Konrad Schittek malt am liebsten Menschen, Natur und Häuser. Jetzt hat er mit seiner Frau das Tagebuch “Von Hamburg nach Buxtehdue“ verfasst.

Moorende. Die Este ist ihr Lebenselixier. Auf dem Fluss haben Konrad Schittek, 64, und Antje Heinrich, 58, sich vor 16 Jahren kennengelernt: In einem Ruderkutter, in dem noch heute 13 Frauen und Männer aus dem Alten Land einmal in der Woche zwischen der Elbmündung bei Cranz und Buxtehude rudern. "Wir waren beide allein erziehend", sagt Konrad Schittek, "da hatten wir gleich eine gute Gesprächsbasis."

Seit 14 Jahren sind die beiden nun ein Paar, und seit sechs Jahren leben sie gemeinsam in Konrad Schitteks Tagelöhnerhaus, Baujahr 1936, auf dem Estedeich in Moorende. Wenn sie im Garten stehen, hören sie Barsche und Hechte in der Este springen, der Blick geht über Apfelbäume und auf den St.-Martini-Kirchturm in Estebrügge, und manchmal schwimmt auch ein Reh durch den Fluss. Im Frühling und im Sommer laufen Hühner durch den Garten, aber die hat das Paar jetzt ausquartiert, denn im Winterhalbjahr steigt das Wasser der Este oft bis an den Deichfuß und überschwemmt das Vorland.

"Die Lebensqualität", sagt Antje Heinrich, "ist hier unheimlich groß. Wir erleben den Wechsel der Jahreszeiten viel intensiver als in der Stadt und leben doch nur 30 Minuten vom Hamburger Elbtunnel entfernt."

Von März bis Oktober fährt das Paar jeden Sonnabend binnen 20 Minuten von ihrem Anleger zum Buxtehuder Hafen und besorgt sich auf dem Wochenmarkt Obst, Gemüse und Fleisch. "Die Fahrt auf der Este nach Buxtehude ist wie eine Zeitreise 100 Jahre zurück", sagt Konrad Schittek. "Wir genießen die Landschaft und hören und sehen keine Autos und Fabriken."

Ja, die beiden Moorender lieben ihren Beritt - sie ist Obstbauerntochter aus Leeswig, vier Kilometer weiter flussabwärts; er ist gebürtiger Hamburger, auch ein Flusskind, ein Elbkind aus Övelgönne. Ihre Liebe zu ihrer alten und neuen Heimat haben Konrad Schittek und Antje Heinrich jetzt ein wunderbares und liebevolles, kleines Denkmal gesetzt: das gemalte Tagebuch "Von Hamburg nach Buxtehude entlang der Este - Impressionen aus dem Alten Land".

Über 100 Orte und Szenen von Cranz bis Buxtehude hat Konrad Schittek fein und detailfreudig in Aquarelltechnik festgehalten: die Sietas-Werft in Cranz, den Umzug der Schützengilde von Estebrügge und Umgebung von 1612 im schwarzen Rott und die Drehbrücke über die Este zwischen Moorende und Estebrügge. Dazu gibt es unterhaltsame und informative Texte, die das Paar gemeinsam geschrieben hat - Antje Heinrich ist als evangelische Seelsorgerin in den Elbe-Kliniken Stade-Buxtehude eine Frau passender Worte. Eine kleine Kostprobe: "Unter der Drehbrücke legte früher der Fischer Hein Timm an. In seinem Ruderboot hatte er 'springlebennige Fisch inne Holtbütt' und klingelte die Leute zusammen."

Das gemalte Tagebuch von Konrad Schittek und Antje Heinrich ist ein wunderbarer Guck- und Lesegenuss für Menschen, die aus dem Alten Land kommen oder gerne ins Alte Land fahren. "Von Hamburg-Cranz gelangt man entlang der Este bequem in drei Stunden nach Buxtehude", wird Konrad Schittek nicht müde zu betonen. "Und vom Bahnhof Altona gelangt man bequem mit der Buslinie 150 nach Cranz. Den Estespaziergang kann ich nur jedem empfehlen - so etwas Schönes hat die Welt noch nicht gesehen."

