Mit Sommerreifen kommen Autofahrer im Hamburger Süden bereits jetzt ins Schleudern. Hobbymechaniker können selbst wechseln.

Harburg. "Die Umsatzzahlen in diesem Jahr waren sehr gut", zieht Arik Petrich eine erste Bilanz des auslaufenden Geschäfts mit wintertauglichen Reifen. "Weniger als zehn Prozent der Kunden, die ihre Winterreifen bei uns einlagern, müssen noch umrüsten." Der 38-Jährige ist seit 17 Jahren in dem von seinem Vater gegründeten Reifenservice in Wilstorf aktiv. Seine gute Laune über die aktuelle Lage wird nur vom "Beratungsdiebstahl" vieler Kunden getrübt. "Wer sich seine Reifen im Internet bestellt und bei mir nur montieren lässt, zahlt das Doppelte."

"Autofahrer sollten sich am Telefon nicht nur erkundigen, wo sie ihre Winterreifen am preiswertesten bekommen", sagt Bettina Schmidt, 49, vom ADAC Hansa in Hamburg. "Stattdessen sollten sie auch den kompletten Preis fürs Aufziehen und Montieren sowie gegebenenfalls auch Wuchten und dem Entsorgen der Altreifen erfragen." Beim Reifenservice Petrich zum Beispiel kostet das "komplette Montagepaket" für alle dort gekauften Reifen knapp zwölf Euro.

Nach Angaben des ADAC kann dieser Preis bei manchen Werkstätten bis zu 38 Euro betragen. Ausrangiert gehören Reifen nach Angaben des norddeutschen Regionalverbands des größten deutschen Automobilklubs ab einer Profiltiefe von vier Millimetern. Erlaubt ist es, sie bis auf 1,6 Millimeter abzufahren. Laut Schmidt sparen Autofahrer hierbei aber am falschen Ende: "Die Folgen eines kleinen 'Ausrutschers' können ein Vielfaches eines Reifensatzes kosten."

Ungefähr 4000 Euro beträgt beispielsweise der Blechschaden beim ersten Glätteunfall des erst noch anstehenden Winters in der Region. Bei überfrierender Nässe und starkem Nebel geriet der Fahrer eines Opel Corsa Mitte November auf der B 493 mächtig ins Schleudern. Der 27-Jährige verlor beim Gegenlenken die Kontrolle und kam von der Straße ab. Der Kleinwagen überschlug sich und blieb auf dem Dach liegen. Der Fahrer hatte viel Glück und blieb unverletzt.

Im Landkreis Harburg vermeldete die Polizei erstmals am Mittwoch einen Glätteunfall. Auf der Landsstraße 142 in Heidenau war ein 21-Jähriger mit seinem Ford Fiesta aus einer leichten Rechtskurve geflogen. "Der Mann geriet auf der extrem glatten Fahrbahn ins Schleudern", erklärt Jan Krüger. "An der Unfallstelle war es so rutschig, dass die alarmierten Beamten erst einmal einen Streudienst gerufen haben", so der Sprecher der Polizei weiter. Der Wagen landete im Straßengraben. Am Auto entstand Totalschaden in Höhe von etwa 10 000 Euro.

Abhilfe gegen solche ungewollten Rutschpartien schaffen neben voll funktionstüchtigen Bremsen vor allem Reifen, die dem Zustand der Teerdecke angepasst sind. "Tests haben gezeigt, dass der Bremsweg bei 50 km/h auf schneebedeckter Fahrbahn mit Winterreifen etwa um die Hälfte kürzer ist als mit Sommerreifen", erklärt Welf Stankowitz, Leiter des Referats Fahrzeugtechnik beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat. "Winterreifen behalten auch bei Minustemperaturen die nötige Elastizität und sorgen für bestmögliche Bodenhaftung."

