Harburger Traditionsgeschäfte - es gibt sie noch: Wie das Elektronikfachgeschäft Marquardt den Elektrogroßmärkten trotzt.

Harburg. Alteingesessene, inhabergeführte Geschäfte - es gibt sie noch in Harburg. Oft sind es Familienbetriebe mit einer jahrzehntelangen Tradition. Sie erzählen Geschichten von Kaufleuten, die ihre Kunden noch persönlich kennen, vom Glauben an eine besondere Idee, von der Liebe zum Detail. Aber auch vom schleichenden Niedergang einer Verkaufskultur, die sich im Zeitalter der Shopping-Center und Großmärkte immer schwerer behaupten kann.

Manchmal müssen sich Oliver Krüger und seine sieben Mitarbeiter vorkommen wie Asterix und Obelix in dem gleichnamigen Kultcomic. Dort ist es das kleine gallische Dorf Aremorica, das mit List und Tücke einer römischen Übermacht trotzt. Im Hamburg des Jahres 2011 ist es das kleine Elektronikfachgeschäft Marquardt, das sich gegen jene Großmärkte behauptet, die angeblich tagtäglich den Preisirrsinn bekämpfen oder standhaft verkünden, geil sei geil.

Dieser Kampf wird mit harten Bandagen geführt. Und viele Einzelhändler sind dabei in den vergangenen Jahren auf der Strecke geblieben. Darunter auch solche "Dickschiffe" wie Brinkmann. Das hatte von Harburg aus sogar den Sprung über die Elbe geschafft, geht aber 2001 insolvent - und unter.

"In den 80er-Jahren gab es in Harburg noch bis zu zehn Fachgeschäfte, die mit Elektroartikeln ihr Geld verdient haben", sagt Marquardt-Geschäftsführer Oliver Krüger (46): "Heute sind von den inhabergeführten Firmen nur noch wir übrig. Das ist schon eine der verrücktesten Branchen überhaupt. Ihr bleibendes Merkmal ist der permanente Wandel. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss man sich ständig verändern und neu erfinden."

Dass Hermann Otto Marquardt das Geschäft am 2. Januar1927 gemeinsam mit Paul Siekmann am Großen Schippsee 10 gründet, ist mutig. Doch die beiden ahnen wohl, wie rasant sich die Rundfunk- und später auch die Fernsehtechnik entwickeln werden. Jeder für sich sieht offenbar so großes Potenzial in der aufkeimenden Elektrobranche, dass es schon sieben Jahre später zum Zerwürfnis kommt und beide fortan getrennte Wege gehen.

Marquardt zieht im Juli 1934 in die Wilstorfer Straße 10, wenige Jahre später als Angehöriger der Luftwaffe in den Krieg. Als er 1945 heimkehrt, liegt sein Laden in Schutt und Asche. Das Geschäft wechselt danach mehrfach in der Wilstorfer Straße den Standort, bevor es 1949 nach einem Neubau in der Nummer 23, der heutigen Lüneburger Straße 8, wiedereröffnet wird.

Als Musikfans ihre Lieblingsstücke noch auf Vinyl gepresst sammeln, hält Marquardt natürlich eine große Schallplattenabteilung vor. Und die Spezialisten hinterm Tresen sind Meister ihres Fachs. "Es langte, wenn ein Kunde den begehrten Titel pfeifen konnte, und schon zupften unsere Mitarbeiter die entsprechende Scheibe aus dem Regal", erinnert sich Krüger.

In den 80er-Jahren erlebt die Unterhaltungselektronik ihren großen Boom. Marquardt stockt in der Lüneburger Straße noch einmal auf, es entsteht ein eigener Bereich für die "braune Ware". Die so genannt wird, weil die meisten HiFi-Geräte seinerzeit in braunen Gehäusen angeboten werden.

