Einem Lehrer aus Sambia droht die Abschiebung , eine stellvertretende Schulleiterin aus Wilhelmsburg macht sich für ihn stark

Wilhelmsburg. Das Tohuwabohu ist groß an diesem Nachmittag in der Klasse 3 b in der Schule an der Burgweide in Kirchdorf-Süd, einer Schule, an der fast alle Kinder ausländische Wurzeln haben. Die Kinder sollen Englisch lernen, aber sie schreien und laufen im Kreis herum. "Halt die Klappe, Digga!" raunzt ein Junge seinen Nachbarn an. Die beiden fangen an zu rangeln.

Ein großer Mann mit dunkler Haut geht dazwischen. "Stop it, please!" sagt er den Jungen mit sanfter Stimme. Die beiden lassen voneinander ab. Jetzt kann der Englisch-Unterricht losgehen. "Everybody look here!", sagt der große Mann. Er liest den 22 Kindern aus dem Buch "The Bopping Big Band" vor und zeigt ihnen Bilder von Tieren, die Instrumente in einer Band spielen. "Who is this?", fragt der Mann und zeigt auf einen Bären. "It's a big brown bear - now everbody!". Und fast alle Kinder antworten: "It's a big brown bear!"

Der Mann, der hier in der Arbeiter- und Arbeitslosensiedlung Kirchdorf-Süd in einer Klasse, in der nur zwei Kinder einen deutschen Elternteil haben, den Englischunterricht begleitet, ist ein besonderer Lehrer: Evans Lukomona, 42, aus Sambia im südlichen Afrika. Er ist ein "outlaw", quasi ein Gesetzloser in Hamburg. Er hat fast vier Jahre ohne Papiere in der Hansestadt gelebt, bei seiner Schwester und deren deutschem Mann im Stadtteil Hamm. Dann griff die Polizei ihn im Juni in Altona auf, er kam 19 Tage in Untersuchungshaft. Im Knast stellte er ein Asylgesuch. Er kam wieder auf freien Fuß. Jetzt will die Hamburger Innenbehörde, dass er sich im Aufnahmelager im bayerischen Zirndorf meldet.

Evans Lukomona will, dass das Asylverfahren in Hamburg durchgeführt wird. 30 Freunde haben sich im Eingabenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft für ihn stark gemacht. Der Ausschuss hat deren Anliegen abgelehnt, "aufgrund der begrenzten Aufenthaltsmöglichkeiten von Herrn Lukomona".

Auch die stellvertretende Schulleiterin der Schule an der Burgweide, Maria Jedding-Gesterling, 57, hat sich mit einem Schreiben an den Eingabenausschuss dafür eingesetzt, dass Evans Lukomona sein Asylverfahren in Hamburg durchführen kann: "Seit September begleitet mich Herr Lukomona regelmäßig in den Englischunterricht meiner dritten Grundschulklasse. Für die Schüler ist es eine große Motivation, mit Herrn Lukomona, einem Native Speaker, Englisch zu sprechen. Er hat inzwischen zu den Kindern - drei von ihnen haben ebenfalls afrikanische Wurzeln - ein herzliches Verhältnis aufgebaut. Gerade auch unsere beiden behinderten Kinder werden von ihm spielerisch und humorvoll unterstützt. Oft fragen mich die Kinder: 'Kommt Evans wieder?' Und die Vorfreude ist ihnen ins Gesicht geschrieben."

Auch an der Stadtteilschule Stübenhofer Weg in Kirchdorf-Süd ist Evans Lukomona mittlerweile als Praktikant im Englischunterricht einer fünften und einer achten Klasse tätig. Und auch dort mögen ihn die Mädchen und Jungen sehr gerne, vor allem die farbigen Kinder schätzen ihn als Bezugsperson.

Evans Lukomona stammt aus Lusaka, der Hauptstadt von Sambia. Er hat Naturwissenschaften und Organische Chemie in Sambia und Tansania studiert und sich in Pädagogik, pädagogischer Psychologie und im Bildungsmanagement weitergebildet. Er war Gründer und Inhaber des International Tutorial Colleges (ITC) mit 60 Lehrern und 500 Schülern und Studenten aus verschiedenen Ländern im sambischen Lusaka und Ndola.

"Ich habe 1400 Euro im Monat verdient", sagt Evans Lukomona, "bis meine Schule Ende 2003 von Geldeintreibern der Regierung aufgelöst wurde. Sie haben einfach das Mobiliar und die Computer abgeholt." Seine Erklärung dafür: Er habe im Unterricht die Regierung kritisiert, die chinesische Firmen im Lande unterstütze, die die Arbeiter im Land schlecht behandelten. Er habe seinen Studenten Zeitungsartikel gezeigt, in denen stand, dass Arbeiter in Sambia erschossen wurden.

Er hat Programme an seiner Schule eingeführt, die die Studenten darauf vorbereiteten, auf der ganzen Welt zu studieren: Recht, Volks- und Betriebswirtschaftslehre und Geschichte. Die sambische Regierung sei dagegen gewesen. "Ich habe diese Programme trotzdem an meiner Schule eingeführt - 400 Studenten haben sie mit guten Noten absolviert", sagt Evans Lukomona.

Nach dem Aus für sein College trennte sich seine Frau von ihm, sie lebt mit den beiden Kindern Kalaba, 15, und N'gandwe, 13, in Sambia. "Es ist schön das Hamburger Schulsystem kennenzulernen", sagt Evans Lukomona. "Aber es ist anders als in Sambia: Dort gehst du in die Klasse und alle sind ruhig. Hier springen alle herum, sprechen und schreien, und du musst sie beruhigen. Ich mache das auf die freundliche und sanfte Art - das wirkt besser."