Es sind vor allem die Bilder mit jungen und alten Menschen aus dem Alten Land, die den Betrachter des Buches fesseln: Ein kleiner Junge nascht Kirschen vor einem Altländer Bauernhaus, in der Hand eine Kirschtüte, daneben eine Schubkarre mit leuchtend roten Kirschen und ein Schild "Heute Knubber". Ein weißes Boot mit elf Frauen und Männern an Bord rudert an den Wohnzimmern und Gärten der Estehäuser vorbei. Ein Kaufmann mit einer Gemüsekiste in den Händen unterhält sich mit einem Nachbarn auf der Straße.

"Der Kaufmann mit der Delmonte-Schürze ist unser Kaufmann Klaus Blohm neben seinem Geschäft", sagt Konrad Schittek. "Da bald Feierabend ist, trägt er seine Obst- und Gemüsekisten schon mal nach hinten, wo er direkt am Wasser ein Lager hat. Schon sein Vater 'Bückel-Blohm' handelte mit Fischen und hatte, um die Karpfen frisch zu halten, einen Kasten mit Löchern hinter seinem Haus, der an einer Kette im Fluss schwamm. Bei günstiger Tide kann ich zum Einkaufen bei Klaus mit dem Boot anlegen."

Konrad Schittek ist das Malen in die Wiege gelegt worden. Seine beiden Eltern studierten an der Hamburger Kunstschule am Lerchenfeld. Er selbst lernte den Beruf des Foto-Lithografen, verdiente sein Geld als freier Maler, Grafiker und Lithograf. Später konzentrierte er sich auf das Malen von Fliesen. Heute ist Konrad Schittek Inhaber der Fliesenhandel Konrad Schittek GmbH in Sinstorf, und macht mit Industriefliesen der vergangenen 50 Jahre rund zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr, Tendenz steigend (das Hamburger Abendblatt berichtete).

Die Künstlerader ist indes nie gestorben in dem erfolgreichen Geschäftsmann Konrad Schittek. Seit einem viertel Jahrhundert nimmt er, nun als Freizeitkünstler, mit seiner naturalistischen Maltechnik die schönsten Plätze im Alten Land ins Visier. "Für jedes Bild war ich vor Ort, habe skizziert, gemalt und Fotos gemacht", sagt der Moorender. "Nichts kann das direkte Sitzen vor dem Motiv ersetzen. Licht, Farben und das Bild wirken im Freien ganz anders. Man fühlt die Temperatur, hört die Geräusche und riecht, was es zu riechen gibt."

Zu hören gibt es in Zukunft Unerfreuliches, ist die Sorge von Konrad Schittek. Wenn die Autobahn A 26 von Stade nach Hamburg fertig ist, führt sie auch durch Neuland und das Buxtehuder Moor, einen Kilometer von der Buxtehuder Innenstadt und 3,5 Kilometer von Konrad Schitteks Tagelöhnerhaus entfernt. "Wenn der Wind von der Autobahn auf unser Haus weht, werden wir das Rauschen der Autos hören."

Noch mehr Sorgen macht ihm derweil, dass die neue Autobahn mit einer Brücke über die Este führen wird. "Dann können größere Dampfer und Schiffe mit Masten nicht mehr von Hamburg nach Buxtehude schippern. Der Zugang zum Buxtehuder Hafen wäre damit ein für alle Mal versperrt."

Bis die Autos von Stade nach Hamburg auf der Autobahn sausen, werden noch ein paar Jahre ins Land ziehen. Mit seinem Motortucker wird Konrad Schittek auch dann noch zum Wochenmarkt nach Buxtehude schippern können. Und sein Bruder Christian, 67, aus Moorende wird ihn weiter besuchen kommen - bei schönem Wetter mit eigener Körperkraft: Christian schwimmt dann bei Flut die Este hoch, trinkt bei Konrad einen Kaffee und schwimmt mit der ersten Ebbe wieder nach Hause.

Konrad Schittek: Von Hamburg nach Buxtehude entlang der Este - Impressionen aus dem Alten Land. Husum Verlag, 103 Seiten, 24,95 Euro.