Annegrethe und Eugen Wagne, die Eltern des ehemaligen Bausenators Eugen Wagner, feiern Gnadenhochzeit. Eine Lebensgeschichte.

Finkenwerder. Ein Sturmtief zog auf, als Eugen und Annegrethe Wagner in der Holstenquelle auf Finkenwerder ihre Hochzeit feierten. "Es schüttete in Strömen, das Wasser stieg immer höher und die Hühner des Wirts mussten geschlachtet werden, sonst wären sie ertrunken", sagt Eugen Wagner. "Sie können sich nicht vorstellen, was das für ein Wetter war!"

Die Hochzeitsfeier in der Holstenquelle liegt jetzt fast 70 Jahre zurück. Am morgigen Dienstag feiern Eugen, 90, und Annegrethe Wagner, 91, ihren 70. Hochzeitstag - die Gnadenhochzeit, ein Tag, der in Deutschland nur ganz wenigen Paaren vergönnt ist.

Standesamtlich geheiratet hatten die Wagners bereits eine Woche vor der kirchlichen Trauung in der St. Nikolai-Kirche am Landscheideweg und der Hochzeitsfeier, die Annegrethes Onkel Walter Fock ausrichtete. Es war der 11. Oktober 1941, mitten im Zweiten Weltkrieg, vier Monate nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion. Die kirchliche Trauung und die Feier war um eine Woche verschoben worden, weil Annegrethes Vater als Fischdampferkapitän unterwegs war - "der konnte nicht rankommen", sagt Eugen Wagner.

Wegen der Fliegeralarme mussten sich Eugen und Annegrethe bei der Polizei eine Genehmigung holen, damit sie bis 2 Uhr feiern durften. Nach der kirchlichen Trauung ging es zu Fuß in die Holstenquelle an der Müggenburg. "Weil es so schüttete, waren meine Beine und meine Schuhe dreckig", erinnert sich Annegrethe Wagner. In der stürmischen Nacht machte dann ein Spruch die Runde in der Holstenquelle: "Wenn die Ehe so wird wie das Wetter, dann wird sie sehr stürmisch."

Die Wagners haben den Stürmen des Lebens gemeinsam getrotzt. Sie haben den Krieg überlebt und sich in der jungen Bundesrepublik einen Platz in der Gesellschaft erkämpft. Heute geht es ihnen gesundheitlich nicht mehr ganz so gut: Sie sitzt im Rollstuhl, er muss dreimal in der Woche zur Dialyse. Aber sie sind noch zusammen, leben jetzt in einer Ein-Zimmer-Wohnung im Bodemann-Heim am Norderschulweg auf Finkenwerder. "Dat is goot", sagt Eugen Wagner - beide sprechen Platt- und Hochdeutsch miteinander.

Eugen Wagner kam am 6. März 1921 in Ottensen zur Welt. Anderthalb Jahre später kam er mit seinen Eltern nach Finkenwerder, sein Vater arbeitete auf der Deutschen Werft. Dort machte auch Eugen Wagner von 1935 bis 1939 eine Lehre zum Elektriker. Während des Krieges baute er auf der Werft U-Boote. Erst im Oktober 1944 wurde er zur Marine eingezogen, im Februar 1945 kam er wieder zurück aus Frankreich. Auf Finkenwerder war er auch Geschützführer bei der Heimatflak.

Annegrethe Wagner ist Finkwarder Deern. Sie kam am 5. Mai 1920 auf dem Hof ihrer Großmutter am Neßdeich 98, Ecke Nordmeerstraße zur Welt. "Auf der anderen Straßenseite hatte Schuster Heinz seinen Laden", erinnert sich Annegrethe Wagner.

Kennengelernt haben sich Annegrethe und Eugen 1938 in einem Lokal am Steendiek. "Es war bei einem Schultreffen der Westerschule", sagt Eugen Wagner. "Dort stand ein Klavier, und ich habe 'n beten gespielt. Annegrethe hatte gerade ein Klavier geschenkt bekommen, konnte aber nicht spielen. Sie setzte sich neben mich, sagte 'zeig mir mal was!', und dann habe ich ihr 'n beten beigebracht." Später gingen sie öfter zum Tanzen, verliebten sich und wurden ein Paar.

