Polizisten müssen häufig Beziehungstaten schlichten. Drei große Flaggen am Harburger Rathaus sollen auf dieses Problem hinweisen.

Harburg. Tatort Wohnung: In einem Harburger Mietshaus spitzt sich nachts ein Streit zwischen zwei Eheleuten zu. Der Mann schlägt mehrfach auf seine Frau ein, bedroht sie mit einem Küchenmesser. Sie schreit, die Nachbarn alarmieren die Polizei. Der Mann verriegelt die Wohnungstür, die Polizisten müssen über den Balkon in die Wohnung des Paares einsteigen. Sie beruhigen die weinende, schwer verletzte Frau, ihr Mann konnte flüchten. Opfer und Täter sind der Polizei bekannt. Dieser Nachdiensteinsatz ist kein Einzelfall in Sachen häuslicher Gewalt für Harburger Polizisten - deshalb haben Politiker jetzt beschlossen, mit drei großen Flaggen auf das Problem aufmerksam zu machen.

"Gewalt gegen Frauen kommt leider häufig vor. Deshalb haben wir hier am Harburger Polizeikommissariat ein eigenes Sachgebiet Gewaltkriminalität, dessen Mitarbeiter sich mit Körperverletzungsdelikten in Beziehungen befassen", sagt Hans-Jürgen Petersen, stellvertretender Kommissariatsleiter. Spezielle statistische Erhebungen über Gewaltexzesse in den eigenen vier Wänden gebe es nicht. Aber die Täter seien meist Männer, Opfer seien überwiegend Frauen. Tatort ist ausgerechnet das Zuhause, der Raum, der für Sicherheit und Geborgenheit steht. "Wenn wir den Täter antreffen, können wir ihn aus der Wohnung verweisen und das Betreten der Wohnung für zunächst zehn Tage verbieten, also eine sogenannte Wegweisung aussprechen", sagt Petersen. Beantragt unterdessen die Frau die Überlassung der gemeinsamen Wohnung, verlängert sich der Zeitraum. Außerdem können bei Gericht Schutzanordnungen beantragt werden. "Da muss die betroffene Frau selbst aktiv werden, das kann die Polizei ihr nicht abnehmen, weil es im Rahmen eines Verfahrens nicht nur um strafrechtliche Aspekte, sondern auch um zivilrechtliche Ansprüche geht", so Petersen.

Für einige Frauen sei allerdings die Hemmschwelle groß, sich Hilfe zu suchen. "Diese eskalierenden Streitereien sind regelrechte Beziehungsmuster. Einige Frauen können sich von ihren gewalttätigen Freunden nicht trennen, sie glauben, dieses aggressive Verhalten sei Liebe und verzeihen die Schläge", sagt der Polizist. Doch das Anzeigeverhalten "hat sich seit Bestehen der neuen Gesetzeslage, die in den 1990er-Jahren geschaffen wurde und die der Polizei ein Wegweiserecht zubilligt, verbessert. Die Öffentlichkeit ist sensibilisiert", sagt Petersen. Für viele Betroffene ist es der erste Schritt aus der Gewaltspirale.

Frauen, die aus der Opferrolle aussteigen wollen, berät Sanne Klönne, Leiterin der Beratungsstelle "biffkids" im Frauenkulturhaus Harburg (Neue Straße 59). Hier steht, gefördert von der Hamburger Behörde für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, die Hilfe für Mütter und Kinder bei Erleben häuslicher Gewalt im Fokus. Es gibt Therapieangebote und Rechtsberatung. "Die Anzahl derer, die Rat und Hilfe suchen, steigt", so Leiterin Klönne.

Gründe genug für Heinke Ehlers, Bezirksversammlungsabgeordnete der GAL-Fraktion, auch politisch Flagge gegen Gewalt gegen Frauen zu zeigen. Und das Harburgweit. Wie berichtet, beantragte sie in der Bezirksversammlung, einen Harburger Tag gegen Gewalt gegen Frauen auszurichten und zu diesem Anlass eine Fahne vor dem Rathaus zu hissen.

Nach Informationen von Terre des Femmes - eine gemeinnützige, international aktive Menschenrechtsorganisation für Frauen - fliehen jährlich rund 40 000 Frauen vor ihren gewalttätigen Partnern in Frauenhäuser. Und laut einer aktuellen Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erlebten 40 Prozent der in Deutschland befragten Frauen schon einmal körperliche Gewalt. "Für viele Opfer ist die Flucht ins Frauenhaus der letzte Schritt nach einer langen Leidensphase. Gerade in einem Brennpunkt-Stadtteil wie Harburg sollte auf diese schrecklichen Schicksale aufmerksam gemacht werden. Das darf kein Tabuthema sein", sagt Ehlers.

Nachdem Ortspolitiker zunächst skeptisch auf den Vorstoß reagierten, bekam Ehlers kürzlich mit ihrem Anliegen unerwartet Rückenwind aus der Bürgerschaft. Auch Hamburgweit, so wurde beschlossen, soll ein Tag gegen Gewalt gegen Frauen veranstaltet werden. Nun wurde auch im Hauptausschuss grünes Licht für den Harburger Aktionstag gegeben. "Am Freitag, 25. November, werden deshalb zwei spezielle Flaggen von Terre des Femmes vor dem Harburger Rathaus wehen. Außerdem wird eine Flagge vor dem Ortsamt Süderelbe gehisst", sagt Ehlers. Weiterhin soll es Informationsaktionen zum Thema Beziehungsgewalt geben, so Ehlers. "Was genau veranstaltet wird, müssen wir erst mit Hamburg absprechen."