Sängerin und Songwriterin Graziella Schazad spricht vor ihrem Konzert in Buchholz über Yoga, Gottvertrauen und ihr Sicherheitsbedürfnis.

Buchholz/Hamburg. Mit Extremen kennt sich Graziella Schazad aus. Geboren in Berlin als Tochter eines Afghanen und einer Polin, verließ sie mit 17 das Musikgymnasium, schlug sich als Musikerin durch, zog dann nach Bayern und verdiente ihr Geld als Stewardess, bis sie schließlich einen Neuanfang in Hamburg wagte - und mit poppigen Folksongs zurück auf die Bühne kehrte. Zum Interview in einem Hamburger Café erscheint die Sängerin in einem Vintagekleid, unter der cremefarbenen Spitze zeichnet sich ihr Babybauch ab, im März soll das Kind kommen. Bald werde sie in den Mami-Modus wechseln, sagt die 28-Jährige. Aber bis dahin ist sie ganz Graziella Schazad, die Singer-Songwriterin, die vier Instrumente beherrscht und für ihren eigenwilligen Gebrauch der Geige bekannt ist. Die hält sie wie eine Gitarre vor sich, aus Pragmatismus, um zugleich singen zu können. Zu hören ist das Ergebnis auf ihrer aktuellen Tour und ab 2013 auf ihrem zweiten Album.

Hamburger Abendblatt: Lassen Sie uns über Yoga sprechen.

Graziella Schazad: Gern. Diese esoterische Schublade habe ich schon früh, so mit 16,17, geöffnet. Ich habe ziemlich viel ausprobiert. Reflexion, die fünf Tibeter, Modern Style Tai Chi. Mit einem Buch habe ich damals auch schon Yoga gemacht, weil ich irgendwie einen Zustand in mir gesucht habe. Aber ich bin bei keinem dieser Dinge richtig hängen geblieben. Als ich dann vor drei Jahren einen ziemlichen psychischen Tiefpunkt hatte, habe ich etwas gesucht, was mir wieder raus hilft. Mein Mann ist Personal Yoga Coach und ich hatte das Glück, dass er mich in dieser schwierigen Phase an die Hand genommen und mich richtig eingeführt hat, also richtig mit fünf Stunden Yoga täglich. Yoga ist also für mich kein Wellnessausgleich. Es war für mich in der Zeit mental überlebenswichtig, um überhaupt wieder Boden unter den Füßen zu bekommen und zu mir zu kommen. Ein paar Monate habe ich das dann konsequent gemacht. Ging mein Flug um sieben Uhr, bin ich um vier Uhr aufgestanden. Mittlerweile ziehe ich es vor, länger zu schlafen (lacht). Ich brauche Yoga nicht mehr jeden Tag. Habe ich viel zu tun, lasse ich es eben eine Zeit lang sein. Ich zwinge mich nicht mehr.

Was bewirkt Yoga bei Ihnen?

Schazad: Ich erreiche dann einen Zustand, in dem ich mehr Vertrauen habe. Das ist es eigentlich. Vertrauen ins Leben, ins Alltägliche. Ich mache mir selbst sehr viel Druck. Damit kann ich dann besser umgehen. Wenn ich vier Wochen kein Yoga gemacht habe, werde ich viel (sucht nach Worten) ängstlicher. Wenn ich Yoga mache, habe ich einfach Gottvertrauen, ich finde zu meinen Wurzeln.

Sind Sie gläubig?

Schazad: Gläubig schon, aber nicht religiös. Ich wurde katholisch erzogen und glaube an Wiedergeburt, würde mich aber nicht als Buddhistin bezeichnen. Ich habe eine Zeit lang nicht geglaubt und bin total froh, dass ich den Glauben für mich wieder entdeckt habe.

Gehen Sie zum Yoga ins Studio?

Schazad: Nein. Das ist ja damals in einer Phase entstanden, in der es mir wirklich nicht gut ging. Da kommt viel Schmerz hoch, das hätte ich niemals teilen wollen. Und ich habe meinen eigenen Rhythmus, halte die Übungen gern so lange, wie ich das möchte. Das würde gar nicht in einer Gruppe funktionieren. Aber jetzt war ich schon einmal in einer Gruppe für Schwangere. Das ist für mich was anderes, da gehe ich hin, um mich ein bisschen auf die Geburt vorzubereiten und Mamis kennenzulernen. Leider habe ich immer Termine. Aber das wird bestimmt bald besser.

Welchen Stil praktizieren Sie?

