Ein kleiner Blick in das Beckdorf der Vergangenheit: Der Bauernhof Beekhoff weiht am Montag den restaurierten, 400 Jahre alten Schafstall ein.

Beckdorf. Ein kleiner Blick in das Beckdorf der Vergangenheit - genauer, in das des Oktobers 1611. Es gibt wenig Wald, dafür große Moor- und Heideflächen. Letztere eignen sich gut als Weiden für Schafe - und deshalb hört und sieht der Besucher die Tiere, wohin er auch blickt. Viele der um diese Jahreszeit mit dichter Wolle bewachsenen Tiere kauen friedlich vor sich hin, andere werden gerade auf dem Weg nach Buxtehude zum dortigen Schafmarkt getrieben. Blöken, Pfiffe, Hundegebell.

Auf den Ackerflächen des kleinen Dorfes sind Menschen mit der Kartoffelernte beschäftigt, aus den Schornsteinen der sechs Gehöfte und Nebengelasse dringt Rauch von verbranntem Torf. In den Häusern wird das Korn gedroschen, in einem behandelt ein älterer Schäfer einen Kranken mit Heilkräutern. In einem anderen Haus verarbeitet eine Spinnerin Wolle - und draußen vor dem Dorf hat gerade ein weiterer Schäfer seine Herde durch einen Teich getrieben. Nun ist es Zeit für die Rückkehr der Tiere in den Stall, der ein Stück entfernt liegt.

Beckdorf, das war einmal eine regelrechte Schafstadt, wie die Ausführungen von Günter Wiegers nahe legen, seines Zeichens Hobby-Historiker in Diensten der Gemeinde. Wer sich einmal in diese Zeit zurückversetzen möchte, bekommt dazu jetzt die Möglichkeit. Denn in Beckdorf wird zurzeit ein echter Zeitzeuge wieder aufgebaut. Es handelt sich um einen 400 Jahre alten Schafstall, den der Verein "Kranzbinder Beckdorf" auf dem historischen Bauerngehöft Beekhoff originalgetreu rekonstruiert. Heute feiert der Verein die Einweihung mit geladenen Gästen, dann soll der Stall auch für die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Einer der Männer, die mit den letzten Arbeiten beschäftigt sind, ist Siegfried Pohl. Er schneidet lange Weidenruten zurecht, die er dann zwischen Holzbalken in die Wände hineinflicht. "Füllen der Gefache" nennt sich dieser Arbeitsgang. Anschließend muss das Geflecht mit Lehm verfüllt werden. "Weiden waren damals ein sehr günstiges Baumaterial, sie wuchsen überall. Und Lehm war auch vorhanden", sagt Pohl von den Beckdorfer Kranzbindern, der bei Airbus als Konstrukteur arbeitet. Die ehrenamtliche Arbeit auf dem Beekhoff nennt er einen "idealen Ausgleich" zu seinem Job. "Es ist einfach schön, Dinge für die Nachwelt zu erhalten. Besonders in einer schnelllebigen Gesellschaft wie unserer".

Zum Gedanken des Erhalts gehört auch die Verwendung originalgetreuer Materialien. So wurden die Bauelemente, die nicht mehr erhalten waren, mit Material aus der Region ersetzt. "Die Weiden haben wir in Horneburg geschnitten. Holz für neue Rundlatten der Dachkonstruktion haben wir im Wald geschlagen", so Pohl weiter. Neben Pohl haben 20 weitere Kranzbinder ein Jahr lang an der Rekonstruktion gearbeitet. Zuvor war der Stall 13 Jahre lang, in Einzelbauteilen, auf dem Gelände des Beekhoffs eingelagert. Und davor?

"Dieser Stall stand einmal in Ochtmannsbruch, einem Dorf bei Hollenstedt. Er stand dort an der Grenze eines Grundstückes, sodass der Schäfer seine Tiere gleich herein treiben konnte", erzählt Siegfried Stresow, Vorsitzender der Kranzbinder. Dass der Stall auf dem Gelände des Beekhoffs neu entstehen konnte, verdanken die Kranzbinder dem Hobby-Heimatforscher Ulrich Klages. Der Arzt aus Heidenau bei Hollenstedt, der im vergangenen Jahr verstorben ist, hatte sich der Pflege der ländlichen Bausubstanz im norddeutschen Raum verschrieben und einst die Reste des alten Schafstalles erworben. Im Jahr 1998 schenkte er den Kranzbindern die historischen Bauteile - mit der Auflage, den Stall wieder zu errichten.

Auf dem Beekhoff komplettiert der Stall jetzt das historische Ensemble, das aus Gebäuden besteht, die seit 1989 in ähnlicher Weise restauriert wurden. Dem Gedanken der historischen Authentizität folgend, wurde der Stall auf einer Streuobstwiese, ein Stück entfernt von der den übrigen Häusern, wieder errichtet.

"Man muss es sich vorstellen wie ein Baukastensystem. Die Ställe wurden damals in Zimmereibetrieben vorgefertigt. Die Teile wurden gekennzeichnet, danach wurde der Stall demontiert und wieder aufgebaut", sagt der Vereins-Bauleiter und -Zimmermann Martin Gawlig.

Tatsächlich existieren die Markierungen aus dem 17. Jahrhundert noch heute, an den tragenden Pfählen und Dachsparren sind eingeritzte Striche zu erkennen. Diesen brauchten die heutigen Konstrukteure nur zu folgen - ganz ähnlich wie bei einer Bauanleitung eines heutigen Regals aus dem Möbelhaus.

Bei der Einweihung am Sonnabend wurde der Stall erst einmal zum Tummelplatz der geladenen Gäste. Landrat Michael Roesberg und Apensens Samtgemeindebürgermeister Peter Sommer waren dabei sowie Vertreter der Sponsoren, die die Kranzbinder bei der Rekonstruktion unterstützt haben. Auch die Familie Cohrs aus Ochtmannsbruch, auf deren Grund der Stall einst stand, war dabei.

Im Anschluss planten die Kranzbinder eine ganz praktische Nutzung. "Wir wollen in dem Stall alte bäuerliche Gerätschaften trocken unterstellen, zum Beispiel Ackerwagen und Kutschen", sagt Siegfried Stresow. Darüber hinaus stellt sich Siegfried Stresow Projekte für Schulklassen vor, die in dem Stall stattfinden könnten - hautnaher Unterricht über die bäuerliche Wirklichkeit vergangener Jahrhunderte.