Traditionsgeschäfte: Familie Meyer aus Hausbruch ist seit 80 Jahren für ihre Stammkunden da und trotzt dem Preiskampf.

Hausbruch. Alteingesessene, inhabergeführte Geschäfte - es gibt sie noch in Harburg und Umgebung. Oft sind es Familienbetriebe mit einer jahrzehntelangen Tradition. Sie erzählen Geschichten von Kaufleuten, die ihre Kunden noch persönlich kennen, vom Glauben an eine besondere Idee, von der Liebe zum Detail. Aber auch vom schleichenden Niedergang einer Verkaufskultur, die sich im Zeitalter der Shopping-Center und Großmärkte immer schwerer behaupten kann.

Nichts kann Heinrich Meyer aus der Ruhe bringen. Um ihn herum tobt der Preiskampf an den Zapfsäulen, aber er trotzt der Marktentwicklung. Der 73-Jährige und sein Sohn Volker Meyer, 41, treiben das Spiel nicht mit. Die Männer können beim Gedanken an die Preisspirale, die sich da dreht, nur den Kopf schütteln. Dass das Benzin, das ja schon im Tank ist, an manchen Tagen mittags preiswerter ist als morgens und nachmittags um einiges teurer als der morgendliche Preis, will Heinrich Meyer nicht in den Kopf. "Ich nehme meinen Einkaufspreis und danach berechne ich den Verkaufspreis. Was anderes kann ich nicht machen", sagt der grauhaarige Mann im blauen Pullover, auf dem im gelben Schriftzug Meyer steht.

Er nimmt in Kauf, dass Kunden ihr Auto am Montag bei der Konkurrenz voll tanken und dienstags zu ihm kommen, um nur wenige Liter zu zapfen. "Im Moment ist es hart", sagt er. "Die Konkurrenz verkauft teilweise unter dem Einkaufspreis. Das können wir nicht."

Die Familie Meyer betreibt ihre Tankstelle an der Cuxhavener Straße 105 in Hausbruch jetzt schon in der vierten Generation. Der Großvater von Heinrich Meyer, der den gleichen Namen trug, startete das Geschäft, übertrug es dann an seinen Sohn August Meyer. Und Heinrich Meyer Junior übernahm die Tankstelle im Jahr 1975, nachdem sein Vater gestorben war. Jetzt agiert er zusammen mit seinem Sohn Volker Meyer auf dem Benzinmarkt. Im Jahr 1931 stieg Heinrich Meyer senior mit drei Zapfsäulen in das Geschäft ein. Damals wurden noch mit einer Flügelpumpe fünf Liter Benzin in ein Glasgefäß gepumpt. Die Motorisierung steckte allerdings in den Kinderschuhen. Ihren Unterhalt verdiente sich die Familie nicht mit Benzin, sondern hauptsächlich mit dem Gasthof "Fünf Linden" nebenan.

In den ersten Jahren hatte Heinrich Meyer senior Treibstoff von Esso, BP und NITAG im Angebot. Eine derartige Gemischtankstelle war in den 1930er-Jahren üblich. Erst später entwickelten die Ölkonzerne ihre eigenen Marken.

Seit jeher handelt es sich bei der Tankstelle Meyer um eine Freie Tankstelle. Das heißt: Nicht die Ölkonzerne geben die Benzinpreise vor, sondern der Tankstellenbesitzer setzt die Preise selbst fest. Die Familie Meyer genießt diesen freien Status und die Ungebundenheit. Sie wollen nicht vorgeschrieben bekommen, wo die Zeitungen zu liegen haben und welche Shop-Produkte sie verkaufen müssen.

Früher, als der Vater von Heinrich Meyer noch Geschäftsführer war, geschahen Preisänderungen in einer weitaus größeren Zeitspanne. Heinrich Meyer junior kann sich noch gut erinnern, dass sein Vater August Meyer einen Maler bestellte, sobald ein Anstieg der Benzinpreise absehbar war. Etwa acht Tage später überpinselte der Maler dann die Ziffern auf der Anzeigetafel. "Heute kommt die Elektronik kaum mit. Wurde die Anzeigetafel gerade umgestellt, muss man sie gleich wieder ändern", sagt Heinrich Meyer. Viele haben in diesem hart umkämpften Markt bereits die Segel gestrichen. Heinrich Meyer schätzt, dass in den vergangenen 30 Jahren rund 20 Tankstellenbetreiber auf der Strecke zwischen Neu Wulmstorf und Harburg kapituliert haben.

Er selbst mag nicht ans Aufgeben denken. "Ich kann nicht sagen, dass ich nicht mehr weitermachen möchte", sagt er. "Ich gehe davon aus, dass sich der Markt über kurz oder lang wieder beruhigen wird."

Heinrich Meyer ist schon früh in den Betrieb seines Vaters hineingewachsen. Die Hausaufgaben erledigte er im Aufenthaltsraum der Tankstelle. Wenn sein Vater unter einem Pkw lag, um das Öl zu wechseln, stand Heinrich Meyer mit zehn Jahren hinter der Kasse. "Heute heißt das Kinderarbeit, aber damit bin ich groß geworden", sagt er. Wenn er nicht bei den Eltern aushalf, dann bei Oma und Opa, die neben ihrem Gasthof "Fünf Linden" auch einen Stall mit Schweinen und Kühen hatten.