Doch mit dem Aufkommen der großen Elektromärkte erweisen sich die Räumlichkeiten in der Harburger Fußgängerzone bald als nicht mehr zeitgemäß. Deshalb schaut sich Thomas Marquardt, der Sohn des Firmengründers, nach einem alternativen Standort um. Den findet er an der Stader Straße 136, wo Mitte der 90er-Jahre auf dem Fundament eines ehemaligen Luftschutzbunkers das neue Domizil mit 750 Quadratmetern Verkaufsfläche entsteht. Dort wird sein Stiefsohn Oliver Krüger Filialleiter und Chef von sieben Mitarbeitern. Dabei hätte der Diplomkaufmann nach dem erfolgreichen Abschluss seines BWL-Studiums an der Uni Hamburg 1991 eigentlich Trainee bei einer namhaften deutschen Bank werden können. "Doch ich spürte, dass der Handel mit virtuellen Werten nicht mein Ding ist. Ich wollte Geschäfte physisch erfahren und bin in die Firma meiner Familie eingestiegen", so Krüger.

Schnell verinnerlicht er, dass Erfolg in der Elektrobranche eine permanente Herausforderung ist. Als Computer in die Haushalte einziehen, bietet Marquardt PCs an. Als die Handys ihren Siegeszug antreten, bietet Marquardt mobile Telefone an. Die wird man an der Stader Straße heute ebenso wenig finden, wie Tonträger. Dafür gibt es seit 2007 in großem Stile "weiße Ware", also Haushaltsgeräte wie Kühlschränke, Waschmaschinen oder Herde. Und seit vier Wochen ein Apple-Areal. Wo sich jene Kreationen finden, mit denen Steve Jobs & Co. regelmäßig den Markt aufmischen.

"Wir wollen nicht die Größten und nicht die Billigsten sein, aber Marktführer in Sachen Qualität", sagt Krüger. Dass Media Markt 27 000 Artikel gelistet hat, vermag ihn nicht zu schocken: "Eine Faustregel besagt, dass die Großen 80 Prozent ihres Umsatzes mit 20 Prozent ihres Sortiments machen."

So hat sich Marquardt inzwischen auf rund 2000 Artikel fokussiert. "Wir sind ständig auf der Suche nach dem Besonderen, dem Außergewöhnlichen in jeder Sparte", sagt Krüger. So gehe es Marquardt nicht um Masse, sondern um Klasse: "Mit unserer Produktauswahl wollen wir Unterschiede sichtbar machen. Das schätzen unsere Kunden, von denen das Gros die Wertigkeit der Ware noch zu schätzen weiß."

Dazu gehört auch ein Markenbewusstsein. Miele stehe nun mal für einen ausgeprägten Qualitätsanspruch. Weil für den Hersteller die Langlebigkeit seiner Produkte ein wesentliches Kriterium sei. Bose hingegen gelte als Soundspezialist, der mit seinen Innovationen immer wieder Maßstäbe setze. "Und im Segment Küchengeräte finden die Kunden bei uns Produkte von KitchenAid, weil diese im Hinblick auf Design, Verarbeitung und Materialeinsatz unverwechselbar sind", erklärt Krüger.

Durch die Einkaufsgenossenschaft Euronics, die 11 000 Händler in 25 Ländern repräsentiert, kann Marquardt den Goliaths der Branche auch preislich das Wasser reichen. Wichtig ist ihm aber auch der hohe Beratungs- und Service-Standard, den die Firma etabliert hat. "Unsere Kunden müssen sich für einen Termin nicht den ganzen Tag frei nehmen, weil wir eine exakte Uhrzeit benennen", sagt Krüger. Die Marquardt-Techniker würden die Wohnung mit Schuhüberziehern betreten und hätten für Bohrdreck stets einen Staubsauger an Bord. So sieht sich der David unter den Elektromärkten für die Schlacht um den Kunden vorerst gut gerüstet. Doch anders als bei Asterix und Obelix sind die täglichen Marquardt-Kämpfe nicht fiktiv, sondern ganz real.