Was diese Klassengemeinschaft in den Jahren 1942 bis 1951 erlebte, ist heute kaum mehr vorstellbar. Jedes Jahr trifft sie sich in Wilhelmsburg.

Wilhelmsburg. Wenn ehemalige Schülerinnen und Schüler zum Klassentreffen zusammenkommen, so ist das nicht unbedingt ein Anlass, an die große Glocke gehängt zu werden. Aber in diesem Fall steckt schon etwas mehr Geschichte in der Geschichte. Beachtliche 60 Jahre sind vergangen, seit diese Klasse die Schule Neuenfelder Straße in Wilhelmsburg mit dem Hauptschulabschluss verließ.

Achteinhalb Jahre dauerte der Unterricht von der ersten bis zur neunten Klasse, von Herbst 1942 bis Frühjahr 1951. Die meisten sind im Jahr 1936 geboren und heute zumeist 75 Jahre alt. Wer zurückdenkt, der ahnt, dass sich die Schulzeit dieser Klasse nicht mit heutigen Verhältnissen vergleichen lässt: Während der Grundschulzeit war Krieg, es fielen Bomben. Und nach dem Krieg waren Hungerjahre.

Margrit Brandt-Schlösser ist die Seele der ehemaligen Klassengemeinschaft. Und wenn sie nicht die Organisation in die Hand genommen hätte, gäbe es vermutlich auch die Klassentreffen nicht. 42 Jungen und Mädchen zählte die Gemeinschaft am Ende der Schulzeit 1951. Klassenlehrer Gustav Schuldt und Rektor Hermann Keesenberg hatten die Schulabgänger ins Leben hinaus geschickt. "Und aus uns allen ist trotz der vielen Widrigkeiten etwas geworden", sagt Margrit Brandt-Schlösser nicht ohne Stolz. Sie arbeitete kaufmännisch bei der Plange-Mühle in Wilhelmsburg.

Zur Schulzeit war sie Klassensprecherin und sie sagt, sie sei immer noch ein unruhiger Mensch, würde sehr aktiv sein, viel joggen und kegeln und natürlich die Klassentreffen organisieren. "Ich freue mich so sehr, wenn alle wiederkommen", sagt sie." Aber es lässt sich auch nicht verschweigen, dass die Zahl der Teilnehmer durch Erkrankung oder Tod zurückgeht. Zur 60-Jahr-Feier kamen aber immerhin noch 24 Ehemalige, die sich für das Treffen alle fein zurecht gemacht hatten.

Das erste Klassentreffen war bereits 1954 im Lokal "Zur Palme" in Wilhelmsburg. Nach langer Pause war die nächste Zusammenkunft 1978 im Gasthaus Zur Linde. Und seit 1991 ist der Kupferkrug zum regelmäßigen Treffpunkt geworden. "Wir halten zusammen wie Pech und Schwefel", sagt Margrit Brandt-Schlösser, "aber weil wir weniger werden haben wir uns 2007 geschworen, uns fortan jedes Jahr zu treffen." Inzwischen sind auch die Ehepartner der ehemaligen Schüler dabei. Gemeinsames Mittagessen, Kaffeetrinken und natürlich jede Menge Unterhaltung von früher bis heute machen den Tag von 12 bis 17 Uhr zum Erlebnis.

Der Krieg hatte den Schulanfang von Margrit Brandt-Schlösser schon nach kurzer Zeit aus der Bahn geworfen. Ihre Schule auf der Veddel war ausgebombt. Sie musste fortan zur Schule Buddestraße in Wilhelmsburg gehen.

Aber schon ein halbes Jahr nach der Einschulung, im März 1943, war auch dort Schluss mit dem Schulunterricht. So wie in allen vom Bombardement betroffenen Stadtteilen Hamburgs wurde auch ihre Klasse zum Schutz der Kinder bis Kriegsende im Mai 1945 weit weg in die Landverschickung gebracht. Da erinnert sich Mitschüler Klaus Wilke noch ganz genau: "Ein Teil unserer Klassen kam nach Bayern, ein anderer Teil nach Niedersachsen, Sachsen oder Thüringen. Im Mai 1945 begann dann der Schulbetrieb wieder in Hamburg, zunächst mit vielen Unwägbarkeiten. Aber am Ende des Jahres funktionierte vieles schon wieder. Allerdings war die Schülerzahl nach dem Krieg mit Klassenstärken von 25 Kindern nicht mehr das, was sie vor dem Krieg mit 50 Kindern war. So war 1950 anfangs beschlossen worden, die an der Schule Neuenfelder Straße nach Jungen und Mädchen getrennten Klassen zusammen zu legen. Doch die Jungen der damaligen H 8 protestierten. Der damalige Schüler Gerd Hauptmann: "Der Lehrer der Mädchenklasse war einfach unmöglich. Wir haben mit dem ersten Schulstreik nach dem Krieg in Hamburg erreicht, dass die achte Klasse von der Buddestraße mit ihrem Lehrer Gustav Schuldt an unsere Schule kam." Margrit Brandt-Schlösser: "Und diese noch im letzten Schuljahr zusammengefügte Klasse hat nun diesen unglaublichen Zusammenhalt gefunden. Ich freue mich riesig."

Der Winter 1946/47 war extrem lang und kalt. Und es gab kaum Brennstoff und nur wenig zu essen. Und auch die Bekleidung war meist alt und zerschlissen. Klaus Wilke: "Es gab auch kaum etwas zu kaufen, die Eltern der meisten Kinder waren Arbeiter. Viel Geld hatte keiner. Wegen der Kälte sind wir drei Monate lang nur zur Schule gegangen, um unsere Hausaufgaben abzuholen und hinzubringen. Klaus Wilke hatte es beruflich zum Niederlassungsleiter eines Gasunternehmens gebracht. Gerd Hauptmann leitete die Abteilung Hafentechnik der Reederei Hamburg Süd.

Angemeldete Teilnehmer des Klassentreffens: Rosemarie Enneleit, Margrit Brandt-Schlösser, Adelheid Reimers, Marianne Petzold, Irmgard Beck, Helga Krüger, Hildegard Schneider, Hella Bubert, Ruth Kellner, Hans-Joachim Cordes, Heiner Cordes, Ralf Diedrichkeit, Hans Feldmann, Gerd Hauptmann, Fritz-Joachim Hoich, Werner Jaß, Heinz Köhnke, Adelbert Krüger, Robert Labert, Hans-Jürgen Leinung, Rolf Minde, Dieter Nadolny, Günther Reimer, Heiner Schulenburg, Jürgen Werner, Horst Wiebeke, Klaus Wilke, Ernst Wülfgen.