Geschäftsleute vom Sand sammeln Unterschriften gegen den Aufenthalt der Trinker am Brunnen. Diese Szene droht außer Kontrolle zu geraten.

Harburg. Die Sommersaison bringt nichts Gutes für die Geschäftsleute am Sand. "So langsam gerät die Alkoholikerszene, die sich hier am Brunnen trifft, außer Kontrolle. Es gibt fast täglich Pöbeleien, manchmal schlagen sich die Trinker auch. Meine Kunden werden belästigt, die kaufen bald vielleicht woanders ein", sagt Kiosk-Besitzer Ali Kashgar. Längst würden die Betrunkenen in Hauseingängen und an Bäumen ihre Notdurft verrichten. - Manchmal sogar vor den Gästen der Bäckerei Weiss, die an den vorm Laden aufgebauten Tischen und Stühlen Kaffee und Kuchen genießen wollen. "Die kommen außerdem zu uns ins Geschäft und wollen sich Pappbecher holen, aus denen sie dann ihr Bier trinken. Eklig", sagt Verkäuferin Jennifer Boy.

Auch Imbissbesitzer Bilal Karatepe, ist wütend. "Die Säufer entblößen sich, betteln meine Gäste um Geld und Zigaretten an. In meinen Leben habe ich noch nicht so oft die Polizei gerufen, wie in den vergangenen Wochen", sagt er aufgebracht. Blumenhändlerin Petra Niebel nickt. "Das geht nicht mehr so weiter mit denen. Die Kunden haben Angst, an den grölenden Männern und Frauen vorbeizugehen." Bis zu 15 Leute würden sich dort bereits am Vormittag treffen und die Flaschen kreisen lassen. Am schlimmsten sei es am späten Nachmittag, "wenn sich die Brunnen-Fraktion einen bestimmten Pegel angetrunken hat", so Kashgar, der das Geschehen auf dem Sand von seinem Geschäft aus gut im Blick hat.

Dann kann es unangenehm werden auf dem Sand: Als kürzlich ein Mitglied der Brunnen-Runde laut Bilal Karatepe eine Wodkaflasche auf ein am Straßenrand abgestelltes Auto schmiss und beschädigte, wurde es den Geschäftsleuten zu bunt. "Jetzt haben wir uns zusammengetan und eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen. "Wir haben die Nase voll. Der Sand ist keine Kneipe und keine Toilette", heißt es auf dem Papier. "Passanten und Kunden der Läden und Markthändler können mit ihrer Unterschrift ihren Unmut mit dieser Situation zum Ausdruck bringen", so Kashgar. Sind die Listen komplett, sollen sie Bezirksamtsleiter Thomas Völsch überreicht werden. "Das Bezirksamt soll für Ordnung sorgen. Die sollen hier weg", so Imbisschef Karatepe. "Die Trinker in Harburg - das ist ein Fass ohne Boden", sagt ein Beamter des Harburger Polizeikommissariates. Täglich seien seine Kollegen im Einsatz, um Betrunkene zur Raison zu bringen. Nicht nur auf dem Sand, sondern auch auf dem Rathausplatz, dem altbekannten Treffpunkt von Alkoholikern mitten in Harburg sowie auch vor dem Gloria-Tunnel sei eine Gruppe präsent. Viel Arbeit für Harburgs Polizei, wenn auch, so heißt es von den Beamten, weder Sand noch Rathausplatz zu den Gefahrenzonen Harburgs gehören. "Deshalb wird auch nicht erhoben, wie oft dort etwa Platzverweise ausgesprochen werden", sagt eine Polizistin.

Wie berichtet, sahen Politik und Verwaltung dennoch Handlungsbedarf und wollten sich um einen Trinkerraum nach Kieler Modell bemühen, um die Alkoholiker von der Straße zu bekommen. Zuvor hatte eine niedrigschwellige Aktion, die zum Ziel hatte, die Trinker durch Arbeitsangebote von ihrer Sucht abzubringen, wenig Erfolg gezeigt.

In Schleswig-Holsteins Hauptstadt hingegen gibt es mittlerweile sogar schon zwei Betreuungseinrichtungen, in denen sich Abhängige aufhalten und mitgebrachte leichte alkoholische Getränke konsumieren dürfen. Das Angebot versteht sich als ordnungspolitische Maßnahme, weniger als therapeutische Einrichtung. Hintergrund war, dass sich im Innenstadtbereich Alkoholiker trafen, die Geschäftsleute und Kunden belästigten. Aufgrund von Bevölkerungsprotesten war das Sozialreferat deshalb dazu gezwungen, zu handeln. In Kiel geht das Saufraum-Konzept auf - davon konnte sich eine Delegation von Harburger SPD-Bezirksversammlungsabgeordneten bereits während einer Dienstreise im vergangenen Jahr überzeugen. Die Räume sind gut besucht. Und so ganz alleine gelassen werden die Süchtigen dort nicht. Wer will, kann sich von Sozialarbeitern Hilfe für eine Entzugstherapie organisieren lassen.

Seit nunmehr fast anderthalb Jahren wird in Harburg an der Idee, die Kieler Methode zu kopieren, herumgedoktert. "Wir arbeiten noch daran", sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Jürgen Heimath. Standort und Träger müssten noch gefunden werden.

Ein Alkoholverbot im Innenstadtbereich lehnen die Sozialdemokraten allerdings ab - wenn auch nicht einstimmig. Bezirksversammlungspräsident Manfred Schulz, SPD, stemmt sich dagegen. Denn vor zwei Jahren ist er von einem Mitglied der Rathausplatz-Trinker attackiert worden. Seitdem steht er einem Alkoholverbot für Harburgs City aufgeschlossener gegenüber. "Alle Leute sollen angstfrei öffentliche Straßen und Plätze nutzen dürfen. Man darf diese Orte nicht einer bestimmten Szene überlassen", sagt er.

Darin ist er sich mit der Opposition einig. "Es zeigt sich immer deutlicher, dass wir hier ohne ein Alkoholverbot nicht mehr auskommen", sagt CDU-Kreischef Ralf Dieter Fischer. Der Wochenmarkt und die umliegenden Geschäfte sollen ja gerade aufgewertet werden. "Das geht gar nicht, wenn sich dort eine Trinkerszene festsetzt", so Fischer. Es sei zwar nicht einfach, dort Alkohol zu verbieten, da ja auch ein Supermarkt geistige Getränke an seine Kunden verkaufe, "aber man könnte das Trinken auf den umliegenden Bänken und Grünflächen untersagen", so Jurist Fischer.

Doch genau darin liegt beim Bezirksamt der Knackpunkt. "Auf dem Marktplatz darf kein Alkohol konsumiert werden. Der Brunnen, bei dem sich die Bier trinkenden Damen und Herren aufhalten, gehört nicht dazu", sagt Behördensprecherin Beatrice Göhring. Es sei allerdings geplant, diese Anlage in den Platz mit einzubeziehen und fortan den Alkoholabhängigen die rote Karte zeigen zu können. "Wir werden dann auch entsprechende Schilder aufstellen", so Göhring.

Wie es sich allerdings verhält, wenn am Nachmittag aus dem Marktplatz ein Parkplatz wird? "Daran arbeiten wir noch", so Göhring.