Ein Auftritt von Bürgerinitiativen verzögert die Sitzung der Bezirksversammlung. Sie fordern stärkere Bürgerfreundlichkeit.

Harburg. "Harburg wacht auf - der Bürger wehrt sich". Mit diesem Plakat am Portal des Rathauses wurden die Vertreter von Politik und Verwaltung begrüßt, die an der Bezirksversammlung teilnahmen. Denn Mitglieder der Bürgerinitiativen Vogteistraße/Jägerstraße, Wetternstraße sowie aufgebrachte Eltern und Mitarbeiter des Naturkindergartens Vogelhüttenberg an der Bremer Straße und Anwohner der Großen Straße mischten aktiv bei der Bürgerfragestunde mit - sodass nicht alle Tagesordnungspunkte abgehandelt werden konnten und die Sitzung gestern fortgesetzt werden musste.

Oftmals hatten sich die Ortspolitiker fraktionsübergreifend eine stärkere Bürgerbeteiligung bei ihren Zusammenkünften gewünscht. Während dieser Veranstaltung jedoch wussten sie nicht so recht, wie sie mit dem neuen Selbstbewusstsein der Harburger umgehen sollten. Isabel Wiest von der BI Vogtei-/Jägerstraße und ihre Mitstreiter forderten vehement, dass sich in Sachen Tempo-30-Zone und Verbot des Durchfahrens von Schwerlastverkehr etwas tut. "Wann will die Verwaltung endlich das Abwasserproblem angehen? Wenigstens diese Auskunft kann man ja wohl erwarten", sagt Wiest und umklammert das Mikrofon. Von konkreten Ansagen allerdings keine Spur. Immer bestünde Beratungsbedarf. "Wir wollen die untere Straßenverkehrsbehörde mit ins Boot holen und brauchen Konzepte, wie bauliche Veränderungen aussehen sollen, die es den Autofahrern erschweren, schneller als 30 Kilometer pro Stunde zu fahren", sagt Baudezernent Jörg Heinrich Penner. Keine Informationen, die den Bewohnern nicht bekannt waren. "Toll abgebügelt", sagt BI-Mitstreiter Reinhard Gertig.

So erging es auch den Bürgern, die an der Großen Straße leben und aufgrund von Baumpflanzungen und Straßenrückbau nicht mehr so recht in ihre Einfahrten kommen. "Erst wird Rückbau gefordert und dann wieder beklagt. Man muss ja auch nicht mit einem Ölwagen in die Garage. Nun ist aber gut", sagt er, was mit Buh-Rufen quittiert wurde. Die BI-Wetternstraße, die sich über einen Ausbau der Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünfte so gar nicht freut, kam gar nicht erst zu Wort. "Das ist ein Punkt auf der Tagesordnung. Jetzt ist keine Zeit mehr für Fragen", sagt Versammlungsleiter Manfred Schulz, SPD. Auch die Eltern und Mitarbeiter des Kindergartens Vogelhüttenberg, wo ebenfalls Obdachlosenwohnungen geplant sind, wollten ihren Protest zum Ausdruck bringen. "Schon jetzt sammeln wir Müll und Drogen aus den Sandkästen. Wir befürchten, dass es schlimmer wird, wenn hier noch Randständige angesiedelt werden", sagt Jenny Burfeind, deren Kind dort betreut wird. Immerhin äußerte sich die CDU-Abgeordnete Treeske Fischer. "Ich kann die Bedenken verstehen. Die CDU wird jeden von der Sozialbehörde vorgeschlagenen zusätzlichen Unterbringungsstandort ablehnen", sagte sie. Doch die Bürger fühlten sich nicht wahrgenommen. Nur eine Dreiviertelstunde sollte ihnen als Fragestunde zugebilligt werden - zu knapp für viele Anliegen. "Es stellt sich hier nicht die Frage, ob wir die Bürger ernst nehmen. Es stellt sich die Frage, wie wir das tun. So, wie der Baudezernent mit den Leuten umgegangenen ist, geht es jedenfalls nicht", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Carsten Schuster. SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath stimmt zu: "Was da gesagt wurde, fand ich nicht geglückt. Die Bürger müssen vernünftige Antworten bekommen."

Das rief den GAL-Vorsitzenden Ronald Preuß auf den Plan. Er läutete die aktuelle Stunde ein. Sein Thema: Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung. Und bei diesem Punkt gebe es herbe Defizite. So wurde die Bürgerinitiative Schafshagenberg laut Preuß mit ihrem Bürgerbegehren von der Verwaltung ins Abseits gedrängt. "Dabei wurde ihnen die Unterstützung der Bezirksverwaltung zugesichert. Und nur, weil man 100 000 Euro fürs Verfahren einsparen wollte, wurde nun auf Umwegen von der Fachbehörde der Beschluss einkassiert", sagt Preuß. Sein Fazit: "Der Bezirk Harburg ist nicht sehr bürgerfreundlich. Bürgerbeteiligung wird limitiert und ausgetrickst."

Amtsleiter Torsten Meinberg kann mit der Kritik nichts anfangen. "Ich finde es toll, dass die Menschen ihre Proteste in der Bezirksversammlung vortragen. Das zeigt, dass hier aktiv diskutiert wird." Außerdem werde überlegt, ob bei geplanten Straßenbaumaßnahmen im Dialog mit den Bürgern künftig ein Moderator hinzugezogen werde.

Wie man allerdings bei folgenden Versammlungen mit der Bürgerfragestunde verfährt, sie eventuell ausweitet, wurde nicht diskutiert.