aus Seevetal hat kräftig investiert. Beutel ohne Aluklammer und zum Aufgießen mit kaltem Wasser sind das Ergebnis.

Buchholz. Die Maschine hat von allem etwas: Abfüllstation, Nähmaschine, Waage und Verpackungseinheit, und sie rattert ununterbrochen. Nur ab und zu wirft Sigrid Borkot einen prüfenden Blick darauf. Drei Mitarbeiter reichen aus, um acht dieser Anlagen zu überwachen, die sich hier bei Milford Tea in Buchholz aneinanderreihen. Werkleiter Andreas Rippstein hat alle Mühe, das Wunderwerk der Technik zu erklären. Denn die Vorgänge gehen für das menschliche Auge viel zu schnell. Teemischung, Beutel, Etikett und Faden finden vollautomatisch zueinander. Der Beutel ist zunächst ein Schlauch, wird befüllt, gefaltet und gerändelt. Dann verbindet ein Baumwollfaden Teebeutel mit dem kleinen Etikett durch zwei Knoten. "Mit dieser neuen Technik kommen wir ohne die bisher übliche Metallklammer aus", sagt Rippstein. "Das spart 50 Tonnen Aluminium im Jahr und macht die Teebeutel ohne Rückstände kompostierbar." 350 Teebeutel in der Minute schafft so eine Maschine. In den kleinen Faltschachteln verlassen die einzeln verpackten Teebeutel die Maschine und rollen auf Transportbändern an der Decke zu den vollautomatischen Abpackstationen. 140 Mitarbeiter reichen aus, um in Spitzenzeiten täglich bis zu 18 Millionen Teebeutel zu produzieren.

Das ist mehr als die Hälfte der täglichen Teeproduktion der Familienfirma Laurens Spethmann Holding mit Sitz in Seevetal. Die Teeproduktion macht 75 Prozent des Umsatzes von 475 Millionen Euro aus. Zudem werden noch Süßstoffe, Riegel und Cerealien produziert. Zwar ist der Teemarkt in Deutschland nur ein Fünftel so groß wie der für Kaffee, doch gerade deshalb sieht der Firmenchef noch Potenzial. "Wir setzen darauf, mit Neuentwicklungen und unserer Markenstrategie das Kerngeschäft zu stärken", so Jochen Spethmann, Chef der Laurens Spethmann Holding AG & Co. KG (LSH).

Denn der Trend zu Wellness und gesundheitsbewusster Lebensweise bietet Absatzchancen für neue Teemischungen. "Ein Drittel des Teesortiments wird alle zwei Jahre erneuert, denn Geschmack und Vorlieben der Verbraucher verändern sich", sagt Spethmann. 30 Prozent der Kunden trinken ihren Tee am liebsten kalt. Das brachte Spethmann auf eine neue Produktidee. "Wir bieten den ersten Teebeutel an, der kalt aufgegossen wird", sagt Spethmann. Das neue Produkt Milford kühl und lecker soll in verschiedenen Geschmacksrichtungen wie Apfel oder Erdbeere-Rhabarber dem Eistee in Flaschen Konkurrenz machen. "Im Gegensatz zum Eistee kommen wir ohne Zucker aus", sagt Spethmann.

+++ Schon 1907 gegründet +++

Die Produktentwicklung hat die LSH in die HafenCity nach Hamburg verlegt, in das Meßmer Momentum. Es ist Gaststätte, Shop, Teemuseum und Entwicklungslabor in einem. Mit 130 000 Besuchern im Jahr nutzt das Unternehmen diesen Ort auch, um noch mehr Kunden für Tee zu begeistern. Mitunter werden sie auch zu Testpersonen für neue Mischungen. Der grüne Tee mit der Geschmacksrichtung Orange-Ingwer stand nur dort auf der Speisekarte, war aber sehr gefragt. Als die Mischung der Marke Meßmer bundesweit im Handel angeboten wurde, gelangte sie gleich unter die zehn meistverkauften Sorten. Zehn Mitarbeiter sind im Momentum für die Entwicklung neuer Teemischungen zuständig. Dort werden auch die Rezepturen für die Teemischungen entwickelt, die dann in Buchholz gemischt und in Gebinden bis zu 500 Kilogramm abgefüllt werden, aus denen die Teeabpackmaschinen ihren Nachschub erhalten.

