“Lieber barfuß als ohne Buch“: Die Schule Alte Forst veranstaltete zum 31. Mal die “Tage des Buches“. Autoren, Lehrer und Schüler machten mit.

Harburg. Etwas unsicher nimmt Bjarne auf dem Stühlchen hinter dem Tisch mit dem Mikrofon und der bunten Eule Platz. So voll hat er den Klassenraum noch nie erlebt. Um ihn herum sitzen dicht gedrängt mehr als 70 Kinder und Erwachsene und schauen ihn mit erwartungsvollen Gesichtern an. Also schlägt er sein Buch auf und liest. Anfangs stockend, dann aber hoch konzentriert. "Die geklaute Klassenkasse" gehört schließlich zu den Lieblingsbüchern des Sechsjährigen. Und sie ist auch der Grund, warum er an diesem Tag so viele aufmerksame Zuhörer an seiner Schule hat.

Die Schule Alte Forst veranstaltete zum 31. Mal die "Tage des Buches". Unter dem Motto "Einfach genial... - Forscher, Erfinder und andere Talente" wurde wieder eine ganze Woche (vor)gelesen: von der Lehrkräften, von Schulleiter Andreas Wiedemann persönlich, am Freitag sogar von elf bekannten Kinderbuchautoren. Am meisten aber von den knapp 470 Schülern selbst. Denn fester Bestandteil der Buchtage ist ein klasseninterner Vorlesewettbewerb.

"Lieber barfuß als ohne Buch", besagt ein altes isländisches Sprichwort. Dass es den Schülern der Grundschule In der Alten Forst je so ergehen könnte, ist relativ unwahrscheinlich. Bücher gehören dort gewissermaßen zum Grundinventar. Neben den obligatorischen Lehrbüchern bietet die schuleigene Bibliothek weitere 3000 Kinder - und Jugendbücher. Ein Schatz, auf den Schüler wie Lehrer mächtig stolz sind.

"Wir führen die Kinder schon in der Vorschule ans Lesen heran. Das ist nicht nur wichtig für das Fach Deutsch. Lesen regt die Fantasie an. Es versetzt die Kinder in die Lage, sich Wissen selbstständig und ohne fremde Hilfe anzueignen", sagt Svenja Bruse, stellvertretende Schulleiterin an der Alten Forst. Zudem biete das Lesen eine Rückzugsmöglichkeit, bei der man sich auf entspannende Weise bilden könne.

Die Sieger des Vorlesewettbewerbs durften sich am Sonnabend beim abschließenden Literaturfest mit Buchverkauf, Weihnachtsbasar und Flohmarkt einem größeren Publikum präsentieren. Da flossen vor Aufregung auch mal die Tränen, nicht jeder ist für Soloauftritte geboren. Ganz anders Clara Hohmeyer, die Siegerin der 1b. Sie zitierte mit komödiantischem Talent und sichtbarem Vergnügen aus Astrid Lindgrens Kinderbuch-Klassiker "Die Kinder von Bullerbü" als hätte sie nie etwas anderes gemacht.

"Die Lust am Lesen lebt von Vorbildern", weiß Lehrerin Belinda Effmert. Kindern, denen daheim viel vorgelesen werde, fänden deutlich schneller Zugang zum Lesen. Und je früher das geschehe, umso besser. Wofür Bjarne Diekmann ein lebendiges Beispiel ist. "Das Vorlesen vor dem Schlafengehen ist bei uns fast ein Ritual", berichtet Susanne Schmid, seine Mutter.

Was Bjarne und seinem nur zwei Minuten jüngerem Zwillingsbruder Kjell vorgelesen wird, hängt offenbar auch davon ab, wer es tut. Mama Susanne, die selbst am liebsten Krimis von Minette Walters schmökert, greift gern zu Büchern wie "Pettersson und Findus" des Schweden Sven Nordqvist. Während es bei Papa Jens, ebenso wie seine Söhne ein großer Fan der Kicker des VfB Stuttgart, auch gern Fußballbücher sein dürfen. Für den Vorlesewettbewerb hat Bjarne aber zu "Die geklaute Klassenkasse" von Ursel Scheffler gegriffen, weil "das leicht zu lesen ist", wie er findet. Und weil in dem Buch seine Leib- und Magenspeise vorkommt: Waffeln, sogar mit Bild.

Zu Gehör kam am Sonnabend alles, was das Leben der Erst- bis Viertklässler so bestimmt: Tiere, Schule, Ferien, Musik, Sport. Aber auch wild gewordene Sockensuchmaschinen, fröhliche Wikinger und freundliche Vampire. Letztere haben es Matilda Lohmann besonders angetan. Die Achtjährige las aus den "Geistergeschichten" von Cordula Tollmien. "Ich mag es, wenn es schön gruselig und spannend zugeht", erklärte die erfolgreiche Titelverteidigerin aus der Klasse 3c. So wie in ihrem Lieblingsbuch "Im Zeichen der Schlange" aus der beliebten Kinderbuchserie "Die drei ???", das sie zum Geburtstag bekommen hat.

"Matilda hat von allem viel", weiß ihre Lehrerin Belinda Effmert, "vor allem aber ein besonderes Talent zum Lesen und Schreiben". Weshalb die begeisterte Schwimmerin, deren Schokoladenfächer nicht ganz überraschend Deutsch und Sport sind, auch schon ganz genau weiß, was sie einmal werden will: "Kinderbuchautorin, das wäre wirklich toll."