Küchenhändler Heiko Christ stand wegen falsch angebrachter Energiehinweise vor Gericht. Für den 31-Jährigen ein Ärgernis.

Neugraben. Seine diesjährige Gewinnausschüttung hat Heiko Christ für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) aufgewendet - allerdings unfreiwillig. Der 31-Jährige betreibt ein Küchenstudio an der Cuxhavener Straße und hatte die ungefähr 3000 Euro Überschuss für Weihnachtsgeschenke eingeplant. "Vor einem halben Jahr bin ich Papa geworden, da kann man das Geld gut gebrauchen", sagt er süffisant.

Ebenfalls sechs Monate zurück liegt der Grund für seinen herben finanziellen Verlust. Anfang Juni bekam er Post von eben jener DUH. Der gemeinnützige Verein schickte ihm eine "Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafenversprechen". Damit sollte der Inhaber des Fachgeschäfts "Der Küchenplaner" eine mögliche Konventionalstrafe in Höhe von 7500 Euro anerkennen. Fällig wird sie dann, wenn er wiederholt gegen die EnVKV verstößt.

"Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung", spricht Heiko Christ mit kleinen Anlaufschwierigkeiten den Namen der Vorschrift aus, die hinter der Abkürzung steht. "Davon hatte ich vorher noch nie gehört", sagt er. "Ich arbeite bereits seit zehn Jahren in der Branche." Dass ihm wegen dieser EnVKV Strafen drohen, wenn er die Aufkleber mit farbiger Energieverbrauchsskala an ausgestellten Elektrogeräten nicht oder falsch anbringt, war ihm nicht bekannt.

Die DUH hat es sich zur Aufgabe gemacht, solche Verstöße gegen die Regeln der EnVKV aufzuspüren. "Wir führen punktuell eigene Testbesuche durch, weil die Kontrollen der eigentlich zuständigen Behörden praktisch komplett unterbleiben", sagt Agnes Sauter, Leiterin Verbraucherschutz bei der DUH. "Wir prüfen, ob die gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung der Elektrogeräte für Kunden auf den ersten Blick erkennbar ist."

Bei einem Testbesuch am 19. Mai fand ein DUH-Mitarbeiter mehrere Kühlschränke, Backöfen und Geschirrspülmaschinen, die nicht der EnVKV entsprechend auf der Vorder- oder Oberseite die Gerätedaten zusammen mit dem farbigen Grundetikett aufwiesen. Auf 51 Fotos dokumentierte der Prüfer seine Befunde. In seinem Protokoll befanden sich auch Fotos von einem Kühlschrank, den Heiko Christ für private Zwecke nutzt. Dem ebenfalls anwesenden Geschäftsinhaber stellte er sich aber nicht vor.

"Das Schreiben der DUH kam aus heiterem Himmel", sagt Heiko Christ. "Ihre heimliche Methode finde ich unfair." Die DUH-Verantwortliche Sauter rechtfertigt das anonyme Vorgehen des Personals damit, dass die Mitarbeiter in der Vergangenheit teilweise beschimpft worden seien. "Unsere Tester haben in diesem Jahr bundesweit 678 Händler von Elektrogroßgeräten besucht. Dabei wurden 328 Verstöße gegen die EnVKV festgestellt und entsprechende Abmahnungen verschickt."

Sauter: "In den Fällen, in denen die abgemahnten Firmen keine Unterlassungserklärung abgegeben haben, reichten wir Musterklagen bei den zuständigen Landgerichten ein." Heiko Christ gehört zu 36 verklagten Unternehmern in Deutschland. Das erste Schreiben der DUH habe er nicht weiter beachtet, weil es ihm unseriös vorkam. Die unvollständige Anrede des eher werblich als amtlich wirkenden Briefs auf Ökopapier lautet beispielsweise "Sehr geehrter Christ".

Außerdem war eine Kostenrechnung in Höhe von 256,80 Euro für die anonyme Prüfung enthalten, die Heiko Christ nicht ohne Weiteres akzeptierte. Diese Gebühren musste er im Nachhinein doch in voller Höhe zahlen. Hinzu kamen etwa 3000 Euro Anwaltskosten für den Prozess vor dem Landgericht Hamburg. Der unterlegene Angeklagte musste seinen eigenen Vertreter und den der DUH entlohnen.

Heiko Christ verbucht die entgangene Gewinnausschüttung als Lehrgeld eines Jungunternehmers: "Unwissenheit schützt nun einmal vor Strafe nicht." Den strengen Anforderungen der ihm nun bestens vertrauten EnVKV will er penibel nachkommen, auch wenn sie den optischen Reiz seiner frei geplanten Küchen im Wert von bis zu 28 000 Euro nicht gerade erhöhen. Bittere Ironie für Christ: In seinem Studio verkauft er nur Elektrogeräte, die mindestens dem A-Standard für effizienten Energieverbrauch entsprechen. (abendblatt.de)