Die Bäcker aus der Region setzen zum Jahreswechsel auf Qualität und Handarbeit gegen die günstigen Berliner-Angebote der Discounter.

Marmstorf. Jetzt kann man sie bei jedem Bäcker, in allen Supermärkten und sogar an vielen Tankstellen kaufen: Berliner-Gebäck mit Zuckerguss, Hagelzucker, mit Apfelmus-, Pflaumenkonfitüre- und Eierlikör-Füllung - da sind der Fantasie der Bäcker keine Grenzen gesetzt. Die faustgroßen Krapfen, die in heißem Fett ausgebacken werden, sind die Silvester-Naschereien schlechthin. Ein Berliner Zuckerbäcker soll sie 1756 erfunden haben, besagt ein Gerücht.

Auch die Harburger langen gerne zu. Darauf haben sich die Backstuben eingestellt. Die Berliner-Produktion läuft seit Tagen auf Hochtouren. Auch bei Bäcker Becker am Ernst-Bergeest-Weg. Hier sind Produktionsleiter Martin Schöning und sein Team aus 28 Mitarbeitern in der 300 Quadratmeter großen Fertigungshalle am Rühren, Füllen, Backen und Verzieren. Da kann eine Schicht für die Angestellten schon mal bis zu 14 Stunden dauern.

Silvester und die Zeit vorher zwischen den Jahren sind purer Stress für Bäcker und Konditoren. "Am Freitag werden hier 4000 Stück hergestellt, bis zum Silvester-Nachmittag sind es 25 000 Berliner, die wir in unseren drei Filialen an der Lüneburger Straße, an der Bremer Straße und hier im Geschäft am Ernst-Bergeest-Weg verkaufen. Außerdem liefern wir noch ein paar Exemplare an Kioske, aber das ist der kleinste Teil der Produktion", sagt er und atmet erst einmal tief durch.

Vormittags hat er schon Teig geknetet, Butter, Eier, Zucker, Vanille, Zitrone, Mehl und Hefe verarbeitet. Da ist Muskelkraft gefragt. Denn Bäckermeister Peter Becker legt Wert auf Handarbeit. Fertigteigmischungen werden hier nicht verwendet. "Bäh", Schöning verzieht das Gesicht. Die abgepackte Ware in den Supermärkten mag er nicht. "Okay, da kosten sechs Stück vielleicht 80 Cent, aber dementsprechend geschmacksneutral ist das Zeug", sagt er. Der Harburger Obermeister fürs Konditorhandwerk, Dierk Eisenschmidt, stimmt ihm zu. "Was in so einer Aufbackmischung drin ist, lässt sich nicht definieren. Wer einen Berliner essen will, der heute auch noch um Mitternacht frisch ist, kauft am besten beim Bäcker oder Konditor."

Darin ist er sich mit Obermeister Karl-Heinz Wohlgemuth von der Bäckerinnung bei der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade einig. Seinen Handwerksbetrieb führt Wohlgemuth in dritter Generation in Nenndorf in der Gemeinde Rosengarten. Das Problem der billigen Berliner ist für ihn wie Discount-Brot: "Das Gleiche in Grün." Großhändler wie die Metro oder Bäckerketten verkaufen zu Billigpreisen fertig gebackene Berliner, während seine zwischen 1,10 und 1,20 Euro kosten. "Meine Kunden sagen: Du bist zwar der Teuerste, aber deine Berliner sind die besten", sagt der Bäckermeister. "Ich kann mich nur mit Qualität behaupten, ansonsten habe ich in diesem Handwerk keine Chance." Berliner zu backen bedeute sehr viel Arbeit, sparen könnten Discountbetriebe am Ei sowie am Fett. "Da gibt es himmelweite Unterschiede."

Schöning packt unterdessen einen Teigfladen in die Brötchenmaschine. "Das ist praktisch, denn hier können wir die Berliner perfekt portionieren", sagt er und zieht eine Palette kleiner Kugeln wieder heraus. In den Berlinern in spe arbeitet es, denn die Hefe in Kombination mit der nötigen Wärme sorgt dafür, dass die Mini-Teiglinge die richtige Größe erhalten.

Dann geht es zum Ausbacken. In 170 Grad heißem Erdnussfett, das die optimale Dichte aufweist, werden die Gebäckkugeln gewendet. Dann können sie befüllt werden. Auch das wird von Hand bewältigt. Dafür ist Fabian Fellisch zuständig. Er schnappt sich zwei Stück, steckt sie auf Stifte, die Apfelmus ins Innere pumpen. Einige Meter weiter steht eine Maschine, die nach dem gleichen Prinzip arbeitet und dessen Füllbehälter randvoll mit Nuss-Nougat-Creme ist. Nebenan wartet schon Christopher Krimphoge, der jedes einzelne Exemplar mit einem dicken Pinsel glasiert. Woran man einen Qualitätsberliner erkennt? "Der Zuckerguss muss glänzen. Auf altem Gebäck ist die Glasur brüchig und stumpf", sagt Schöning. Weitere Merkmale: "Berliner müssen auch nach ein paar Stunden locker und saftig sein und nicht wie ein trockenes Brötchen schmecken. Entscheidend ist auch die Menge der Füllung", sagt er.

Freitagabend, gegen 18 Uhr, trifft die erste Power-Schicht ein. Ab jetzt müssen die Arbeitsschritte im Rekordtempo erledigt werden. Bis heute, 17 Uhr, wird im Akkord gebacken, "Bis die Lehrlinge dann die Ladentüren abschließen", sagt Schöning. Dann geht er erst einmal zu Bett, schläft sich aus nach der Berliner-Produktion 2011.