Schazad: Hatha. Ich muss das Gefühl haben, dass bei mir eine Wirkung einsetzt. Ich mag kein zu seichtes Yoga.

Haben Sie eine Lieblingsübung?

Schazad: Ich halte mich meistens an meine Abfolge, von den Füßen zum Bauch über den Rücken in die Schultern. Ich mache, was mir gut tut.

Yoga hat ja viel mit Loslassen zu tun - und zugleich mit Bodenhaftung. Was liegt Ihnen eher?

Schazad: Eher die Bodenhaftung. Ich glaube, dass Meditation auch ein starkes Werkzeug ist, da ist das Loslassen gefragt. Mir geben aber die Bewegung und die Muskelanspannung noch das Gefühl, die Kontrolle zu haben. Ich habe Angst, dass zu viel hochkommt, wenn ich meditieren würde. Deshalb meide ich die Meditation noch.

Auch beim Musikmachen gelten Sie als sehr diszipliniert.

Schazad :Ja, es war auch sehr ungewohnt für mich, jetzt zwei Konzerte abzusagen. Das hätte ich für mich nie gemacht, aber fürs Baby war es gut. Als ich jetzt in New York zum Songwriting war, habe ich zum ersten Mal die Grenze durch die Schwangerschaft gespürt. Es fällt mir ein bisschen schwer, das zu akzeptieren. Im Mami-Modus wird das für mich kein Problem sein, aber als Graziella Schazad ist es für mich superschwer. Ich brenne dafür, weiter an meinem zweiten Album zu schreiben.

Worum wird es darin gehen?

Schazad: Natürlich auch ums Baby, vielleicht um Urvertrauen, Nähe, Bindung. Dinge, die Thema sind, wenn man Mutter wird. Ich bin gespannt, wie das wird.

Können Sie heute mehr mitentscheiden als zu Beginn Ihrer Karriere?

Schazad: Ich hatte eigentlich immer viel Mitspracherecht und bereue nicht, so viel ausprobiert zu haben. Der große Sound auf der letzten Tour war schön, aber mit dem kleinen Sound fühle ich mich viel sicherer. Ich bin froh, zum Puren zurückzugehen.

Also wird es diesmal ruhiger?

Schazad: Es wird auf jeden Fall intimer.

Ihr Mann ist als Yoga Coach oft in Indien, waren Sie auch schon mal da?

Schazad: Ja, ich habe Familie dort. Wir kommen zwar aus Afghanistan, aber aufgrund der politischen Verhältnisse lebt dort niemand mehr, meine Familie musste damals fliehen. Viele sind in Amerika, aber auch Indien und Deutschland. Indien habe ich erst durch meinen Mann richtig kennengelernt. Ich merke, dass das Land mich mit beiden Kulturen verbindet. Es ist sehr westlich, verbindet mich aber auch mit meinen Wurzeln. Ich spür da etwas, das mir gut tut.

Und wo fühlen Sie sich zu Hause ?

Schazad: In Hamburg.

Sie suchen aber etwas im Grünen...

Schazad: ... und wir haben uns auch schon Wohnungen angeschaut. Aber ich bin doch noch nicht so weit. Es muss nicht mehr Schanze sein. Aber Land ist es auch noch nicht. Obwohl ich die Natur liebe. Ich glaube, ich brauche beides.

Wie sind Sie zu Hause eingerichtet?

Schazad: Mein Mann malt. Ich habe mir zum Geburtstag nichts gewünscht - außer diesem einen Bild von ihm. Komischerweise hat es bisher noch keinen Platz gefunden.

Was ist das für ein Bild?

Schazad: Eine Frau, die in die Ferne schaut. Sie hat einen ganz bestimmten Gesichtsausdruck, der mein Fernweh beruhigt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Graziella Schazad beschließt ihre Tour am Freitag, 4. November mit einem Konzert in der Empore Buchholz. Das bestuhlte Konzert beginnt um 20 Uhr. Der Eintritt kostet je nach Sitzplatz 19,70 Euro oder 23 Euro. Karten gibt es an der Abendkasse oder im Vorverkauf in der Empore, Breite Straße 10, Telefon 04181/28 78 78. Weitere Informationen auf www.empore-buchholz.de . Bereits am Montag, 31. Oktober, tritt Graziella Schazad um 20 Uhr in der Hamburger Fabrik auf. Karten kosten 25 Euro, im Vorverkauf (Telefon 040/39 10 70) 21 Euro.

(abendblatt.de)