Zuschüsse für Nachhilfe oder Mittagessen. Nach Anlaufschwierigkeiten wird das Bildungs- und Teilhabepaket besser angenommen.

Winsen/Berlin. Heute wird die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen (CDU), eine erste Bilanz zum Bildungs- und Teilhabepaket veröffentlichen. Nach enormen Anfangsschwierigkeiten sei inzwischen eine deutliche Steigerung bei den Anträgen von Leistungsberechtigten zu verzeichnen. 44 Prozent der Bezieher von Hartz IV und Wohngeld beantragen für ihre Kinder Leistungen aus dem Paket. Dazu zählen Zuschüsse für Nachhilfekosten, Zuschüsse für Mittagessen in Schulen, Zuschüsse für Musikunterricht oder für Mitgliedsbeiträge für Sportvereine. Die meisten Eltern beantragen bei den Kommunen, wo die Anträge bearbeitet, abgelehnt oder genehmigt werden, Zuschüsse für Mittagessen und Klassenfahrten. Und die Bundesministerin wird es sich sicher nicht nehmen lassen, ihr Paket als Erfolg zu feiern.

Vor Ort, im Kreishaus in Winsen vermag man den Erfolg des Pakets nicht zu sehen. Reiner Kaminski, Fachbereichsleiter Soziales bei der Kreisverwaltung in Winsen, hat gerade, wie seine Kollegen in den anderen Kommunen auch, das Sozialministerium in Berlin mit den aktuellen Antragszahlen für die Bilanz beliefert. Die Frage, ob sich das Bildungs- und Teilhabepaket vom Flop zum Erfolg gemausert habe, verneint Reiner Kaminski deutlich. "Von kreisweit rund 6300 leistungsberechtigten Kindern beantragen in einigen Bereichen gerade mal 20 Prozent Zuschüsse, die ihnen zustehen. Da kann ich beim besten Willen nicht davon sprechen, dass die Leistungen bei den Kindern ankommen", so der Verwaltungsfachmann. Der bürokratische Aufwand sei einfach zu hoch, und viele Eltern seien überfordert, so Kaminski weiter.

Jeder Bildungsgutschein muss einzeln von den Eltern beantragt und von der Verwaltung bearbeitet werden. Wer sein Kind in den Sportverein, den Musikunterricht, auf Klassenfahrt schicken möchte, ihm ein Mittagsessen in der Mensa und Nachhilfeunterricht bezuschussen lassen möchte, muss allein sechs Anträge stellen. Kaminski: "Wir haben hier intern schon Anfang des Jahres darüber nachgedacht, wie wir dieses System vereinfachen können. An einigen Schrauben konnten wir auch drehen, aber an der Tatsache, dass jede Leistung einzeln beantragt und von uns bewilligt werden muss, können wir nichts ändern", sagt der Fachbereichsleiter aus Winsen.

+++ Kommentar: Es gibt nichts umsonst +++

Auch der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund, der für über 400 kreisfreie Kommunen in Niedersachsen spricht, hält den bürokratischen Aufwand, der für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes betrieben werde, ebenfalls für zu hoch. Thorsten Bullerdieck, Sprecher des kommunalen Spitzenverbands, sagt: "Wir würden uns im Backoffice eine Verschlankung wünschen." Bullerdieck räumt aber ein, dass "wir den Grundgedanken des Pakets gut finden, und wir uns wünschen, dass mehr Menschen, vor allem die, die sich bislang zurück gehalten haben, diese Leistungen in Anspruch nehmen".

Bisher wurden in der Kreisverwaltung in Winsen 4783 Zuschussanträge gestellt und bearbeitet. Rund 770 Mal wurden Klassenfahrten bezuschusst. Nur etwa 400 Anträge wurden für die Bezuschussung von Nachhilfeunterricht für Kinder aus Hartz-IV-Familien gestellt im Landkreis Harburg. Dieses niedersachsenweit zu beobachtende Phänomen liege, so Thorsten Bullerdieck, weniger an dem Desinteresse der Eltern, dass ihre Kinder in der Schule gefördert würden. Grund dafür ist vielmehr die Tatsache, dass das Schuljahr noch "jung ist, und diese Zuschüsse erst gewährt werden, wenn die Versetzung eines Kindes gefährdet ist".

Rund 1800 Anträge stellten Eltern, um Zuschüsse für Sportvereine und Musikschulen für ihre Kinder zu bekommen. Sicher, so Reiner Kaminski, sei nach den anfänglichen Schwierigkeiten eine deutliche Steigerung bei den Anträgen zu sehen, aber er bleibe bei seiner Kritik an dem System. Das Geld, dass der Bund jetzt für das Bildungs- und Teilhabepaket ausgibt, das hätte er "besser in Leistungen gesteckt, die allen Kindern zugute kommen, die sie brauchen, ohne dass ihre Eltern sich mit einem Antragberg konfrontiert sehen", sagt der Bereichsleiter Soziales Reiner Kaminski von der Winsener Kreisverwaltung.

Von den Problemen, die die Umsetzung ihres Bildungs- und Teilhabepakets vor Ort in den Kommunen bereiten, wird die Ministerin Ursula von der Leyen heute, bei ihrer Präsentation der Bilanz, erwartungsgemäß wohl weniger sprechen.