Die “Branchenseiten“ schicken an Unternehmen dubiose Angebote. Wer seine Adresse bestätigen will, unterschreibt einen Langfristvertrag.

Buchholz/Lüneburg. Nur wenige Tage Zeit hatten die Empfänger des "Eintragungsantrags der Branchenseiten Harburg", um ihre Adressdaten zu bestätigen. Wer den Stichtag allerdings verpasst hat, muss nichts bereuen. Bei dem täuschend echt wirkenden Korrekturabzug eines Telefonbuchverlages handelt es sich um einen Nepp, der die Betrugsopfer teuer zu stehen kommt. 996 Euro beträgt der im Briefkopf versteckt genannte Jahrespreis für die Aufnahme in das "regionale Branchenverzeichnis" mit 24-monatiger Mindestlaufzeit.

"Ich habe solche Faxe schon öfter bekommen", sagt Oliver Scheller. Der 37-Jährige ist Geschäftsführer der Innocenter GmbH in Buchholz. Er zeigt sich von den mitunter als offizielle Mahnung aufgemachten Schreiben unbeeindruckt und lässt die Faxnummern besonders penetranter Absender sperren. "Eigentlich wandern diese unerwünschten Nachrichten direkt in den Papierkorb", sagt er. "Doch dieses Exemplar fand ich besonders professionell aufgemacht und wollte daher andere Empfänger warnen." Scheller wandte sich damit an die Harburger Redaktion des Abendblatts.

Der Buchholzer steht nicht allein da: "Aktuell beschweren sich wieder viele Unternehmen bei uns, die kurz nach ihrer Eintragung in das Handelsregister dubiose Zahlungsaufforderungen und Angebote per Post oder Fax erhalten", erklärt Andreas Kinski von der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg. "Jede Eintragung im Handelsregister wird im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht und häufig genutzt, um den Unternehmen Datenbank- oder Branchenbucheinträge, Urkunden über die Eintragung und Ähnliches anzubieten."

Solche Offerten an sich sind nicht illegal. "Aber oft wird gezielt versucht, die Unternehmer zu täuschen und den Eindruck zu vermitteln, sie wären verpflichtet, einen bestimmten Betrag zu bezahlen", sagt Kinski. "Viele Antwort- und Bestellformulare sind so gestaltet, dass der Empfänger den Eindruck gewinnt, er müsse lediglich seine Firmendaten bestätigen oder er erhalte eine kostenfreie Leistung." Erst aus dem Kleingedruckten ergebe sich, dass mit der Unterschrift ein Eintrag in einer Datenbank oder Ähnliches für viele Hundert Euro im Jahr gebucht wurde, verbindlich für mehrere Jahre und mit zweifelhaftem Gegenwert.

"Andere Formulare erscheinen wiederum wie Rechnungen, die dann versehentlich bezahlt werden", sagt Kinski. "Die Empfänger sollten sich auch nicht von Mahnschreiben abschrecken lassen, denen beispielhafte Amtsgerichtsurteile angehängt sind." Insbesondere junge Existenzgründer wüssten häufig nicht, dass sie als Unternehmer kein gesetzliches Widerrufsrecht haben und es daher meist unmöglich ist, sich von einmal abgeschlossenen Verträgen wieder zu lösen. "Wir empfehlen daher allen Unternehmern dringend, sehr vorsichtig zu sein und alle Angebote einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kritisch zu prüfen", so der IHK-Berater. "Bei Fragen und Problemen helfen wir den Firmen gern weiter."

Hilfe gibt es für Betrugsopfer selbst dann, wenn bereits Geld vom Konto abgebucht worden ist. "Wer auf ein dubioses Adressbuchangebot hereingefallen ist, sollte den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten", rät Reiner Münker, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Schutzverbandes gegen Wirtschaftskriminalität (DSW). "Nur in den seltensten Fällen kommt es zur gerichtlichen Beitreibung der vermeintlich fälligen Kosten." In diesen Fällen empfiehlt er, einen Rechtsanwalt einzuschalten.

Eine vorformulierte "Anfechtungserklärung wegen arglistiger Täuschung" finden Betrugsopfer auf der Internetseite der Polizeilichen Kriminalprävention. Damit die Offertenschwindler keine weiteren Überweisungen anderer Firmen empfangen können, empfehlen die Polizeiberater, das Geldinstitut des Empfängers zu kontaktieren. Bei offenkundig wettbewerbswidrigem Handeln ihrer Kunden dürfen die Banken das entsprechende Konto kündigen.

"Mit betrügerischen Abzockmethoden wird nach unseren Berechnungen jährlich ein hoher dreistelliger Millionenschaden in der Wirtschaft angerichtet, erklärt DSW-Vorstand Reiner Münker. "Oftmals verbergen sich deutsche Geschäftemacher hinter englischen Limiteds und geben pro forma Strohleute als hiesige Direktoren der englischen Gesellschaft an." Stutzig machte den Buchholzer Faxempfänger Oliver Scheller der Satz "Es gilt zypriotisches Recht". Hinter den "Branchenseiten Harburg" steckt eine beschränkt haftende Kapitalgesellschaft nach angelsächsischem Recht mit Sitz in Nikosia, der Hauptstadt des griechischen Teils der Mittelmeerinsel Zypern.

Das Unternehmen betreibt eine Internetseite, auf der ein Login mit dem per Fax zugestelltem Benutzernamen und Passwort nicht möglich ist. Und bei den für zahlende Kunden versprochenen vier Millionen Firmeneinträgen heißt es, der Service sei zurzeit gestört aber in wenigen Tagen "wieder online". Oliver Scheller lässt auch diesen Termin gelassen verstreichen.

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