Eugen Wagner spricht ganz offen aus, warum die beiden so früh geheiratet haben - er war ja noch nicht mal 21 Jahre alt und brauchte eine Erlaubnis vom Amt. "Eugen war der Grund zur Ehe. Als er unterwegs war, mussten wir heiraten."

Eugen junior ist der einzige Sohn von Annegrethe und Eugen Wagner. Er kam am 4. Februar 1942 in der Schlafstube von Annegrethes Eltern am Auedeich zur Welt.

Dass Eugen junior einmal mächtig und berühmt werden würde, konnten seine jungen Eltern damals natürlich noch nicht ahnen. Aus dem kleinen Eugen wurde später der Bausenator Eugen Wagner, mit fast 19 Amtsjahren der dienstälteste Hamburger Senator, der mit seiner robusten Art Politik zu betreiben den Spitznamen "Beton-Eugen" erhielt.

Seine Schwiegermutter lernte Wagner senior ein halbes Jahr vor der Hochzeit in deren Keller kennen. "Ich habe Annegrethe nach Hause gebracht, und wir mussten wegen eines Fliegeralarms in den Keller", sagt Eugen Wagner. Das Haus am Neßdeich wurde bei dem Angriff schwer beschädigt.

Auch im Winter 1945 saß das Ehepaar Wagner mit ihrem Sohn Eugen mal wieder im U-Boot-Bunker auf der Werft. "Bei dem Luftangriff wurde der Bunker geknackt", sagt Eugen Wagner, "nach dem Abwurf waren da zwei Löcher drinnen. Wir haben mit viel Glück überlebt."

Ein Jahr nach dem Krieg wechselte Eugen Wagner von der Werft zu den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW), "weil die Werft gesprengt werden sollte und ich Angst hatte, arbeitslos zu werden". Er arbeitete sich zum Bauleiter im Kabelnetz hoch, montierte Kabel und verlegte Netzstationen. Sie war ihr Leben lang Hausfrau - "ich war immer zu Hause und habe die Arbeit gemacht", sagt Annegrethe Wagner.

Dass ihr Sohn Eugen es bis zum Bausenator gebracht hat, darauf ist das Ehepaar Wagner "sehr stolz". "Er war ja ein einfacher Mann, kein Akademiker", sagt Vater Wagner. Eugen junior besuchte auf Finkenwerder die Westerschule, die Norderschule und die Aueschule, danach eine private Höhere Handelsschule, die er mit dem Realschulabschluss verließ. Er lernte Reedereikaufmann bei der Reinecke J. A. GmbH & Co. Reederei in der Neustadt, ging zwei Jahre zur Bundeswehr und später zur BASF Farben + Faser AG, wo er Vorsitzender des Betriebsrates wurde. Von Februar 1983 bis Oktober 2001 war der Sozialdemokrat Mitglied des Hamburger Senats und Präses der Bau- und Verkehrsbehörde. Eugen Wagner senior ist 1988 in die SPD eingetreten - 17 Jahre nach seinem Sohn.

Das Ehepaar Wagner lebte mit Eugen junior in einer Zwei-Zimmer-Wohnung an der Ostfrieslandstraße, baute 1971 ein Reihenhaus in Neu Wulmstorf und kehrte 1986 nach Finkenwerder zurück. Zusammen mit Sohn Eugen bauten die Wagners ein Haus am Rundtörn.

Am Sonntag, 16. Oktober, wird das Gnadenpaar im Heim mit rund 50 Gästen groß feiern. Dabei sein werden auch Sohn Eugen, 69, dessen Frau Cornelia, 57, und die Enkel Hauke, 30, Anna, 27, und Malte, 21. Für die jüngeren Gäste haben die Wagners einen Rat parat: "Wer so lange zusammenbleiben will wie wir, der muss tolerant sein, sonst wird dat nix."