Beim Auslaufen aus dem Binnenhafen rammte der Seelenverkäufer sieben Boote des Harburger Yachtclubs. Sehen Sie hier den Unfall im Video.

Harburg. "Mast und Schotbruch und allzeit gute Fahrt" heißt es unter Seeleuten, wenn ein Schiff die Anker lichtet. Bei der "Gloria D." scheint wohl eher der Klabautermann sein Unwesen zu treiben. Denn beim Versuch, den Binnenhafen zu verlassen, rammte der Seelenverkäufer nicht nur die Steganlage des Harburger Yachtclubs, sondern auch einige Yachten. "Auf einmal krachte es gewaltig, da wurde mir mulmig", sagt Hafenmeister Björn Broertjes. Er war erstaunt, als die "Gloria D." wenig später um die Ecke bog und am Kai einer Baggerfirma festmachte. "Da schwante mir Böses. Das Schiff hat einfach kein Glück", sagt er und schüttelt den Kopf.

Wie berichtet, liegt die Gloria D. bereits seit 2004 im Überwinterungshafen und rottet vor sich hin. Verschwinden sollte sie eigentlich schon im Februar dieses Jahres. Aber das Bezirksamt dem Eigner I. eine letzte Frist zum 30. Juni gesetzt. Bis dahin sollte der Kahn abgedampft sein, sonst drohte ein Zwangsgeld. Bis Sonnabend tat sich allerdings nichts an Bord. "Sollte das Schiff im Binnenhafen verbleiben, werden wir ein moderates Ordnungsgeld aussprechen. Ich vertraue dem Eigentümer", sagt Baudezernent Jörg Heinrich Penner.

Zu recht? Polizeihauptkommissar der Wasserschutzpolizei Peter Welcher begleitet das Schicksal der "Gloria D." schon eine ganze Weile. "Der Eigner hatte sich einen Schiffsführer besorgt, der ein Kapitänspatent hat. Dieser Mann sollte die 'Gloria D.' aus dem Hafen manövrieren. Die Reise sollte nach Kiel auf eine Werft gehen", sagt er auf Nachfrage des Abendblatts. Kurz nach dem Ablegen, so Welcher, scheint es zu einem Maschinenschaden gekommen zu sein. "Daraufhin muss die Ruderwirkung beeinträchtigt worden sein, sodass das Schiff nicht mehr exakt zu steuern war", so der Beamte. Es kam zu den Havarien, danach habe sich die "Gloria D." aus eigener Kraft allerdings noch zu ihrem Notliegeplatz schleppen können.

Wie hoch der Schaden sei, "kann man noch nicht beziffern", sagt Welcher. Eigner I. habe den Dampfer allerdings versichern müssen. "Das gehört zu den Auflagen, die ihm von Amts wegen gemacht wurden." Vorerst heißt es für die Gloria D. "alle Maschinen stopp". "Aus Gründen der Gefahrenabwehr haben wir ein vorläufiges Weiterfahrgebot ausgesprochen", sagt Welcher. Er können sich vorstellen, dass die Behörde beim nächsten Leinen-los-Versuch verfügt, dass die "Gloria D." sich Unterstützung von einem Schlepper holen müsse.

Beim Harburger Yachthafen, dessen Steganlage zertrümmert wurde, versucht man sich einen Tag nach dem Unglück einen Überblick über das Ausmaß der Katastrophe zu verschaffen. Nach Angaben der Polizei seien sieben Sportboote, die dort festgemacht waren, beschädigt worden. "Hier ist die Hölle los", sagte eine Mitarbeiterin von Hafenmeister Hermann Friedemann gestern.

Immer wieder hatte Friedemann zuvor vor den Gefahren der "Gloria D." gewarnt. "Es ist fürchterlich. Eine Frechheit, dass man das Schiff ohne Schlepper hat losfahren lassen", sagt er. Sachverständige seien bei ihm auf dem Gelände gerade dabei, den Schaden zu begutachten. "Das wird teuer, soviel steht fest", sagt Friedemann. Beim Bezirksamt wurden die Mitarbeiter von der neuen Eskapade des Unglücksschiffes kalt erwischt: "Wir müssen uns nun erst einmal mit den Eigentümer zusammensetzen und die Situation prüfen", sagt Behördensprecherin Petra Schulz.

CDU-Kreischef Ralf Dieter Fischer ist entsetzt. "Der Baudezernent hat zuvor der Politik immer wieder beteuert, er habe alles im Griff in Sachen 'Gloria D.' Man kann sich doch nicht ernsthaft auf die Beteuerungen des Eigentümers verlassen. Besonders nicht nach dieser Vorgeschichte voller Pleiten und Pannen", schimpft Fischer. Es sei unbegreiflich, weshalb das Bezirksamt vor dem Ablegen nicht geprüft habe, ob das Schiff überhaupt seetauglich sei. "Es hätte außerdem ein Lotse oder Schlepper angefordert werden müssen, um Binnenhafen und Schleuse nicht zu gefährden", so der CDU-Kreischef weiter. Und wenn beim Bezirksamt niemand über die Kompetenz verfüge, um den Zustand von Schiffstechnik beurteilen zu können, hätte man sich doch Fachleute aus benachbarten Harburger Werften zu Hilfe holen können. "Das Ding aber so einfach losfahren zu lassen, ist mehr als bedenklich", sagt Fischer.

Ihn würde es nicht wundern, wenn das Schiff "womöglich irgendwann im Hafenbecken untergehen würde". Dazu würde allerdings der neue Name der "Gloria D." passen, der laut Polizei im Schiffsregister steht: So heißt der Dampfer "Atlantis", nach der sagenumwobenen Insel, die einst im Meer versank.