Für mehr "Grip" sorgen viele Autofahrer aber auch allein schon, um Bußgelder von bis zu 80 Euro und einen Punkt in Flensburg zu vermeiden. Denn seit vorigen Dezember enthält die Straßenverkehrsordnung eine Pflicht, bei "winterlichen Wetterverhältnissen" mit Reifen zu fahren, die entweder die Kennzeichnung "M+S" oder das Piktogramm einer Schneeflocke mit Bergen tragen. Eine allgemeine Pflicht zum Umrüsten gibt es nicht. Wer zum Beispiel seinen Oldtimer bei Glatteis und Schneeglätte, Schneematsch und Reifglätte stehen lässt, darf die "Sommerschlappen" drauflassen.

"Jeweils zwei Komplettsätze Sommer- beziehungsweise Winterreifen empfehle ich allen Vielfahrern", sagt Arik Petrich. Die härteren Sommerreifen böten bei hochsommerlichen Asphalttemperaturen von mehr als 50 Grad Sicherheitsvorteile. "Ich selbst fahre mit voller Überzeugung dagegen Ganzjahresreifen, denn sie sind ein vollwertiger Ersatz", so der Geschäftsführer des Familienbetriebs in der Harburger Nöldekestraße weiter. Wer nicht dauerhaft im Winter in alpinen Regionen unterwegs sei, empfehle er keine speziellen Winterreifen.

"Warten Sie mit dem Räderwechsel in jedem Fall nicht bis zum ersten Schneefall", empfiehlt Bettina Schmidt noch aus einem ganz anderen Grund. Die ADAC-Sprecherin gibt zu bedenken, dass die Wartezeiten bei Händlern und Werkstätten nach dem Wintereinbruch sehr lang sein können. Und deren Auswahl an Reifen sei zu Saisonbeginn am größten. "Im Oktober verlangten die Großhändler teilweise Preisaufschläge von 30 Prozent, weil sie den Markt nicht so schnell beliefern konnten", berichtet Reifenhändler Petrich.

"Im Gesetz gibt es keine Datumsangabe, wann man seine Reifen umrüsten muss", erklärt Jan Phillip Denkers von der Landesverkehrswacht Niedersachsen. "Schaut man sich den Temperaturverlauf bei uns an, kommt man zur Faustregel winterfeste Reifen von Oktober bis Ostern", sagt der Verkehrsexperte. "Fallen die Außentemperaturen über einen längeren Zeitraum auf sieben Grad und weniger, fängt ein Winterreifen an, seine Vorteile gegenüber einem Sommerreifen auszuspielen." Von höheren Tagestemperaturen bei strahlendem Sonnenschein sollten sich Autofahrer nicht täuschen lassen.

Ein wichtiges Argument für den rechtzeitigen Umstieg auf Ganzjahres- beziehungsweise Winterreifen sind auch vorhersehbare Probleme mit der eigenen Versicherung, falls es zum Unfall kommt. Wegen "grober Fahrlässigkeit" kürzen Kaskoversicherungen ihre Leistungen teilweise erheblich. Haftpflichtversicherungen berufen sich auf eine Teilschuld des Geschädigten, weil dieser auf Sommerreifen unterwegs war: Wer bei einem Ausweichmanöver bei Glätte ins Schleudern gerät, haftet mit 20 Prozent für den Fehler eines Anderen. Das gilt bereits bei einem einzigen Sommerreifen am Auto.

Die Art der Reifen aller beteiligten Fahrzeuge wird von der Polizei bei der Aufnahme eines Unfalls penibel notiert. "Und auch bei allgemeinen Fahrzeugkontrollen fragen wir im Winter immer nach der Art der Bereifung", erklärt Wolffgang Schaerffer vom Polizeikommissariat Harburg. Auf eventuelle Gegenfragen ertappter Autofahrer ist er gerüstet: "Wir haben unsere Dienstfahrzeuge bereits vor fünf Wochen für den Winter gerüstet."

Zusätzliche Arbeit bereitet den Ordnungshütern in der Region eine kuriose Randerscheinung des Themas Winterreifen: "Mit dem alljährlichen Reifenwechsel verzeichnen wir vermehrt Diebstähle von Radkappen", sagt Kai Richter. "Die Täter sind in der Regel ganz normale Autofahrer, denen beim Reifenwechsel auffällt, dass sie keine passenden Zierblenden haben", so der Polizeisprecher. "Sie mopsen sie daher in der Nachbarschaft und montieren das Diebesgut an ihre eigenen Autos."