Noch wird Tee überwiegend von Frauen gekauft. "Mit einer speziellen, etwas kräftigeren Mischung bei schwarzem Tee der Marke Meßmer wollen wir nun gezielt auch die Männer ansprechen." "Black Label" steht seit Anfang Juli in den Regalen der Supermärkte.

Die LSH ist unter den Teeproduzenten die Nummer zwei in Europa hinter Unilever Lipton. "In Deutschland kommen wir mit unseren Markenprodukten auf einen Marktanteil von 31 Prozent, zusammen mit den Handelsmarken liegt der Anteil bei rund 50 Prozent", sagt Spethmann. Unter den Marken der LSH steht Milford vor allem für Früchte- und Kräutertee. Die bereits 1966 ins Leben gerufene Marke ist preislich günstiger und richtet sich auch an junge Käufer, wie die neueste Kreation des kalten Tees zeigt. 1990 wurde die Marke Meßmer erworben, die im Premium-Segment angesiedelt ist und ein breites Sortiment an klassischen Schwarztee-Sorten bietet. Bereits 1988 wurde das ostfriesische Teeunternehmen OnnO Behrends gekauft. "Für diese Region braucht man eine eigene lokale Marke, da dort loser Tee bevorzugt wird", sagt Spethmann.

Für den Teeeinkauf sorgt Spethmann selbst. Nach einer Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann beim Hamburger Traditionsunternehmen Alfred C. Toepfer schickte ihn seine Mutter zur Teeausbildung nach London. Anschließend baute er als 22-Jähriger in den USA eine Teefirma auf. Noch heute ist der 54-Jährige als Chefeinkäufer viel unterwegs. Schwarzen und grünen Tee kauft er in China, Indien, Sri Lanka, Kenia und Indonesien. "In Japan kaufen wir keinen Tee, weil er zu teuer ist und oft zu viele Schadstoffe enthält", sagt Spethmann. "Wir überprüfen die Tees auf 600 verschiedene Rückstände und gehen dabei weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus." So werden bereits beim Teeanbau alle Möglichkeiten zur Einflussnahme für sichere Produkte ausgeschöpft. Bei den Kräuter- und Früchtetees werden 200 verschiedene Pflanzen aus 70 Ländern genutzt. So kommt die Pfefferminze aus den USA und Polen, die Kamille aus Argentinien und Thüringen und die Hagebutte aus Chile.

In den vergangenen drei Jahren wurden 50 Millionen Euro in das Unternehmen investiert. Allein die Entwicklung und Produktion der neuen Abfüllanlagen in Buchholz kosteten 80 Millionen Euro. Vom ersten Anstoß eines israelischen Kunden, Teebeutel ohne Metallklammer zu produzieren, bis zur vollständigen Umsetzung der neuen Technologie dauerte es zehn Jahre. "Dafür laufen die neuen Maschinen auch ein Drittel schneller als die Vorgänger", sagt Werkleiter Rippstein.

Viele Projekte des Unternehmens zeigen die Ausdauer des Marathonläufers und Hockeyspielers Spethmann. 40 bis 50 Kilometer läuft er pro Woche. Mit Ausdauer und Weitsicht hat die Familie ein Teeimperium aufgebaut. Doch dort, wo sich die Erwartungen nicht erfüllen, setzt Spethmann, der seit 2000 Vorstandsvorsitzender ist, konsequent zum Schnitt an. "Vom englischen Markt haben wir uns nach zwei Jahrzehnten zurückgezogen und die Firma Keith Spicer verkauft", sagt Spethmann.

Obwohl in Asien viel Tee getrunken wird, ist das noch nicht der Zielmarkt von Spethmann. "Unser Kerngeschäft ist der Teebeutel. Nur in Ländern, wo er sich bereits durchgesetzt hat, haben wir Wachstumschancen", sagt Spethmann. "Das setzt auch einen entwickelten Einzelhandel voraus." Deshalb zielt die Expansion vor allem auf Mittel- und Osteuropa. "Es gibt dort viele Länder, wo wir noch nicht Marktführer sind", sagt Spethmann. Mit Ülker, einem der größten Lebensmittelproduzenten der Türkei, hat die LSH Milford Yildiz gegründet und so den Einstieg in das Land begonnen. Spethmann: "Das Unternehmen wollte einen starken Partner für den drittgrößten Teemarkt Europas."