Anwohner beklagen sich über Lärm und die Verkehrsberuhigungspläne für den Binnenhafen. Es werden Werte von bis zu 70 Dezibel erreicht.

Harburg. Erst rauscht ein Metronom-Zug vorbei, danach schließt sich ein Güterzug an. Zeitgleich donnern zwei Sattelzüge über den Karnapp : Alltag an einer der ältesten Straßen Harburgs. Und nach Auffassung vieler Anwohner ist es dort viel zu laut.

"Es ist unerträglich", sagt Sven Oliver Scharf, der das Restaurant Scharf betreibt. "Wir merken jede Erschütterung, und es ist aufgrund des Geräuschpegels nicht daran zu denken, Tische und Stühle herauszustellen. Das ist geschäftsschädigend", sagt Scharf.

Bald könnte es noch lauter werden, denn Bezirksamt und auch die Politik plädieren dafür, den Schwerlastverkehr aus dem Binnenhafen herauszuziehen und ihn durch den Karnapp zu lotsen. Allerdings bestätigt ein stadtplanerisches Gutachten, dass der Geräuschpegel viel zu hoch ist. "Es werden Werte deutlich über 60 bis 70 Dezibel erreicht. Für ein Wohngebiet wären diese Ergebnisse unzumutbar", sagt Henning von Ladiges, Leiter des Amts für Stadt- und Landschaftsplanung. Doch der Karnapp-Straßenzug gilt nicht als Wohngebiet. Und die Verwaltung rückt trotz lärmtechnischer Erhebung nicht von ihren Plänen ab. "Im Binnenhafen, an der Schloßstraße und an den so genannten Hafenköpfen am Kanalplatz und am Veritaskai entstehen neue Wohngebiete. Da muss der Lkw-Verkehr verschwinden", so von Ladiges. Man habe eine Güterabwägung getroffen. Und da zog der Karnapp die schlechteren Karten. "Wir haben es uns nicht leicht gemacht", sagt der Verwaltungsmitarbeiter.

+++Am Karnapp: viel zu schade für den Abriss+++

Das kann Anwohner Geerd Fischer nicht glauben. "Der Baudezernent möchte hier nun die letzte traditionelle Wohninsel, ein funktionierendes Soziotop mit ein- bis vierhundert Jahre alten, teils denkmalgeschützten Häusern, zusätzlichen Erschütterungen durch den Schwerlastverkehr preisgeben", sagt er. Mit hohem finanziellen Aufwand und Unterstützung des Denkmalschutzamts hat er vor einigen Jahren sein historischen Wohnhaus, erbaut 1645, renoviert, das Fachwerk neu mauern lassen und Innenausbauten. Wer sein Haus betritt, gelangt in eine andere Zeit, in eine Epoche, in der es viel ruhiger am Karnapp war. "Die Pläne würden unsere Häuser entwerten, sie ruinieren und den städtebaulichen Schändungen Harburgs noch eine weitere hinzufügen", sagt er. Man solle doch besser auf die Hafenquerspange warten. "Dann stellen sich viele Probleme erst gar nicht."

Er hat sich mit seinen Nachbarn zusammengetan und einen Brief an Bürgermeister Olaf Scholz verfasst. "Mit dem Bebauungsplan Harburg 63 möchte das Harburger Baudezernat uns eine Quasi-Hafenquerspange vor unsere Wohnungen und Geschäfte setzen. Wir halten dies für unnötig", heißt es unter anderem darin.

Harburgs SPD hält dagegen: "Wir können nicht waren, bis die Hafenquerspange kommt. Der Lkw-Verkehr muss endlich aus dem Binnenhafen raus. Es geht nur über den Karnapp", sagt Jürgen Heimath, SPD-Fraktionsvorsitzender in der Bezirksversammlung. Außerdem setzt er auf den Lärmschutzwall, den die Deutsche Bahn bauen lassen will, um die Güterbahntrasse abzuschirmen. Auch die GAL setzt auf die Schallschutzwand und die weitere Verkehrsplanung,. Kay Wolkau, stellvertretender Fraktionsvorsitzender: "Das ist ein großer Gewinn für Harburg." So sieht es auch die CDU. "Wir unterstützen den Bebauungsplan", sagt Harburgs CDU-Fraktionschef Ralf Dieter Fischer.

Matthias Pfetzer, Bewohner des Hauses am Karnapp 9, ist skeptisch. "Wenn ich morgens aufstehe und die Trucks donnern die Seehafenbrücke runter, schaukelt im Haus alles hin und her. Das kann nicht okay sein. Die Politik verkaspert uns", sagt er. Leon Przybylski, dessen Familie seit 1904 im Haus wohnt, nickt. "Hier fällt der Putz von den Wänden."

Wie sich die Bewohner gegen die Pläne wehren können? "Einklagbar ist Lärmfreiheit nirgendwo", sagt Amtsleiter von Ladiges. (abendblatt.de)