Chapeau! Vor dem Mut dieser beiden Frauen, derart offen ihre Geschichte als Schreibschwache zu erzählen, kann jeder nur den Hut ziehen. Aber warum gehört so viel Mut dazu, offen zuzugeben, beim Schreiben und Lesen nicht der Norm unserer Gesellschaft zu entsprechen?

Die Antwort ist leider nur zu einfach: Weil wir, die Gesellschaft, dazu neigen, alles, was nicht der Norm entspricht, zu stigmatisieren. Damit werden Analphabeten in eine Schublade mit den Vermerken "dumm und zurück geblieben" gesteckt. Wer zu dieser Generation der 50-Jährigen gehört, wird sich mit Sicherheit auch an Lehrer aus der eigenen Schulzeit erinnern, deren Schreibtische voll solcher Schubladen waren. Schüler wurden von Lehrern geschlagen und offen gemobbt. Da verschwand schon mal ein Mitschüler in der "Sonderschule". Und meistens waren das Kinder, deren Eltern eben nicht die Kraft oder den sozialen Hintergrund hatten, den es braucht, um ein Kind zu fördern und zu fordern, vielleicht auch gegen die Lehrer.

Umso wichtiger, dass Menschen mit Schreib- und Leseschwächen aus dieser und aus früheren Generationen heute auf Pädagogen an der Volkshochschule treffen, die ihnen das zurückgeben, was man ihnen jahrelang ausgeprügelt hat: nämlich Selbstvertrauen.