Harburger Traditionsgeschäfte: Sport Sander am Harburger Ring musste in seiner bewegten Vergangenheit fünfmal umziehen

Harburg. Alteingesessene, inhabergeführte Geschäfte - es gibt sie noch in Harburg. Oft sind es Familienbetriebe mit einer jahrzehntelangen Tradition. Sie erzählen Geschichten von Kaufleuten, die ihre Kunden noch persönlich kennen, vom Glauben an eine besondere Idee, von der Liebe zum Detail. Aber auch vom schleichenden Niedergang einer Verkaufskultur, die sich im Zeitalter der Shopping-Center und Großmärkte immer schwerer behaupten kann.

A ls Tennis noch der "weiße Sport" ist und der Rothen- baum zu den Topadressen zählt, kostet das Besaiten ei- nes Rackets dort fünf Dollar. Brav entrichten Legenden wie Jimmy Connors oder Ivan Lendl zwischen 1964 und 1979 den Obolus bei einem Harburger, der für sein solides Handwerk bekannt ist: Henning Sander.

"Das war eine tolle, aufregende Zeit", erinnert sich der heute 71-Jährige gern. Selbst ein leidenschaftlicher Tennisspieler ist er in seiner Heimatstadt ganz nah dran an den Cracks und immer bereit für eine kleine Fachsimpelei. Auch der bärtige Rumäne Ion Tiriac, später Manager von Boris Becker, schaut vorbei. Und wird von Sanders Erstgeborenem Stefan, damals drei Jahre alt, gefragt: "Bist du der Räuber Hotzenplotz?" Nur Enfant terrible John McEnroe lässt sich nie blicken, weil der US-Amerikaner stets mit einem eigenem Besaiter unterwegs ist.

Als 1979 ein neuer Veranstalter das Turnier am Rothenbaum übernimmt, soll Sander seinen Service plötzlich umsonst anbieten. Doch der hat seinen Stolz und lehnt dankend ab. Über Langeweile kann er schließlich nicht klagen, ist er doch Geschäftsführer des ältesten, inhabergeführten Hamburger Sportgeschäfts überhaupt. Und dort warten nicht nur neun Mitarbeiter, auch jede Menge Arbeit.

Dabei hat Henning Sander dereinst beim international agierenden Kabelhersteller Felten/Guillaume mit Sitz im Binnenhafen Außenhandelskaufmann gelernt, weil er hinaus in die Welt wollte. So wie sein jüngerer Bruder Knud, der Anfang der 60er-Jahre nach Toronto auswandert. Um als Spediteur im schwunghaften Handel zwischen Kanada und den Karibikstaaten mitzumischen.

Doch als sich auch noch der ältere Bruder Gerhard aus dem Staub macht, um Geschäftsführer eines Sportartikelanbieters in Kaiserslautern zu werden, hat sich Sanders Schicksal entschieden: "Einer musste den Laden der Eltern ja übernehmen. Es nicht zu tun, hätte ich einfach nicht übers Herz gebracht."

Schließlich hat die Firma da schon einen erstklassigen Ruf. Begründet hat ihn Sanders Vater Willy. Der ist begeisterter Paddler und startet das Geschäft im März 1928 mit dem Verkauf von Faltbooten und Zelten. Die von seiner Frau Frieda im heimischen Wohnzimmer in der Eißendorfer Hoppenstedtstraße größtenteils selbst zugeschnitten und zusammengenäht werden.

Die Geschichte von Sport Sander ist indes auch die Geschichte von Umzügen. Bevor der Laden 1988 an den Harburger Ring 31 zieht, wo er sich noch heute befindet, war er auch in der Bergstraße (heute Schwarzenbergstraße), in der Neuen Straße, am Großen Schippsee neben dem einstigen Passage-Kino und Am Centrumshaus beheimatet.

"Der Umsatz eines Sportgeschäfts ist großen Schwankungen unterworfen. Das hängt übrigens auch vom Wetter ab", weiß Sander. So seien in extrem heißen Sommern nachweislich deutlich weniger Sportartikel nachgefragt, weil sich der Mensch da ja möglichst wenig bewegen wolle.

Geradezu existenzbedrohend für Sport Sander ist aber keine große Dürre, sondern ein tiefes Loch. Im Zuge des S-Bahn-Baus im Harburger Zentrum klafft keine zwei Meter vom Laden eine 35 Meter tiefe Baugrube. Sander: "Da haben wir buchstäblich in den Abgrund geschaut und mussten unsere Mitarbeiterzahl von neun auf vier reduzieren. Weil sich viele Kunden einfach nicht mehr zu uns trauten."

Als am Harburger Ring 31 ein Lampenladen dicht macht, zögert Sander keinen Augenblick und bezieht den sechsten Standort seit Gründung der Firma. Dort laufen die Geschäfte sehr solide. "Nur nach der Eröffnung des Phoenix-Centers 2004 hatten wir zwei, drei sehr schwere Jahre", berichtet Sander. Dann hätten sich die Umsätze aber wieder stabilisiert und würden jetzt sogar eine "leicht steigende Tendenz" aufweisen.

Sicher auch deshalb, weil Sport Sander für etwa 70 Vereine im Süderelberaum seit vielen Jahren ein verlässlicher und berechenbarer Partner ist. "Pro Woche verkaufen wir vier bis fünf Trikotsätze für Teams, vorwiegend in den Feldsportarten Fußball, Handball, Volleyball, Hockey und Tennis, haben unabhängig von den Vereinen aber auch rund 7000 Stammkunden", sagt Ulrike Sander, die den Laden gemeinsam mit Henning Sander seit fast fünf Jahrzehnten leitet, obwohl sie privat schon geraume Zeit getrennte Wege gehen.

In all den Jahren haben die beiden knapp 200 000 verschiedene Preisschilder für ihr breites Sortiment gedruckt. Teuerster Einzelartikel ist derzeit ein Paar alpine High-Tech-Ski von Head für 400 Euro. "Früher haben wir sogar Skireisen angeboten", so Sander, der von jeher selbst begeisterter Skifahrer ist. Seit einer Knie-Operation spielt er zwar kein Tennis mehr. Auf die traditionelle Skiwoche im Schweizer Zermatt mag der sportliche Allrounder, der ehedem auch ambitionierter Kanute und Hockeyspieler war, aber nicht verzichten.

Maximal drei Jahre will der Chef, der auch von der dreijährigen Continental Bulldog Neva auf Trab gehalten wird, noch hinterm Tresen stehen, dann soll Schluss sein. Dass das Geschäft nicht mehr durch einen Sander betrieben wird, steht bereits jetzt fest.

Die Söhne Stefan, 46, und Henrik, 41, haben sich beruflich als Produktmanager bei IBM und als selbstständiger Stadtplaner längst anders orientiert. "Ich habe ja selbst erlebt, was es für eine Bürde sein kann, ein Familienunternehmen fortzuführen. Deshalb habe ich auch nie Druck auf meine Kinder ausgeübt. Sie sollten sich absolut frei entscheiden. Das haben sie getan", sagt Henning Sander.

Der Nachfolger scheint unterdessen schon gefunden. Sein Prokurist Sven Siebert, der auch Ligatrainer bei Grün-Weiß Harburg ist, soll den Laden übernehmen. "Er kennt sich aus, hat engen Kontakt zu vielen Vereinen. Bei ihm wird Sport Sander auch in der Zukunft in den besten Händen sein", ist Hennig Sander überzeugt.