Den ersten Einschnitt ins Geschäft musste Familie Meyer in den 60er-Jahren hinnehmen. Die Waltershofer Straße entstand und so musste die Familie ihre Tankstelle einige hundert Meter in Richtung Westen verlegen und das alte Haus abreißen. Auch die Ölkrise in den 70er-Jahren hat sich bei Heinrich Meyer in den Kopf gebrannt. Er erinnert sich noch gut an die sonntäglichen Fahrverbote und an die vorgeschriebene Benzinrationierung.

Bis auf diese Episoden war es ein ruhiges Geschäft. Die Tankstelle Meyer konnte zudem viele Kunden für sich gewinnen, da sie als freier Anbieter das Benzin etwa einen Cent günstiger als die Konzerntankstellen anbieten konnte. Dieser Preisabstand wurde auch von den großen Ölkonzernen akzeptiert. Doch dann drängten die Unternehmen Jet und Star in den 80er- und 90er-Jahren auf den Tankstellenmarkt und brachten das Geschäft gehörig durcheinander. Sie setzen konsequent auf den Massenverkauf, sodass die Tankstelle Meyer nicht mehr mithalten kann. "Wir kriegen auch kein freies Benzin, das vom Himmel fällt", sagt Heinrich Meyer. Die Familie bezieht den Sprit vom Großhandel der Shell mit Sitz in Lüneburg.

Und so hat die Familie im Laufe der Jahre gelernt abzuspecken. An Sonntagen und Feiertagen hat die Tankstelle nicht mehr geöffnet, weil es sich nicht rentiert. Anders als vor einigen Jahren können sie heute Reparaturen und Ölwechsel genauso wenig anbieten wie einen Mietwagenservice. Auch gegen Biodiesel haben sie sich bewusst entschieden. Denn dafür wäre ein Umbau der Tankstelle nötig gewesen.

Doch einen deutlichen Wettbewerbsvorteil hat die Tankstelle Meyer gegenüber vielen anderen Wettbewerbern: Der Betrieb ist in Familienhand. Dadurch entstehen keine Lohnnebenkosten. "Mein Spruch ist immer, der Mann kriegt zu wenig, aber er kostet zu viel", sagt Heinrich Meyer.

Von der Familie Meyer packt jeder mit an. Während Heinrich Meyer und seine Frau Grete, 63, hauptsächlich Kassendienst schieben, ist Tochter Dagmar, 39, für die Büroarbeiten und den Einkauf verantwortlich. Volker Meyer befreit die Autos vom Schmutz und verfolgt täglich die Preisentwicklungen der Konkurrenz im Internet. Und können Geschwister überhaupt zusammen arbeiten? "Jetzt geht's", sagt Dagmar Meyer. "Früher war's schlimmer." Das ungeschriebene Gesetz lautet: Jeder hat seinen Bereich, keiner mischt sich ein.

Der Arbeitstag der Familie beginnt schon um 5.30 Uhr. Eine halbe Stunde später stehen die ersten Kunden im Laden. Die 15-Stunden-Tage machen Volker Meyer nichts aus. Er beklagt sich auch nicht, dass er schon seit sechs Jahren keinen Urlaub mehr gemacht hat. Im Gegenteil: "Mir macht das Arbeiten Spaß, und ich freue mich über den sicheren Arbeitsplatz."

Er und seine Schwester sind mit und in der Tankstelle aufgewachsen. Das Arbeiten in dem Geschäft sahen die Kinder aber nie als Zwang, sondern eher als Bereicherung an. Hinter der Kasse stehen zu dürfen, kam einer Belohnung gleich. Abenteuer Tankstelle.

Besonders Volker Meyer hatte den "Spielplatz" für sich entdeckt. Für einige Jahre gab es bei Familie Meyer einen Mietwagenservice. Wenn Autofahrer ihren Wagen zurückbrachten, steuerten die Kinder die Autos von der Zapfsäule zum Parkplatz. Volker Meyer, der gerade so eben über das Lenkrad schauen konnte, wollte endlich mal ausprobieren, ob er die Abschmiergrube für Lastwagen queren kann. Konnte er nicht, er blieb mit den Rädern stecken. Mit Holzlatten musste das Auto wieder aus der Grube geholt werden. Beim Gedanken an diesen Streich muss die gesamte Familie heute noch herzlich lachen.

Sie wohnen alle in einem Haus, ein Stockwerk über der Tankstelle. Für manchen mag es unerträglich sein, am Arbeitsort auch zu wohnen. Aber Grete Meyer sagt: "Es ist toll. Nachdem ich abgeschlossen habe, gehe ich hinauf und muss nicht noch eine Stunde fahren bis ich zu Hause bin. Und wenn hier unten Leerlauf ist, kann ich kurz etwas im Haushalt erledigen."

Die Meyers kennen die meisten Kunden mit Vornamen. Es ist der Stefan oder der Manfred, der zum Zahlen an die Kasse kommt. Und wenn Volker Meyer die Autos mit dem Hochdruckreiniger säubert, bevor sie in die Waschanlage gehen, hält er auch einen Schnack mit den Kunden. "Zu uns kommen nur noch Stammkunden, weil wir mit günstigen Preisen nicht locken können", sagt Heinrich Meyer. Sein Sohn und er haben inzwischen eine Art Trotzhaltung entwickelt: "Wir halten unseren Preis. Sollen sich doch die anderen die Köpfe einschlagen."