“Wir suchen für diese schöne Wohnung nur Mieter ohne Kinder“, heißt es in einer Anzeige für ein Vier-Zimmer-Objekt in Heimfeld.

Heimfeld. Andrea Kaiser, 43 (Name geändert), aus Harburg war elektrisiert: Diese Anzeige, die sie da gerade auf ihrem iPhone gelesen hatte, schien wie ein Sechser im Lotto zu sein: "Schöne Wohnung mit Balkon in Seitenstraße", schrieb das Maklerbüro aus Nenndorf. Ja, das war sie doch, die Wohnung, die sie für sich, ihren Mann und ihre beiden Söhne suchte: Vier Zimmer in Heimfeld, 91 Quadratmeter, "Balkon ist in den Hof ausgerichtet", Einbauküche, Vollbad. Und der Preis erst, ein richtig gutes Angebot angesichts der inflationären Preise auf dem Hamburger Wohnungsmarkt: 600 Euro kalt.

Sofort ruft Andrea Kaiser das Maklerbüro Malte Friedrichs Immobilien in Nenndorf an. Eine Maklerin meldet sich. Andrea Kaiser bittet um einen Besichtigungstermin. "Haben Sie Haustiere?", fragt die Maklerin. "Nein, habe ich nicht und werde ich auch nicht haben." "Haben Sie Kinder?", fragt die Maklerin. "Ja, zwei Jungen, zwölf und 14 Jahre alt", sagt Andrea Kaiser. "Dann brauchen wir nicht weiter zu sprechen, da in der Wohnung keine Kinder erwünscht sind", sagt die Maklerin. "Die sind doch schon älter, das sind ruhige Kinder und keine Babys mehr", sagt Andrea Kaiser. "Trotzdem nicht, das möchte der Eigentümer nicht", sagt die Maklerin. "Wie bitte, das glaube ich nicht - eine Vier-Zimmer-Wohnung und keine Kinder?", fragt Andrea Kaiser. "Ja, der Eigentümer möchte das so, die Wohnung soll nur an Pärchen vermietet werden."

Andrea Kaiser ist sprachlos. Da haben ihr Mann und sie einen guten Job, die Söhne gehen aufs Gymnasium und alles was sie suchen, ist eine bezahlbare Wohnung, weil die Heiz- und Mietkosten ihres Miethauses sie langsam erschlagen. Noch sprachloser wird Andrea Kaiser, als sie sich den Text der Anzeige auf der Internetseite immobilienscout24.de noch einmal genau durchliest. Unter der Rubrik "Ausstattung" steht dort: "Wir suchen für diese schöne Wohnung nur Mieter ohne Kinder."

Andrea Kaiser versteht die Welt nicht mehr: "Da beschwert sich Deutschland, dass zu wenig Kinder da sind, und dann gibt es da eine Vier-Zimmer-Wohnung, und dort dürfen da keine Kinder rein. Das kann doch nicht angehen!"

Das Hamburger Abendblatt hat die Anzeige Mietexperten vorgelegt. Die Rechtsberaterin Marielle Eifler vom Mieterverein zu Hamburg nimmt kein Blatt vor dem Mund: "Diese Anzeige ist eine absolute Schweinerei. Ein Anzeigentext, der sich so offensichtlich und unverblümt gegen Familien mit Kindern wendet, ist mir noch nicht untergekommen. Man muss sich langsam fragen, wo wir leben und welche Zeiten anbrechen."

Immer mehr Vermieter in Hamburg wünschten sich Doppelverdienerhaushalte ohne Kinder, sagt Marielle Eifler. "Die haben sie lieber als die Mutter, deren Kinder den Nachbarn auf dem Kopf herumtrampeln." Ihre Beobachtung: Es gibt immer mehr "Schnüffelfragebögen" von Maklern. "Da wird gefragt, ob man raucht, welcher Religion man angehört und wie es mit dem Kinderwunsch aussieht. Das nimmt ein immer komischeres Ausmaß an."

Auch Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von Mieter helfen Mietern ist empört: "Diese Anzeige ist ein absolutes Novum, einfach ätzend! Was für ein schlimmer Mensch setzt so etwas in die Welt? Die Anzeige ist ein Schlag ins Gesicht von Menschen mit Kindern, ich finde sie menschlich sehr verwerflich. Sie macht deutlich, dass sich Vermieter auf dem Hamburger Wohnungsmarkt mittlerweile alles herausnehmen können."

Hunde, Kinder, Klaviere - was nicht in eine "bequeme, ruhige Doppelzahlergemeinschaft" passe, werde von immer mehr Vermietern abgelehnt, sagt Sylvia Sonnemann. Da die Anzeige sich aber nicht gegen Religion, Geschlecht oder Herkunft wende, könne der Verfasser nicht nach dem Antidiskriminierungsgesetz verfolgt werden.

Das Abendblatt sprach mit dem Vermieter der Vier-Zimmer-Wohnung: dem Rentner Uwe M. Er ist 78 Jahre alt. Er wohnt mit seiner Partnerin Karin G. direkt unter der Vier-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss in der Meyerstraße in Heimfeld. "Für mich ist der Anzeigentext nicht diskriminierend", sagt der ehemalige Architekt. "Er drückt ein Wunschdenken aus."

Noch wohne in der Wohnung ein Paar mit einem anderthalb Jahre alten Kind. "Das Kind läuft den ganzen Tag herum, das hören wir", sagt Uwe M., "und das versuchen wir wieder zu unterbinden. Wegen der alten Holzbalkendecke ist jeder Lärm von oben zu hören, ob Getrampel, Radio oder Fernsehen." Sein Vater hat das Haus 1937 gebaut. Seit 1975 ist er Eigentümer. "Als wir in die Wohnung einzogen, hatten wir auch zwei kleine Kinder. Und die Nachbarn über uns hatten auch zwei kleine Kinder. "Vielleicht", sagt Uwe M., "war man da noch nicht so empfindlich."

Gleich eine Hausnummer weiter, zwei Meter von seinem Hauseingang entfernt, lebt Uwe Ms Tochter. Sie hat zwei Kinder, 14 und 17 Jahre alt - in etwa so alt also wie die Kinder von Andrea Kaiser, die eine Vier-Zimmer-Wohnung sucht. "Natürlich kann ich auch mit einem Paar Pech haben", sagt Uwe M., "vielleicht kommen dann jeden Tag 20 Leute zu Besuch, und das Paar zieht nach ein, zwei Jahren wieder aus. Aber es ist doch besser, lieber deutlich zu schreiben, bitte ohne Kinder - dann kommen nicht 50 Familien und bekommen eine Absage."

Wegen einer offenen Tür sei die Wohnung nicht für Familien mit Kindern geeignet, sagt Maklerin Sabine Friedrichs, 40, aus Nenndorf, Mutter zweier Kinder. "Wir sind alles andere als kinderfeindlich. Nächstes Mal werde ich den Text anders formulieren."